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Eine Woche ziellos herumgefahren, dabei drei belanglose Erfahrungen gemacht, von denen dennoch kurz berichtet sei. Ich habe ja sonst nichts!
Erfahrung 1: Schwimmbad.
Nach vielen Jahren mal wieder ein Schwimmbad aufgesucht, vornehmlich zum Duschen (denn ich war mit einem eher einfach ausgestatteten Campinggefährt unterwegs). Zeug in Ikeatasche gepackt, Ticketautomat bedient ("1 Erwachsener 5,20 EUR"), Münzen eingeworfen, kein Ticket bekommen. Es gibt in diesem Hallenbad kein Kassenpersonal, aber eine Sprechtaste, die offenbar zum Bademeister im Inneren durchstellt. "Fassen Sie mal ganz tief in den Schacht, nein, noch tiefer! Die bleiben manchmal hängen!" - "Oh, tatsächlich, danke!")
Die Umkleide betreten, erfolgreich in die alte Badehose steigen, am Schließfach feststellen: Es werden dafür 2-Euro-Münzen benötigt! Natürlich keine solche am Mann; wo ich wohne, wird für den Schließvorgang seit Jahren das Ticket selbst verwendet. Hier benötigt man es dafür nicht - also weg damit in den Papierkorb! Ikeatasche notgedrungen mit in die Dusche und dann in die Schwimmhalle nehmen, dort ein wenig "schwimmen" (ihr dürftet mich nicht sehen, mit euren tausenden von Metern; vielleicht sollte ich eher schreiben: Im Wasser sein). Zurück in die Umkleiden. Erfolgreich umgezogen, wird am Ausgang plötzlich noch einmal das Ticket verlangt: Wieder eine Sprechtaste, ähm, ich habe kein, ich wusste nicht - man betätigte einen Summer und entließ mich.
Beim nächsten Mal war ich gewappnet: Am allerwichtigsten ist das 2-Euro-Stück! Das steckst du direkt in die Hosentasche! Zahlen, eintreten, in die Kabine - wunderbar, Wechselklamotten und alles sind in der Ikeatasche, jedoch, wo ist die Badehose? Sprechtaste: Ähm, ich müsste noch mal, habe was vergessen, kann ich vielleicht kurz. Summer. Badehose holen, Sprechtaste, ich bins wieder, ähm, müsste jetzt sozusagen wieder rein. Summer. Umkleide. Badehose. Schließfach. Aber: Kein 2-Euro-Stück. Es muss mir aus der Tasche gefallen sein, ich habe es auch später nicht mehr gefunden. Diesmal dann nur geduscht, ich war mental zu weiteren Kontaktaufnahmen per Sprechtaste einfach nicht mehr in der Lage. Vielleicht gehe ich nächstes Jahr noch mal schwimmen.
Erfahrung 2: Auto.
Irgendwann gestikuliert einer wild, du hältst an: "Sie bremsen die ganze Zeit, jedenfalls leuchten das mittlere und das linke Bremslicht durchgehend! Rechts hinten hingegen leuchtet gar nichts, auch keine Rückleuchte!" Du bedankst dich für den Hinweis und ärgerst dich: Der war doch neulich beim TÜV und davor in der Werkstatt, haben die was mit den Kabeln gemacht? Grübelst, fährst, hältst und tauschst wenigstens das Lämpchen hinten rechts aus. Schaltest zur Prüfung das Licht an, Rücklicht leuchtet, alles richtig! Aber was ist mit dem Bremslicht, warum leuchtet das permanent? Sogar das mittlere? Die Werkstatt muss ... ach, nein, jetzt erinnerst du dich! Du selbst hast kurz nach dem TÜV das Lämpchen hinten links gewechselt, weil es kaputt war, dir dabei die Finger genauso zerschunden und beinahe gebrochen wie jetzt bei der rechten Seite! Und bist dann monatelang kaum gefahren!
Und wie du so nachdenkst, fragst du dich: Welche von den Lämpchen im Rücklichtgehäuse sind eigentlich die Bremslichter? Es sind jeweils 4 Birnchen: Oben das Rücklicht, dann der Blinker, dann der Rückfahrscheinwerfer, dann die Nebelschlussleuchte ... und war es nicht so, dass du mal hinter dem Auto hergefahren bist, und beim Bremsen wurden die Rücklichter einfach deutlich heller? Aber wie funktioniert das, es wird doch nicht plötzlich irgendwie die Spannung erhöht? Das wäre doch auch nicht gut für die Glühfäden?
Und aus dem hintersten Winkel fällt dir plötzlich ein: 2 Glühfäden in einer Lampe! 2 Kontakte am Lampenfuß statt nur einem! Darauf hast du nicht geachtet und normale Birnchen mit einem Kontakt eingesetzt! Dann musst du schon lachen, weil dir klar ist, wie die Schaltung jetzt aussieht: Rücklichter an, beide Kontakte in der Fassung werden von der Lampe miteinander verbunden, leiten dabei natürlich auch durch zum mittleren Bremslicht! Also zum Baumarkt, die richtigen Birnchen kaufen. Aber besser die Lichter ausmachen, es ist noch hell genug, sonst sind die Leute hinter dir irritiert vom Dauerbremsen.
An der Ampel hältst du hinter jemandem an, trittst auf die Bremse und musst noch mehr lachen: Deine Abblendlichter leuchten plötzlich auf! Klar- hinten leuchten jetzt die Bremslichter, leiten durch auf die Rückleuchten, diese sind mit den Abblendlichtern zusammengeschaltet. Eigentlich ganz logisch alles, du freust dich diesmal sogar auf das Gefummel mit den Schrauben, weil du beim letzten Mal alles gut mit WD40 eingesprüht hast, tauschst in ein paar Minuten beide Birnchen und prüfst an einem spiegelnden Schaufenster noch mal alles.
Oder anders ausgedrückt: P21W ist nicht P21/5W, auch wenn sie fast gleich aussehen und mechanisch passen. Aber ihr wusstet das bestimmt.
Erfahrung 3: Fahrrad.
Klar, dass du das mitnimmst und auf dem Heckträger befestigst, dann aber nicht benutzt. Schließlich ruhst du dich die ganze Zeit aus - Essen, Schlafen, Lesen, Schlafen, Essen, das füllt die Tage richtig gut aus. Aber um an diese Lämpchen zu kommen, musst du die Heckklappe öffnen, mithin das Fahrrad runternehmen und bei deinen temporären Gastgebern in den Keller stellen. Aber dran denken, wenn du weiterfährst! Klar, auch nachts beim Aufwachen der erste Gedanke: Morgen das Fahrrad mitnehmen! Und beim Frühstück noch mal: Nachher ans Fahrad denken! Dann in Ruhe packen, wirklich auch alles mitnehmen, winken, losfahren. Und nur 20 Minuten später an die Bremslichter denken, dann an die Heckklappe, und gar nicht erst nach hinten schauen, sondern direkt an den Rand fahren und anrufen: Ich komme gleich noch mal, hab was Kleines bei euch vergessen.
Erfahrung 1: Schwimmbad.
Nach vielen Jahren mal wieder ein Schwimmbad aufgesucht, vornehmlich zum Duschen (denn ich war mit einem eher einfach ausgestatteten Campinggefährt unterwegs). Zeug in Ikeatasche gepackt, Ticketautomat bedient ("1 Erwachsener 5,20 EUR"), Münzen eingeworfen, kein Ticket bekommen. Es gibt in diesem Hallenbad kein Kassenpersonal, aber eine Sprechtaste, die offenbar zum Bademeister im Inneren durchstellt. "Fassen Sie mal ganz tief in den Schacht, nein, noch tiefer! Die bleiben manchmal hängen!" - "Oh, tatsächlich, danke!")
Die Umkleide betreten, erfolgreich in die alte Badehose steigen, am Schließfach feststellen: Es werden dafür 2-Euro-Münzen benötigt! Natürlich keine solche am Mann; wo ich wohne, wird für den Schließvorgang seit Jahren das Ticket selbst verwendet. Hier benötigt man es dafür nicht - also weg damit in den Papierkorb! Ikeatasche notgedrungen mit in die Dusche und dann in die Schwimmhalle nehmen, dort ein wenig "schwimmen" (ihr dürftet mich nicht sehen, mit euren tausenden von Metern; vielleicht sollte ich eher schreiben: Im Wasser sein). Zurück in die Umkleiden. Erfolgreich umgezogen, wird am Ausgang plötzlich noch einmal das Ticket verlangt: Wieder eine Sprechtaste, ähm, ich habe kein, ich wusste nicht - man betätigte einen Summer und entließ mich.
Beim nächsten Mal war ich gewappnet: Am allerwichtigsten ist das 2-Euro-Stück! Das steckst du direkt in die Hosentasche! Zahlen, eintreten, in die Kabine - wunderbar, Wechselklamotten und alles sind in der Ikeatasche, jedoch, wo ist die Badehose? Sprechtaste: Ähm, ich müsste noch mal, habe was vergessen, kann ich vielleicht kurz. Summer. Badehose holen, Sprechtaste, ich bins wieder, ähm, müsste jetzt sozusagen wieder rein. Summer. Umkleide. Badehose. Schließfach. Aber: Kein 2-Euro-Stück. Es muss mir aus der Tasche gefallen sein, ich habe es auch später nicht mehr gefunden. Diesmal dann nur geduscht, ich war mental zu weiteren Kontaktaufnahmen per Sprechtaste einfach nicht mehr in der Lage. Vielleicht gehe ich nächstes Jahr noch mal schwimmen.
Erfahrung 2: Auto.
Irgendwann gestikuliert einer wild, du hältst an: "Sie bremsen die ganze Zeit, jedenfalls leuchten das mittlere und das linke Bremslicht durchgehend! Rechts hinten hingegen leuchtet gar nichts, auch keine Rückleuchte!" Du bedankst dich für den Hinweis und ärgerst dich: Der war doch neulich beim TÜV und davor in der Werkstatt, haben die was mit den Kabeln gemacht? Grübelst, fährst, hältst und tauschst wenigstens das Lämpchen hinten rechts aus. Schaltest zur Prüfung das Licht an, Rücklicht leuchtet, alles richtig! Aber was ist mit dem Bremslicht, warum leuchtet das permanent? Sogar das mittlere? Die Werkstatt muss ... ach, nein, jetzt erinnerst du dich! Du selbst hast kurz nach dem TÜV das Lämpchen hinten links gewechselt, weil es kaputt war, dir dabei die Finger genauso zerschunden und beinahe gebrochen wie jetzt bei der rechten Seite! Und bist dann monatelang kaum gefahren!
Und wie du so nachdenkst, fragst du dich: Welche von den Lämpchen im Rücklichtgehäuse sind eigentlich die Bremslichter? Es sind jeweils 4 Birnchen: Oben das Rücklicht, dann der Blinker, dann der Rückfahrscheinwerfer, dann die Nebelschlussleuchte ... und war es nicht so, dass du mal hinter dem Auto hergefahren bist, und beim Bremsen wurden die Rücklichter einfach deutlich heller? Aber wie funktioniert das, es wird doch nicht plötzlich irgendwie die Spannung erhöht? Das wäre doch auch nicht gut für die Glühfäden?
Und aus dem hintersten Winkel fällt dir plötzlich ein: 2 Glühfäden in einer Lampe! 2 Kontakte am Lampenfuß statt nur einem! Darauf hast du nicht geachtet und normale Birnchen mit einem Kontakt eingesetzt! Dann musst du schon lachen, weil dir klar ist, wie die Schaltung jetzt aussieht: Rücklichter an, beide Kontakte in der Fassung werden von der Lampe miteinander verbunden, leiten dabei natürlich auch durch zum mittleren Bremslicht! Also zum Baumarkt, die richtigen Birnchen kaufen. Aber besser die Lichter ausmachen, es ist noch hell genug, sonst sind die Leute hinter dir irritiert vom Dauerbremsen.
An der Ampel hältst du hinter jemandem an, trittst auf die Bremse und musst noch mehr lachen: Deine Abblendlichter leuchten plötzlich auf! Klar- hinten leuchten jetzt die Bremslichter, leiten durch auf die Rückleuchten, diese sind mit den Abblendlichtern zusammengeschaltet. Eigentlich ganz logisch alles, du freust dich diesmal sogar auf das Gefummel mit den Schrauben, weil du beim letzten Mal alles gut mit WD40 eingesprüht hast, tauschst in ein paar Minuten beide Birnchen und prüfst an einem spiegelnden Schaufenster noch mal alles.
Oder anders ausgedrückt: P21W ist nicht P21/5W, auch wenn sie fast gleich aussehen und mechanisch passen. Aber ihr wusstet das bestimmt.
Erfahrung 3: Fahrrad.
Klar, dass du das mitnimmst und auf dem Heckträger befestigst, dann aber nicht benutzt. Schließlich ruhst du dich die ganze Zeit aus - Essen, Schlafen, Lesen, Schlafen, Essen, das füllt die Tage richtig gut aus. Aber um an diese Lämpchen zu kommen, musst du die Heckklappe öffnen, mithin das Fahrrad runternehmen und bei deinen temporären Gastgebern in den Keller stellen. Aber dran denken, wenn du weiterfährst! Klar, auch nachts beim Aufwachen der erste Gedanke: Morgen das Fahrrad mitnehmen! Und beim Frühstück noch mal: Nachher ans Fahrad denken! Dann in Ruhe packen, wirklich auch alles mitnehmen, winken, losfahren. Und nur 20 Minuten später an die Bremslichter denken, dann an die Heckklappe, und gar nicht erst nach hinten schauen, sondern direkt an den Rand fahren und anrufen: Ich komme gleich noch mal, hab was Kleines bei euch vergessen.
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Vor einiger Zeit stolperte ich über den Link zu einem interessanten Artikel. Darin geht es, laienhaft übersetzt, um die rätselhafte Kluft zwischen dem Alter, das man hat, und dem, das man glaubt zu haben. Die Unterzeile lautet sinngemäß: Es gibt gute Gründe dafür, dass Sie sich immer 20 Prozent jünger fühlen als Ihr tatsächliches Alter.
Hm. Ich verrate mal ein Geheimnis, mit 20 Prozent komme ich nicht hin. Meine spontane Antwort auf die Frage, die am Anfang des Artikels aufgeworfen wird - "Wie alt bist du innendrin?" - lautet: 19.
Was in dem Artikel steht, weiß ich nicht mehr so genau. Es geht aber unter anderem um Menschen, die real Mitte 70 und in ihrem Kopf Mitte 40 sind, das kann ich gut verstehen, zumal die Frage nicht lautet, wie alt man sich fühlt (Montagmorgen: steinalt), sondern wie alt man in seinem Selbstbild ist. Auch bei längerem Nachdenken ist meine Antwort: 19.
Natürlich weiß ich, dass schon meine Kinder längst älter als 19 sind. Rein rechnerisch ist mir auch klar, dass ich tief im letzten Jahrhundert geboren wurde, und auch wenn manchmal ein Jahrzehnt unter den Tisch fällt (jaja, Andy Brehme hat vor über 20 Jahren diesen Elfmeter geschossen, echt lange her - nein, es sind 34!), sind mir die groben zeitlichen Verläufe und Dimensionen durchaus bewusst.
Vor einigen Tagen schlich sich wieder mal ein Album in meinen Kopf, das ich ewig nicht gehört habe. Ich kaufte es gleich bei Erscheinen auf CD, Blaze of Glory von Joe Jackson aus dem Jahre 1989. Trotz des gefälligen Steppin' Out einige Jahre zuvor hatte ich ihn als Musiker für Bescheidwisser eingeordnet, ähnlich Elvis Costello: irgendwie independent und auch mal roh und ungestüm, insgesamt aber verkopft und übermäßig angestrengt.
Da erklang aus dem Radio der moderate Hit Nineteen Forever und gefiel mir gut genug, um die Investition zu tätigen. Und für einige Zeit lief die Scheibe rauf und runter, kam meiner Vorliebe für zusammenhängende Werke mit klugen Übergängen zwischen den Liedern entgegen und brachte gar so etwas wie ein Konzept mit: Wunderbar, und jetzt für ein paar Jahrzehnte ins Unterbewusstsein damit, bis sie aus heiterem Himmel wieder nach oben gespült wird und dann wochenlang durchgehört werden muss, Sie kennen diese Textbausteine ja von mir.
You can love it or leave it
But I'm never gonna be 35
Schön und gut, sagen Sie jetzt, ihm ist also ein Lied wieder eingefallen. Toll!
Mo-ment. Ganz so einfach ist es nicht. Ich sagte: 1989. Ein wichtiges Jahr - genau!, 3. und 4. Oktober!, Alsterdorfer Sporthalle!
Vielleicht ist es das; vielleicht die Tatsache, dass ich kurz vorher den Führerschein gemacht hatte. Das rosa Dokument hätte ich übrigens spätestens vor einigen Wochen in ein kartenförmiges umtauschen müssen; Problem: Der junge Mann auf dem Foto, der da so wenig motiviert in den Fotoautomaten am Bahnhof schaut, bin ich. Ein frisches, biometrisches Foto für die Scheckkarte würde mein aktuelles Äußeres abbilden, diese spätere Version von mir - mit der ich mich vollkommen im Reinen fühle, alles OK - aber es fühlt sich ein wenig gelogen an, jawoll, Herr Inspektor, das auf dem Foto bin ich, aber das auf dem anderen da, das bin ich eigentlich viel mehr.
Jetzt könnte ich noch einen Exkurs einbauen über gewisse Kindsköpfigkeiten und arrested development auf musikalischen (wissen Sie alles) und anderen Gebieten: Finden Sie es nicht auch totkomisch, wenn eine Zeichentrickfigur in der Luft weitergeht, irgendwann nach unten schaut und erst dann erschrocken abstürzt? Hahahaha!
Aber am Ende ist es nicht das, was ich meine: Nicht die Albernheiten, nicht die Nostalgie. Es ist ein Lebensgefühl, das sich damals herausgebildet hat. Und das ist, bei allen großen Ereignissen, Entwicklungen und Wendungen in meinem Leben, seither geblieben, seit 1989 - und doch ist mir erst jetzt aufgefallen, wie alt ich war, als dieses Lied herauskam.
You better believe it
You better believe it
Come on!
One more time!
Hm. Ich verrate mal ein Geheimnis, mit 20 Prozent komme ich nicht hin. Meine spontane Antwort auf die Frage, die am Anfang des Artikels aufgeworfen wird - "Wie alt bist du innendrin?" - lautet: 19.
Was in dem Artikel steht, weiß ich nicht mehr so genau. Es geht aber unter anderem um Menschen, die real Mitte 70 und in ihrem Kopf Mitte 40 sind, das kann ich gut verstehen, zumal die Frage nicht lautet, wie alt man sich fühlt (Montagmorgen: steinalt), sondern wie alt man in seinem Selbstbild ist. Auch bei längerem Nachdenken ist meine Antwort: 19.
Natürlich weiß ich, dass schon meine Kinder längst älter als 19 sind. Rein rechnerisch ist mir auch klar, dass ich tief im letzten Jahrhundert geboren wurde, und auch wenn manchmal ein Jahrzehnt unter den Tisch fällt (jaja, Andy Brehme hat vor über 20 Jahren diesen Elfmeter geschossen, echt lange her - nein, es sind 34!), sind mir die groben zeitlichen Verläufe und Dimensionen durchaus bewusst.
Vor einigen Tagen schlich sich wieder mal ein Album in meinen Kopf, das ich ewig nicht gehört habe. Ich kaufte es gleich bei Erscheinen auf CD, Blaze of Glory von Joe Jackson aus dem Jahre 1989. Trotz des gefälligen Steppin' Out einige Jahre zuvor hatte ich ihn als Musiker für Bescheidwisser eingeordnet, ähnlich Elvis Costello: irgendwie independent und auch mal roh und ungestüm, insgesamt aber verkopft und übermäßig angestrengt.
Da erklang aus dem Radio der moderate Hit Nineteen Forever und gefiel mir gut genug, um die Investition zu tätigen. Und für einige Zeit lief die Scheibe rauf und runter, kam meiner Vorliebe für zusammenhängende Werke mit klugen Übergängen zwischen den Liedern entgegen und brachte gar so etwas wie ein Konzept mit: Wunderbar, und jetzt für ein paar Jahrzehnte ins Unterbewusstsein damit, bis sie aus heiterem Himmel wieder nach oben gespült wird und dann wochenlang durchgehört werden muss, Sie kennen diese Textbausteine ja von mir.
You can love it or leave it
But I'm never gonna be 35
Schön und gut, sagen Sie jetzt, ihm ist also ein Lied wieder eingefallen. Toll!
Mo-ment. Ganz so einfach ist es nicht. Ich sagte: 1989. Ein wichtiges Jahr - genau!, 3. und 4. Oktober!, Alsterdorfer Sporthalle!
Vielleicht ist es das; vielleicht die Tatsache, dass ich kurz vorher den Führerschein gemacht hatte. Das rosa Dokument hätte ich übrigens spätestens vor einigen Wochen in ein kartenförmiges umtauschen müssen; Problem: Der junge Mann auf dem Foto, der da so wenig motiviert in den Fotoautomaten am Bahnhof schaut, bin ich. Ein frisches, biometrisches Foto für die Scheckkarte würde mein aktuelles Äußeres abbilden, diese spätere Version von mir - mit der ich mich vollkommen im Reinen fühle, alles OK - aber es fühlt sich ein wenig gelogen an, jawoll, Herr Inspektor, das auf dem Foto bin ich, aber das auf dem anderen da, das bin ich eigentlich viel mehr.
Jetzt könnte ich noch einen Exkurs einbauen über gewisse Kindsköpfigkeiten und arrested development auf musikalischen (wissen Sie alles) und anderen Gebieten: Finden Sie es nicht auch totkomisch, wenn eine Zeichentrickfigur in der Luft weitergeht, irgendwann nach unten schaut und erst dann erschrocken abstürzt? Hahahaha!
Aber am Ende ist es nicht das, was ich meine: Nicht die Albernheiten, nicht die Nostalgie. Es ist ein Lebensgefühl, das sich damals herausgebildet hat. Und das ist, bei allen großen Ereignissen, Entwicklungen und Wendungen in meinem Leben, seither geblieben, seit 1989 - und doch ist mir erst jetzt aufgefallen, wie alt ich war, als dieses Lied herauskam.
You better believe it
You better believe it
Come on!
One more time!
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Es gibt eine Vorgeschichte mit Nina Hagen, mit der ich mich nie befasst habe, und ein letztes Album von 1984, das mich schon nicht mehr interessiert hat. Was aber genau in der Mitte zwischen der Spliff Radio Show (1980) und dem Song Radio (1984) in nur einem Jahr, dem sowieso großen Popjahr 1982, auf gleich zwei Alben veröffentlicht wurde, gehört zu meinen musikalischen Grundnahrungsmitteln. Und ich greife regelmäßig darauf zurück.
Man kennt sie noch von Bravo-Postern oder als Knibbelbild, besonders markant Reinhold Heil mit Wuschelmähne und übertriebener Brille, der übrigens Carbonara und Das Blech gesungen hat: Typisch, dass gerade diese beiden Gassenhauer und Schenkelklopfer die zwei großen Hits geworden sind, an die man sich heute erinnert.
Dabei waren sie fantastische Musiker, die irgendwie in die Mühlen der "Neuen Deutschen Welle" gerieten. Der Slap-Bass von Manne Praeker definiert geradezu den Sound der frühen 80er wie auch das elektronische Schlagzeug von Mitteregger (das lange Drumsolo in der Mitte der Albumversion von Das Blech reißt den Song definitiv raus). Und was Reinhold Heil an den Keyboards veranstaltet - später übrigens: Filmmusik für Tom Tykwer, das habe ich damals im Kino bei "Winterschläfer" gleich erkannt - ist genauso großartig wie die Gitarrenbretter von Potschka.
Wobei ich die Sachen zwar auswendig mitsinge und kaum darüber nachdenke - wenn aber doch, stellt sich mir gerne die Frage, ob das besonders tiefgründige Lyrics sind oder einfach großer Quatsch. Nicht anders als damals im Deutschunterricht mit diesen Gedichten.
Ein Highlight steht gleich am Anfang der Platte 85555, sphärische Keyboards, satte Drums, das erste Gitarrenbrett und ein paar Slaps auf dem Bass ziehen einen direkt in die Atmosphäre des ganzen Songs, noch bevor Mitteregger mit seinem distanzierten Gesang loslegt und schließlich endet:
Der Rote Hugo hängt tot im Seil
Die Leiche stinkt nach Shit
Wie'n weisser Engel, schön wie Schnee hängt er da
- ey, du tust dir noch weh!
War'n wilder Kerl mit feuchtem Blick
Doch der kommt nie zurück
So schreib dein Leben auf ein Stück Papier und warte
Bis die Zeit vergeht
(Spliff, "Déja Vu")
Starke Bilder, hier passt alles zusammen, und die Art, wie er das "R" artikuliert ("zurrrück"), ist das I-Tüpfelchen.
Weniger gerne höre ich den Gesang von Manne Praeker - aber was der da singt, hat sich mir erst mit großer Verzögerung erschlossen:
Sie nimmt mich mit in 'nem roten Kadett
Raus aus der Bar und weg
In ihrem roten Kadett
Sie zieht Speed im roten Kadett
Rauf auf den Spiegel und weg
Wir sind aufm Schnellweg
(Spliff, "Duett komplett")
Speed und Spiegel und weg, das lief einfach so im Jugendradio und hätte man noch merken können - aber dass der rote Kadett vielleicht gar kein Auto ist, darauf kam ich erst Jahrzehnte später. (Anderen ging es wohl ähnlich mit Little Red Corvette von Prince, übrigens auch von 1982, und ich wüsste tatsächlich gerne, wer sich hier von wem inspirieren ließ.)
Sie lieben die Kanonen
Und fliegen öfter zum Mond
Spitzenwichser ohne Schädelkraft
Die machen hier einfach
Was keiner mehr rafft
(Spliff, "Jerusalem")
Tiefsinn oder Quatsch? Herwig Mitteregger, für mich dann doch der "richtige" Sänger in der Band, gibt jedenfalls regelmäßig alles, z.B. hier schon durch die Art des Vortrags ganz knapp vor dem Wahnsinn:
Quer durch Algerien fahrn wir jetzt zurück
Die eine Kiste ist hinüber
Die andre macht noch mit
Und oben stehn diese Geier
Charly, wer hat die bezahlt?
Ich hab kein' Bock auf Keier, kein' Bock auf Geier
Noch nie Bock auf Geier gehabt!
Schenk mir ganz Australien
Mit nem wilden Tier
Oder gib mir ganz Amerika
Kein Bock, ich bleib jetzt hier
Dann hau doch endlich ab! Wohin? Wohin?
Au ja! Nach Mexiko!
(Spliff, "Wohin? Wohin?")
Manchen Texten merkt man ihre Entstehungszeit sehr genau an ("Kill!" über Videospiele, "Computer sind doof" über rote Knöpfe und Atomraketen), so wie die Streifenhosen und Muskelshirts und Schnauzbärte einen in die 80er versetzen; und die Bühnenshow könnte man so unironisch machohaft heute auch nicht mehr bringen.
Trotzdem, und auch trotz manch altbackener Soundschnipsel, ist das Zeug für mich sehr gut gealtert und hat definitiv mehr Klasse als fast alles andere, das es damals an populärer deutscher Musik gegeben hat. Hören Sie sich das ruhig mal wieder an!
Man kennt sie noch von Bravo-Postern oder als Knibbelbild, besonders markant Reinhold Heil mit Wuschelmähne und übertriebener Brille, der übrigens Carbonara und Das Blech gesungen hat: Typisch, dass gerade diese beiden Gassenhauer und Schenkelklopfer die zwei großen Hits geworden sind, an die man sich heute erinnert.
Dabei waren sie fantastische Musiker, die irgendwie in die Mühlen der "Neuen Deutschen Welle" gerieten. Der Slap-Bass von Manne Praeker definiert geradezu den Sound der frühen 80er wie auch das elektronische Schlagzeug von Mitteregger (das lange Drumsolo in der Mitte der Albumversion von Das Blech reißt den Song definitiv raus). Und was Reinhold Heil an den Keyboards veranstaltet - später übrigens: Filmmusik für Tom Tykwer, das habe ich damals im Kino bei "Winterschläfer" gleich erkannt - ist genauso großartig wie die Gitarrenbretter von Potschka.
Wobei ich die Sachen zwar auswendig mitsinge und kaum darüber nachdenke - wenn aber doch, stellt sich mir gerne die Frage, ob das besonders tiefgründige Lyrics sind oder einfach großer Quatsch. Nicht anders als damals im Deutschunterricht mit diesen Gedichten.
Ein Highlight steht gleich am Anfang der Platte 85555, sphärische Keyboards, satte Drums, das erste Gitarrenbrett und ein paar Slaps auf dem Bass ziehen einen direkt in die Atmosphäre des ganzen Songs, noch bevor Mitteregger mit seinem distanzierten Gesang loslegt und schließlich endet:
Der Rote Hugo hängt tot im Seil
Die Leiche stinkt nach Shit
Wie'n weisser Engel, schön wie Schnee hängt er da
- ey, du tust dir noch weh!
War'n wilder Kerl mit feuchtem Blick
Doch der kommt nie zurück
So schreib dein Leben auf ein Stück Papier und warte
Bis die Zeit vergeht
(Spliff, "Déja Vu")
Starke Bilder, hier passt alles zusammen, und die Art, wie er das "R" artikuliert ("zurrrück"), ist das I-Tüpfelchen.
Weniger gerne höre ich den Gesang von Manne Praeker - aber was der da singt, hat sich mir erst mit großer Verzögerung erschlossen:
Sie nimmt mich mit in 'nem roten Kadett
Raus aus der Bar und weg
In ihrem roten Kadett
Sie zieht Speed im roten Kadett
Rauf auf den Spiegel und weg
Wir sind aufm Schnellweg
(Spliff, "Duett komplett")
Speed und Spiegel und weg, das lief einfach so im Jugendradio und hätte man noch merken können - aber dass der rote Kadett vielleicht gar kein Auto ist, darauf kam ich erst Jahrzehnte später. (Anderen ging es wohl ähnlich mit Little Red Corvette von Prince, übrigens auch von 1982, und ich wüsste tatsächlich gerne, wer sich hier von wem inspirieren ließ.)
Sie lieben die Kanonen
Und fliegen öfter zum Mond
Spitzenwichser ohne Schädelkraft
Die machen hier einfach
Was keiner mehr rafft
(Spliff, "Jerusalem")
Tiefsinn oder Quatsch? Herwig Mitteregger, für mich dann doch der "richtige" Sänger in der Band, gibt jedenfalls regelmäßig alles, z.B. hier schon durch die Art des Vortrags ganz knapp vor dem Wahnsinn:
Quer durch Algerien fahrn wir jetzt zurück
Die eine Kiste ist hinüber
Die andre macht noch mit
Und oben stehn diese Geier
Charly, wer hat die bezahlt?
Ich hab kein' Bock auf Keier, kein' Bock auf Geier
Noch nie Bock auf Geier gehabt!
Schenk mir ganz Australien
Mit nem wilden Tier
Oder gib mir ganz Amerika
Kein Bock, ich bleib jetzt hier
Dann hau doch endlich ab! Wohin? Wohin?
Au ja! Nach Mexiko!
(Spliff, "Wohin? Wohin?")
Manchen Texten merkt man ihre Entstehungszeit sehr genau an ("Kill!" über Videospiele, "Computer sind doof" über rote Knöpfe und Atomraketen), so wie die Streifenhosen und Muskelshirts und Schnauzbärte einen in die 80er versetzen; und die Bühnenshow könnte man so unironisch machohaft heute auch nicht mehr bringen.
Trotzdem, und auch trotz manch altbackener Soundschnipsel, ist das Zeug für mich sehr gut gealtert und hat definitiv mehr Klasse als fast alles andere, das es damals an populärer deutscher Musik gegeben hat. Hören Sie sich das ruhig mal wieder an!
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Im vergangenen Jahr habe ich endlich wieder zum Lesen richtiger Bücher gefunden.
Früher kaum vorstellbar, dass ich das mal sage, denn ich habe immer für mein Leben gerne gelesen. Das ging schon vor der Schule los, ich war fasziniert von der Schreibmaschine meiner Eltern und brachte mir das Lesen und Schreiben selber bei. Seither habe ich gelesen, wann es nur ging: Wenn ich auf Kindergeburtstagen eingeladen war, verzog ich mich mit einem spannenden Buch in die Ecke. Wenn wir in den Urlaub fuhren, las ich, was in der Unterkunft zu finden war - Konsalik, Bastei-Romane, völlig egal. Ich wünschte mir jahrelang "Die drei ???" zum Geburtstag, häufte 500 Jerry-Cotton-Heftromane an, nahm auch die Auswahlbände von Reader's Digest, wenn es nichts anderes gab, und traf durch die schiere Menge zwischendurch auf richtig gute Literatur.
Eine der frühesten und zugleich beeindruckendsten literarischen Erfahrungen war "Der Bahnwärter Sandomir" von Günter Bruno Fuchs: Da merkte schon mein Grundschüler-Ich, dass hier jemand eine ganz eigentümliche, eigene Welt aufspannt, und dass die interessanten Abenteuer nicht nur im Weltraum oder bei der Verbrecherjagd stattfinden, sondern auch in einer ganz anderen Sicht auf diese Welt bestehen können.
Nicht mal der Deutschunterricht konnte mir die Freude am Lesen verderben, auch wenn ich mich an kaum ein Lektürestück erinnere, das ich damals gerne gelesen hätte: Aber das mag am Setting liegen, schließlich bin ich auch erst nach dem Schulabschluss ins Deutsche Museum gegangen und habe mir das Modell mit der Großmolkerei und Milchabfüllung angesehen, sehr interessant! - ein Jahr vorher hätte ich laut gekotzt, wenn sie uns da hingeschleppt hätten. Also sorry an Frank Wedekind und Co.
(Jedoch waren nicht mal 30 Jahre vergangen, als die Scharte ausgewetzt werden konnte, weil meine Tochter im Englischunterricht etwas zu der Kurzgeschichte "How Muster-Master Stoneman Earned His Breakfast" von Price Warung ausarbeiten musste. Ich wollte das Entstehungsdatum -1892!- kaum glauben, weil sie so modern geschrieben ist. Dieser Punkt geht klar an die Schule.)
Im todlangweiligen Studium (ja, ich bin selber schuld) traf ich immerhin auf Dostojewskij und freute mich kunst- und kulturpsychologisch über die genaue Figurenzeichnung in "Der Idiot", fühlte mich von den ersten Houellebecqs und Maxon Crumb bereichert, las parallel weiter massenhaft leichtes Zeug wie die Montalbano-Krimis von Andrea Camilleri, und so hätte das immer weitergehen können - wenn ich nicht irgendwann aufgehört hätte.
Natürlich nicht komplett: Aber plötzlich blieb ein so faszinierendes Werk wie "Unendlicher Spaß" nach 300 Seiten für Jahre neben meinem Bett liegen. Plötzlich blieb ich im ersten Band der Tagebücher von Samuel Pepys stecken, das seither in seinem Schuber vor sich hinstaubt. Hätte es nicht immer wieder etwas Tolles, Neues von Wolf Haas gegeben, wer weiß, vielleicht hätte ich das Lesen ganz verlernt. Statt dessen Serien, jahrein, jahraus - tolle Sachen gibt's da, kennen Sie netflix?
Ich räumte meine Regale aus, bestückte öffentliche Bücherschränke, stellte Bananenkisten an die Straße: Nur, weil ich das mal gelesen habe, muss ich es nicht ein Leben lang aufbewahren! Raus damit, es fühlte sich gut und richtig an, aber, aua!, kaum war sie weg, meine Poe-Gesamtausgabe, hätte ich so gerne mal wieder "Der Untergang des Hauses Usher" gelesen!
Irgendwas hat sich im letzten Jahr wieder gedreht. Ich habe einen riesigen Stapel, davon nehme ich nun tatsächlich wieder etwas in die Hand, setze mich nach Jahren sogar nachmittags mit Buch in einen Sessel und - lese. Welcome back.
Gestern abend fuhr ich raus, beendete das Jahr mit Standheizung und einem Stück "Coming of Karlo", und ich weiß schon genau, was ich heute nachmittag mache.
Früher kaum vorstellbar, dass ich das mal sage, denn ich habe immer für mein Leben gerne gelesen. Das ging schon vor der Schule los, ich war fasziniert von der Schreibmaschine meiner Eltern und brachte mir das Lesen und Schreiben selber bei. Seither habe ich gelesen, wann es nur ging: Wenn ich auf Kindergeburtstagen eingeladen war, verzog ich mich mit einem spannenden Buch in die Ecke. Wenn wir in den Urlaub fuhren, las ich, was in der Unterkunft zu finden war - Konsalik, Bastei-Romane, völlig egal. Ich wünschte mir jahrelang "Die drei ???" zum Geburtstag, häufte 500 Jerry-Cotton-Heftromane an, nahm auch die Auswahlbände von Reader's Digest, wenn es nichts anderes gab, und traf durch die schiere Menge zwischendurch auf richtig gute Literatur.
Eine der frühesten und zugleich beeindruckendsten literarischen Erfahrungen war "Der Bahnwärter Sandomir" von Günter Bruno Fuchs: Da merkte schon mein Grundschüler-Ich, dass hier jemand eine ganz eigentümliche, eigene Welt aufspannt, und dass die interessanten Abenteuer nicht nur im Weltraum oder bei der Verbrecherjagd stattfinden, sondern auch in einer ganz anderen Sicht auf diese Welt bestehen können.
Nicht mal der Deutschunterricht konnte mir die Freude am Lesen verderben, auch wenn ich mich an kaum ein Lektürestück erinnere, das ich damals gerne gelesen hätte: Aber das mag am Setting liegen, schließlich bin ich auch erst nach dem Schulabschluss ins Deutsche Museum gegangen und habe mir das Modell mit der Großmolkerei und Milchabfüllung angesehen, sehr interessant! - ein Jahr vorher hätte ich laut gekotzt, wenn sie uns da hingeschleppt hätten. Also sorry an Frank Wedekind und Co.
(Jedoch waren nicht mal 30 Jahre vergangen, als die Scharte ausgewetzt werden konnte, weil meine Tochter im Englischunterricht etwas zu der Kurzgeschichte "How Muster-Master Stoneman Earned His Breakfast" von Price Warung ausarbeiten musste. Ich wollte das Entstehungsdatum -1892!- kaum glauben, weil sie so modern geschrieben ist. Dieser Punkt geht klar an die Schule.)
Im todlangweiligen Studium (ja, ich bin selber schuld) traf ich immerhin auf Dostojewskij und freute mich kunst- und kulturpsychologisch über die genaue Figurenzeichnung in "Der Idiot", fühlte mich von den ersten Houellebecqs und Maxon Crumb bereichert, las parallel weiter massenhaft leichtes Zeug wie die Montalbano-Krimis von Andrea Camilleri, und so hätte das immer weitergehen können - wenn ich nicht irgendwann aufgehört hätte.
Natürlich nicht komplett: Aber plötzlich blieb ein so faszinierendes Werk wie "Unendlicher Spaß" nach 300 Seiten für Jahre neben meinem Bett liegen. Plötzlich blieb ich im ersten Band der Tagebücher von Samuel Pepys stecken, das seither in seinem Schuber vor sich hinstaubt. Hätte es nicht immer wieder etwas Tolles, Neues von Wolf Haas gegeben, wer weiß, vielleicht hätte ich das Lesen ganz verlernt. Statt dessen Serien, jahrein, jahraus - tolle Sachen gibt's da, kennen Sie netflix?
Ich räumte meine Regale aus, bestückte öffentliche Bücherschränke, stellte Bananenkisten an die Straße: Nur, weil ich das mal gelesen habe, muss ich es nicht ein Leben lang aufbewahren! Raus damit, es fühlte sich gut und richtig an, aber, aua!, kaum war sie weg, meine Poe-Gesamtausgabe, hätte ich so gerne mal wieder "Der Untergang des Hauses Usher" gelesen!
Irgendwas hat sich im letzten Jahr wieder gedreht. Ich habe einen riesigen Stapel, davon nehme ich nun tatsächlich wieder etwas in die Hand, setze mich nach Jahren sogar nachmittags mit Buch in einen Sessel und - lese. Welcome back.
Gestern abend fuhr ich raus, beendete das Jahr mit Standheizung und einem Stück "Coming of Karlo", und ich weiß schon genau, was ich heute nachmittag mache.
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Es ist einige Jahre her, da erhielt ich eines Abends einen dringlichen Anruf. Er sitze gerade mit Kollegen beim Kaltgetränk, sprach der Anrufer, und man könne sich in einer wichtigen Frage nicht einigen: Wie ich denn darüber dächte? Habe die Progressive-Phase von Genesis bereits 1975 mit dem Weggang Peter Gabriels geendet, oder erst zwei Alben später, als sich Steve Hackett von der Band trennte?
Manchmal verstehe ich die Leute nicht. Ganz eindeutig kamen mit A Trick Of The Tail (1976) und Wind And Wuthering (1977) noch zwei kristallklare Exemplare aus dem Genre Progressive, da spielt der Sängerwechsel keine Rolle, und schon mit Peter Gabriel hatte man sich auf The Lamb Lies Down On Broadway hin zu einer Abfolge von kürzeren, konventioneller strukturierten Songs mit Refrain entwickelt, die teilweise auch außerhalb des Albumkontextes funktionieren - und dennoch sind genügend Prog-Elemente zu finden, wie längere Instrumentalpassagen, verstiegene Texte, komplexe Rhythmen und überraschende Taktwechsel, vor allem aber dieses übergreifende Albengefühl, unter anderem dadurch, dass Melodiefragmente und Klänge aus früheren Stücken an späterer Stelle wieder aufgenommen werden.
Steve Hackett war der prototypische Prog-Gitarrist, sitzend über die Gitarre gebeugt, das Kassengestell im Gesicht, einen größeren habituellen Abstand zu den extrovertierten, phallischen E-Gitarrenhelden der Hard- und Glamrocker konnte man sich schwerlich vorstellen. Noch heute wird er von Kennern als einer der am meisten unterschätzten Rockmusiker überhaupt gepriesen - u.a. für bestimmte, von ihm wohl erfundene, Spieltechniken wie das sogenannte Sweeping und Tapping. Kann sein, ich bin da auf der technischen Seite nicht so bewandert, mag aber seine Gitarrenarbeit auf den insgesamt sechs Genesis-Alben, an denen er beteiligt war, sehr gerne.
Als erstes Mitglied der Band brachte er ein Soloalbum heraus, frustriert von den Begrenzungen der stocksteifen Privatschülercombo, und nach seinem Ausstieg 1978 sein zweites, für mich bestes Album mit dem Titel Please Don't Touch. Danach kam nicht mehr viel, das mich interessiert hat, es sind zahllose Alben und er hat seine Kultgefolgschaft, die jedes kurze Genesis-Zitat auf seinen Konzerten bejubelt, aber das besagte Album erschien jüngst auf meiner inneren Playlist. Man weiß ja nie, woran es liegt, dass nach einer Latenzzeit von 10 oder 20 oder 30 Jahren plötzlich und sehr intensiv das Verlangen nach genau diesem einen, bestimmten Stück Musik aufkommt und sich dann wochenlang nicht stillen lässt. Nun also Please Don't Touch auf Heavy Rotation.
Schon die erste Seite ist erfreulich, da sind unerwartet flotte Liedchen wie zum Einstieg mit dem Gastsänger Steve Walsh von Kansas oder von Hackett selbst mit Stimmverzerrer gesungen, und da geht's eben schon los, am Ende dieses Liedes ist so etwas wie eine Jahrmarktsorgel zu hören, auf die man später zurückkommen wird.
Eine durchgängige Suite, und das ist nun mal das eigentlich Schöne am Prog, ist dann die zweite Seite: Vollkommen unerwartet geht es mit einem angejazzten Song mit der damals noch unbekannten Gastsängerin Randy Crawford los, normalerweise nichts für mich, hier passt aber alles und es werden zwischendurch klangliche Vorbereitungen getroffen, die für das zentrale Stück dieser Seite, Please Don't Touch noch wichtig werden, das nach einem instrumentalen Übergangsstück folgt. Und kaum fragt man sich, was danach noch kommen soll, wird ein weiterer sehr schöner Übergang angefügt, der zum unerwarteten Ende hinleitet.
Richie Havens ist so ein Name, den man kennen kann, aber vielleicht nicht unbedingt sofort zuzuordnen weiß. Hier freue ich mich seit Tagen wieder über seine großartige und absolut zu dem opulenten Icarus Ascending passende Stimme, mit allen "Hmmmms" und "Ooooohs", natürlich könnte das ein konventionelles Lied bleiben, aber es gibt jede Menge Bombast, ein falsches Ende und Rückgriffe auf Sounds und Akkorde der vorangegangenen Stücke, alles wie es sein muss.
Und selbstverständlich interessiert das 45 Jahre alte Zeug keine Sau. Aber mir gefällt's.
Manchmal verstehe ich die Leute nicht. Ganz eindeutig kamen mit A Trick Of The Tail (1976) und Wind And Wuthering (1977) noch zwei kristallklare Exemplare aus dem Genre Progressive, da spielt der Sängerwechsel keine Rolle, und schon mit Peter Gabriel hatte man sich auf The Lamb Lies Down On Broadway hin zu einer Abfolge von kürzeren, konventioneller strukturierten Songs mit Refrain entwickelt, die teilweise auch außerhalb des Albumkontextes funktionieren - und dennoch sind genügend Prog-Elemente zu finden, wie längere Instrumentalpassagen, verstiegene Texte, komplexe Rhythmen und überraschende Taktwechsel, vor allem aber dieses übergreifende Albengefühl, unter anderem dadurch, dass Melodiefragmente und Klänge aus früheren Stücken an späterer Stelle wieder aufgenommen werden.
Steve Hackett war der prototypische Prog-Gitarrist, sitzend über die Gitarre gebeugt, das Kassengestell im Gesicht, einen größeren habituellen Abstand zu den extrovertierten, phallischen E-Gitarrenhelden der Hard- und Glamrocker konnte man sich schwerlich vorstellen. Noch heute wird er von Kennern als einer der am meisten unterschätzten Rockmusiker überhaupt gepriesen - u.a. für bestimmte, von ihm wohl erfundene, Spieltechniken wie das sogenannte Sweeping und Tapping. Kann sein, ich bin da auf der technischen Seite nicht so bewandert, mag aber seine Gitarrenarbeit auf den insgesamt sechs Genesis-Alben, an denen er beteiligt war, sehr gerne.
Als erstes Mitglied der Band brachte er ein Soloalbum heraus, frustriert von den Begrenzungen der stocksteifen Privatschülercombo, und nach seinem Ausstieg 1978 sein zweites, für mich bestes Album mit dem Titel Please Don't Touch. Danach kam nicht mehr viel, das mich interessiert hat, es sind zahllose Alben und er hat seine Kultgefolgschaft, die jedes kurze Genesis-Zitat auf seinen Konzerten bejubelt, aber das besagte Album erschien jüngst auf meiner inneren Playlist. Man weiß ja nie, woran es liegt, dass nach einer Latenzzeit von 10 oder 20 oder 30 Jahren plötzlich und sehr intensiv das Verlangen nach genau diesem einen, bestimmten Stück Musik aufkommt und sich dann wochenlang nicht stillen lässt. Nun also Please Don't Touch auf Heavy Rotation.
Schon die erste Seite ist erfreulich, da sind unerwartet flotte Liedchen wie zum Einstieg mit dem Gastsänger Steve Walsh von Kansas oder von Hackett selbst mit Stimmverzerrer gesungen, und da geht's eben schon los, am Ende dieses Liedes ist so etwas wie eine Jahrmarktsorgel zu hören, auf die man später zurückkommen wird.
Eine durchgängige Suite, und das ist nun mal das eigentlich Schöne am Prog, ist dann die zweite Seite: Vollkommen unerwartet geht es mit einem angejazzten Song mit der damals noch unbekannten Gastsängerin Randy Crawford los, normalerweise nichts für mich, hier passt aber alles und es werden zwischendurch klangliche Vorbereitungen getroffen, die für das zentrale Stück dieser Seite, Please Don't Touch noch wichtig werden, das nach einem instrumentalen Übergangsstück folgt. Und kaum fragt man sich, was danach noch kommen soll, wird ein weiterer sehr schöner Übergang angefügt, der zum unerwarteten Ende hinleitet.
Richie Havens ist so ein Name, den man kennen kann, aber vielleicht nicht unbedingt sofort zuzuordnen weiß. Hier freue ich mich seit Tagen wieder über seine großartige und absolut zu dem opulenten Icarus Ascending passende Stimme, mit allen "Hmmmms" und "Ooooohs", natürlich könnte das ein konventionelles Lied bleiben, aber es gibt jede Menge Bombast, ein falsches Ende und Rückgriffe auf Sounds und Akkorde der vorangegangenen Stücke, alles wie es sein muss.
Und selbstverständlich interessiert das 45 Jahre alte Zeug keine Sau. Aber mir gefällt's.
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