Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Mittwoch, 22. Oktober 2014
Moskau würde ich mir noch einreden lassen
nnier | 22. Oktober 2014 | Topic Gelesn
Die, äh, ich bin ... unter anderem riesiger Fan dieser ... Stilistik, dieser ... scheinbar abgebrochenen oder abgebrochenen oder ... Sie sind ja auch kein Fan von, von Hilfsverben und so und also oder der Erzähler ist es nicht und ... da gibt's Sätze, die bestehen nur aus einer Silbe ... äh ... Punkt. So. Äh ... w-w-w-w-wie würden Sie das charakterisieren, kann man sagen Phantomsätze, weil es ist ja ein, es entstehen ja Sätze im Kopf wie anderswo Bilder, oder ... äh, ist kein schöner Begriff, oder sind das virtuelle Sätze oder gibt's dafür schon ... Sie haben so was ja studiert, gibt's dafür schon bestimmte linguistische Kategorie?



Hören Sie sich z.B. das mal an: So etwas streichelt meine Synapsen, das lässt mich wohlig erschauern, da wird das Sprachzentrum massiert und man macht ein einfältiges Gesicht und sagt, mmmh, gut so, weiter so. Ich sitze da oben und lausche, und natürlich ist er ein unglaublich netter und höflicher Mensch. Man merkt das auch gleich beim Lesen, das kommt direkt durch die Bücher durch, dass da mit einer sehr freundlichen Intelligenz geschrieben wird.

Läuft zum Beispiel einer mit fetter Spiegelreflexkamera vor der Bühne hin und her, hält drauf, macht Klicklicklick, dann geht das minutenlang so, selber wird man schon ganz grantig, dann unterbricht der Autor kurz die Lesung und sagt, Entschuldigung, das irritiert mich, lacht freundlich, sagt: Ich bin ein empfindlicher Vorleser, und liest dann weiter.



Kein Künstlergetue, kein billiger Witz auf Kosten des Knipsers, und diese großartige menschliche Haltung merkt man auch in dem aspekte-Interview: Wie leicht wäre es, den fahrigen Interviewer auflaufen zu lassen oder ihm so richtig eine mitzugeben, man ist ja Erfolgsautor und muss nun wirklich nicht auf jeden Unsinn antworten. Bereiten Sie sich gefälligst vor, wenn Sie mit mir reden wollen! Aber da sitzt ein freundlicher Mensch, der versucht, die Frage zu verstehen und sie zu beantworten. Wie angenehm das ist: Ein echtes Gespräch trotz des gewohnt peinlichen aspekte-Settings im, hui!, Tattoo-Studio.



(Die zitierte Stelle ist bei 14:49)

Und da komme ich mir schon blöd vor, dass ich so kurz angebunden war, als er mich etwas gefragt hat beim Signieren: Ich hielt es für höflichen Small Talk, um über die Peinlichkeit der Situation zu helfen (denn es gibt ja kaum etwas Verdrucksteres als dieses Schlangestehen und "Können Sie bitte Für Helga schreiben") und antwortete einsilbig wie ein Stoffel.

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Samstag, 18. Oktober 2014
Ich kann das so nicht akzeptieren
nnier | 18. Oktober 2014 | Topic Brainphuq
Produktion - Reproduktion. Kann mir jemand einen Kopfkanal legen? Man könnte alle 30 min einen Druckausgleich durchführen und lindernden Balsam einträufeln. Oder muss erst alles raus? Domestos rein, Wasserstoffperoxid? Mal richtig scharf rangehen? Ich kenne eine, die kippt Salzsäure ins Klo und schwört darauf: Uralte Ablagerungen restlos entfernt. Zisch.

Produktion - Reproduktion. Schnall die freundliche Maske fest, bring den Termin hinter dich. Rette dich ins Wochenende. Soziale Kompetenz auf Kredit. (Zahle später.) Kann mich bitte jemand infizieren?

Rosiger Teint. Mir träumte, ich wäre frei, und alles war ganz hell.

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Dienstag, 14. Oktober 2014
Bei den Filmhochschülern
nnier | 14. Oktober 2014 | Topic Fernseh
Echt, ich bin aus der Szene raus. Wann war ich das letzte Mal im Kino: Vor einem Jahr oder zweien, in irgendsoeinem blöden Star Trek - purer Fluff, in dem rein nichts mehr von dem zu spüren war, was ich früher daran mochte. Aber in 3D!

Ich habe Schwierigkeiten, mich zu diesem Hausfrauenkult zu bekennen: Star Trek, das hat was Bräsiges an sich, und doch habe ich neulich mal wieder ein paar Folgen der alten Serie angesehen. Einfach toll, und nicht nur ironisch toll wie Raumpatrouille, ha ha, schau mal, das Bügeleisen, sondern es sind ein paar großartige Charaktere in manchmal gar nicht so blöden Geschichten.

Etwas war doch seltsam und hat mich für einen Moment aus der Fassung gebracht: Jemand war offenbar der Ansicht, dass man in diesen bald 50 Jahre alten Serienfolgen die ursprünglichen Tricksequenzen durch aktuellen Computertrick ersetzen müsste. Was für ein Schwachsinn - und welch grauenhafter Stilbruch, wenn plötzlich hochdetailliert gerenderte Raumschiffe an ebensolchen Planeten vorbeifliegen! Wenn das wenigstens offensiv kenntlich gemacht wäre: "Obacht, aufgepimpte Popcornversion für flache Geister" - aber nichts da, das wird stillschweigend Kanon, das läuft so im TV. Vielleicht werden bald auch viel realistischere Torten in die alten Dick-und-Doof-Folgen gerendert, und der weiße Cowboy reitet dann nicht mehr durch wackelnde Kulissen, sondern durch so richtig supi realistische Computerwelten. Dieser Star-Trek-Kinofilm jedenfalls: Bunte Uniformen und Action und immer noch spektakulärere CGI-Welten! Anspielungen und Zitate zuhauf! Und dabei dermaßen peinliche und unreife Charaktere in einer schnell vergessenen Geschichte, dass der originale Captain Kirk in den kurzen und billigen 60er-Jahre-Episoden dagegen wirkt wie von Dostojewski gescriptet.

Ich bin raus aus der Szene, ich kann mir diesen Quatsch nicht angucken, und dann tue ich es doch wieder, als hätte ich es nicht gerade erst gesagt: Tatort mit Tukur, ha ha, und das kann doch nicht euer Ernst sein, der ist als Schulleiter und als Stasimajor und nun also auch als Schnüffler immer gleich, es sind immer dieselben Manierismen, und man würde ja so gerne schmunzeln können über diese Spiel-mir-das-Lied-vom-Tod-Szene gleich am Anfang, bis hin zu dem Gequietsche im Hintergrund, habt ihr ein Pferd für mich, wir haben wohl eins zu wenig, falsch, ihr habt zwei zuviel, und peng! Peng! Peng!, bloß dass das so gewollt rüberkommt, hier, wir sind Filmstudenten im dritten Semester, machen wir mal was mit Anspielungen, wem fällt noch was ein: Schneller Zoom! Gefärbte Standbilder! Oder, was soll's, machen wir nicht nur Spaghettiwestern, nemen wir auch noch diese Totenkopfkäfer mit rein, und was mit Shakespeare - ist doch egal wozu, dann freuen sich die Leute!

Ich bin eingeschlafen, ich weiß auch nicht, warum man so ein Filmchen ins Tatort-Format quetschen muss, das ging ja schon bei Stöver und Brocki los mit ihrem blöden Gesinge und nervt in Münster seit Jahren: Eitles Getue vor und hinter der Kamera, und das völlig ohne Grund. Provinzler, die gerne Hollywood wären.

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Freitag, 10. Oktober 2014
Doch weil ich mein Herz nicht ändern kann
nnier | 10. Oktober 2014 | Topic In echt


Runter gehe ich am liebsten zu Fuß, dann dauert es länger. Ein Tag im Zug, dann bin ich zurück, oder sagen wir: Meine leibliche Hülle.







Diese Minuten, bevor die Sonne endgültig weg ist, sind mir die wertvollsten. Man ist dann schon in der Hütte, hat den Ofen geschürt, von dem klaren Wasser getrunken, die Kerzen angezündet, die Schuhe ausgezogen. Kocht einen Tee, sitzt einfach da. Wünscht sich eine gute Nacht, wäscht sich mit dem kalten Wasser, schlupft unter die Deck. Liest ein paar Seiten, schläft ein. Wacht irgendwann auf, schaut nach draußen, kann es nicht fassen: Mein Gott! Es ist voller Sterne.

--

Als Kind liebte ich diesen Schlager. Spulte das alte Tonbandgerät immer wieder zurück. Jetzt habe ich das Lied wiedergefunden. Und wusste noch jeden Ton.

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Freitag, 3. Oktober 2014
Ray-Ray
nnier | 03. Oktober 2014 | Topic Fernseh
Das hörte sich nach so einem Pulp-Fiction-Setup an: Ein "Fixer", der Prominenten und Reichen weiterhilft, wenn sie mal wieder neben einer totgekoksten Nutte aufwachen. Ich hab' mir das mal angesehen und nach der ersten Folge gedacht, hmm, da wird das Baukästlein ausgebreitet, rund um den schweigsam-zynischen Problemlöser - und wie passend, dass es nicht nur den Sportstar mit der Koksnutte gibt, sondern auch den Actionschauspieler, dessen Schwulsein vor der Öffentlichkeit verborgen bleiben soll: Reichlich unbefriedigend, wie dann die beiden Puzzleteile mit dem Holzhammer zusammengeprügelt werden. Als Pilotfolge war das wenig überzeugend.

Frivole Leichenbeseitigungen und Erpressergeschichten in allen Variationen kann man sich hinlänglich vorstellen, und somit wäre die Serie für mich uninteressant gewesen, wäre nicht rechtzeititig der übergeordnete und tatsächlich spannende Handlungsstrang hervorgetreten, in dem Jon Voight als Vater der titelgebenden Hauptfigur Ray Donovan allen die Schau stiehlt. Man liest ja ab und zu, dass Angelina Jolie einen Vater hat, den sie ablehnt und der ein übler Raktionär sein soll. Mag sein; aber dieser tapsige Veteran, in dem unvermittelt eine ganz alte Gefährlichkeit aufblitzen kann, schlurft dermaßen beiläufig und doch präsent durchs Bild, dass es eine Freude ist. (Leider verkommt er nach dem ersten großen Handlungsbogen mit der zweiten Staffel zum Maskottchen).

All die emotional gestörten Menschen auf einem Haufen können einem gelegentlich auf die Nerven gehen: Missbrauchte Wracks, schweigsame Helden, kaputte Frauen, das ist ein zynisches Geficke und Gesaufe, und natürlich kann Kontrollfreak Ray ganze Gangsterbanden in den Griff bekommen, nicht aber seine eigene Familie: Auch das ein leidlich bekanntes Motiv, wiederum recht holzschnittartig aufgebaut, dann aber durchaus charmant beleuchtet und weitergeführt. Kommunikationsstörungen jedenfalls allüberall, obwohl permanent ins Smartphone gequatscht wird: Da sieht man mal wieder, wohin das führt.

Strukturell ist das alles äußerst brutal, und manchmal wird auch schlimm geprügelt und geschossen: Wirklich froh bin ich trotzdem darüber, dass man auf blöde Mätzchen und billige Scherze verzichtet hat. Da wird niemand um des Effektes willen oder für einen billigen Lacher erschossen, das ist alles reichlich dunkel grundiert, und obwohl es Tote und Verletzte gibt, ist die über allem schwebende Gewalt eindeutig eine psychische.

Lustig, wenn ich jetzt lese, dass die Serie im ZDF laufen soll: Es kann ja sein, dass so was inzwischen normal ist (ich sehe viel zu wenig fern, um das beurteilen zu können), aber da geht es nicht nur verbal ständig darum, wer wen "fickt" und wem einen "bläst", sondern auch die dargestellten Akte sind für meine Begriffe ungewohnt explizit.

Ich bin am Ende der zweiten Staffel angelangt und freue mich, dass es eine dritte geben soll, denn dem großen Schweiger Ray ist es am Ende doch entglitten: Wie kommt er da bloß wieder raus? Ein echtes Arschloch, der Mann, da kann man sich richtig identifizieren.

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