Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Dienstag, 14. Oktober 2014
Bei den Filmhochschülern
nnier | 14. Oktober 2014 | Topic Fernseh
Echt, ich bin aus der Szene raus. Wann war ich das letzte Mal im Kino: Vor einem Jahr oder zweien, in irgendsoeinem blöden Star Trek - purer Fluff, in dem rein nichts mehr von dem zu spüren war, was ich früher daran mochte. Aber in 3D!

Ich habe Schwierigkeiten, mich zu diesem Hausfrauenkult zu bekennen: Star Trek, das hat was Bräsiges an sich, und doch habe ich neulich mal wieder ein paar Folgen der alten Serie angesehen. Einfach toll, und nicht nur ironisch toll wie Raumpatrouille, ha ha, schau mal, das Bügeleisen, sondern es sind ein paar großartige Charaktere in manchmal gar nicht so blöden Geschichten.

Etwas war doch seltsam und hat mich für einen Moment aus der Fassung gebracht: Jemand war offenbar der Ansicht, dass man in diesen bald 50 Jahre alten Serienfolgen die ursprünglichen Tricksequenzen durch aktuellen Computertrick ersetzen müsste. Was für ein Schwachsinn - und welch grauenhafter Stilbruch, wenn plötzlich hochdetailliert gerenderte Raumschiffe an ebensolchen Planeten vorbeifliegen! Wenn das wenigstens offensiv kenntlich gemacht wäre: "Obacht, aufgepimpte Popcornversion für flache Geister" - aber nichts da, das wird stillschweigend Kanon, das läuft so im TV. Vielleicht werden bald auch viel realistischere Torten in die alten Dick-und-Doof-Folgen gerendert, und der weiße Cowboy reitet dann nicht mehr durch wackelnde Kulissen, sondern durch so richtig supi realistische Computerwelten. Dieser Star-Trek-Kinofilm jedenfalls: Bunte Uniformen und Action und immer noch spektakulärere CGI-Welten! Anspielungen und Zitate zuhauf! Und dabei dermaßen peinliche und unreife Charaktere in einer schnell vergessenen Geschichte, dass der originale Captain Kirk in den kurzen und billigen 60er-Jahre-Episoden dagegen wirkt wie von Dostojewski gescriptet.

Ich bin raus aus der Szene, ich kann mir diesen Quatsch nicht angucken, und dann tue ich es doch wieder, als hätte ich es nicht gerade erst gesagt: Tatort mit Tukur, ha ha, und das kann doch nicht euer Ernst sein, der ist als Schulleiter und als Stasimajor und nun also auch als Schnüffler immer gleich, es sind immer dieselben Manierismen, und man würde ja so gerne schmunzeln können über diese Spiel-mir-das-Lied-vom-Tod-Szene gleich am Anfang, bis hin zu dem Gequietsche im Hintergrund, habt ihr ein Pferd für mich, wir haben wohl eins zu wenig, falsch, ihr habt zwei zuviel, und peng! Peng! Peng!, bloß dass das so gewollt rüberkommt, hier, wir sind Filmstudenten im dritten Semester, machen wir mal was mit Anspielungen, wem fällt noch was ein: Schneller Zoom! Gefärbte Standbilder! Oder, was soll's, machen wir nicht nur Spaghettiwestern, nemen wir auch noch diese Totenkopfkäfer mit rein, und was mit Shakespeare - ist doch egal wozu, dann freuen sich die Leute!

Ich bin eingeschlafen, ich weiß auch nicht, warum man so ein Filmchen ins Tatort-Format quetschen muss, das ging ja schon bei Stöver und Brocki los mit ihrem blöden Gesinge und nervt in Münster seit Jahren: Eitles Getue vor und hinter der Kamera, und das völlig ohne Grund. Provinzler, die gerne Hollywood wären.

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Freitag, 10. Oktober 2014
Doch weil ich mein Herz nicht ändern kann
nnier | 10. Oktober 2014 | Topic In echt


Runter gehe ich am liebsten zu Fuß, dann dauert es länger. Ein Tag im Zug, dann bin ich zurück, oder sagen wir: Meine leibliche Hülle.







Diese Minuten, bevor die Sonne endgültig weg ist, sind mir die wertvollsten. Man ist dann schon in der Hütte, hat den Ofen geschürt, von dem klaren Wasser getrunken, die Kerzen angezündet, die Schuhe ausgezogen. Kocht einen Tee, sitzt einfach da. Wünscht sich eine gute Nacht, wäscht sich mit dem kalten Wasser, schlupft unter die Deck. Liest ein paar Seiten, schläft ein. Wacht irgendwann auf, schaut nach draußen, kann es nicht fassen: Mein Gott! Es ist voller Sterne.

--

Als Kind liebte ich diesen Schlager. Spulte das alte Tonbandgerät immer wieder zurück. Jetzt habe ich das Lied wiedergefunden. Und wusste noch jeden Ton.

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Freitag, 3. Oktober 2014
Ray-Ray
nnier | 03. Oktober 2014 | Topic Fernseh
Das hörte sich nach so einem Pulp-Fiction-Setup an: Ein "Fixer", der Prominenten und Reichen weiterhilft, wenn sie mal wieder neben einer totgekoksten Nutte aufwachen. Ich hab' mir das mal angesehen und nach der ersten Folge gedacht, hmm, da wird das Baukästlein ausgebreitet, rund um den schweigsam-zynischen Problemlöser - und wie passend, dass es nicht nur den Sportstar mit der Koksnutte gibt, sondern auch den Actionschauspieler, dessen Schwulsein vor der Öffentlichkeit verborgen bleiben soll: Reichlich unbefriedigend, wie dann die beiden Puzzleteile mit dem Holzhammer zusammengeprügelt werden. Als Pilotfolge war das wenig überzeugend.

Frivole Leichenbeseitigungen und Erpressergeschichten in allen Variationen kann man sich hinlänglich vorstellen, und somit wäre die Serie für mich uninteressant gewesen, wäre nicht rechtzeititig der übergeordnete und tatsächlich spannende Handlungsstrang hervorgetreten, in dem Jon Voight als Vater der titelgebenden Hauptfigur Ray Donovan allen die Schau stiehlt. Man liest ja ab und zu, dass Angelina Jolie einen Vater hat, den sie ablehnt und der ein übler Raktionär sein soll. Mag sein; aber dieser tapsige Veteran, in dem unvermittelt eine ganz alte Gefährlichkeit aufblitzen kann, schlurft dermaßen beiläufig und doch präsent durchs Bild, dass es eine Freude ist. (Leider verkommt er nach dem ersten großen Handlungsbogen mit der zweiten Staffel zum Maskottchen).

All die emotional gestörten Menschen auf einem Haufen können einem gelegentlich auf die Nerven gehen: Missbrauchte Wracks, schweigsame Helden, kaputte Frauen, das ist ein zynisches Geficke und Gesaufe, und natürlich kann Kontrollfreak Ray ganze Gangsterbanden in den Griff bekommen, nicht aber seine eigene Familie: Auch das ein leidlich bekanntes Motiv, wiederum recht holzschnittartig aufgebaut, dann aber durchaus charmant beleuchtet und weitergeführt. Kommunikationsstörungen jedenfalls allüberall, obwohl permanent ins Smartphone gequatscht wird: Da sieht man mal wieder, wohin das führt.

Strukturell ist das alles äußerst brutal, und manchmal wird auch schlimm geprügelt und geschossen: Wirklich froh bin ich trotzdem darüber, dass man auf blöde Mätzchen und billige Scherze verzichtet hat. Da wird niemand um des Effektes willen oder für einen billigen Lacher erschossen, das ist alles reichlich dunkel grundiert, und obwohl es Tote und Verletzte gibt, ist die über allem schwebende Gewalt eindeutig eine psychische.

Lustig, wenn ich jetzt lese, dass die Serie im ZDF laufen soll: Es kann ja sein, dass so was inzwischen normal ist (ich sehe viel zu wenig fern, um das beurteilen zu können), aber da geht es nicht nur verbal ständig darum, wer wen "fickt" und wem einen "bläst", sondern auch die dargestellten Akte sind für meine Begriffe ungewohnt explizit.

Ich bin am Ende der zweiten Staffel angelangt und freue mich, dass es eine dritte geben soll, denn dem großen Schweiger Ray ist es am Ende doch entglitten: Wie kommt er da bloß wieder raus? Ein echtes Arschloch, der Mann, da kann man sich richtig identifizieren.

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Sonntag, 14. September 2014
71@71:#45&44
nnier | 14. September 2014 | Topic Musiq
1993 war das da meine Wintermusik. Die Mitbewohner in der Studentenwohnheim-WG hatte ich in den Monaten zuvor durch das laute Abspielen verhasster Mainstream-Musik in die innere Emigration getrieben oder zum Auszug verleitet, und eines Tages stand auch die Französin aus der Etage über uns mit zusammengezogenen Brauen vor meiner Tür: Das iest niesch märr mögliesch miet deinörr Müsiek, und natürlich hatte sie recht, eine schlimme Live-Version von "Ebony And Ivory" lief da gerade, ich sagte: Was?, und sie zog aus. Bekam ich Besuch von Freunden aus der Heimat, sagten die: Wir haben das gleich gefunden, wir sind einfach der Musik nachgegangen. Also ich hätte mir sowas echt nicht bieten lassen, so laut und dann noch so uncoole Musik: Genesis, Billy Joel, McCartney, wo doch schon Nirvana am Horizont erschienen waren und Body Count. Als Mitbewohner hätte ich mich gehasst.

Wir waren zu acht, und schon nach einem Jahr war ich der dienstälteste Bewohner, da habe ich mich damals echt gewundert. Als das Album Strawberries Oceans Ships Forest erschien, wurde entgegen der Legende kein großes Geheimnis daraus, sondern durchaus Werbung damit gemacht, dass der mir bekannte Musiker Paul McCartney daran irgendwie beteiligt war, und so kaufte ich es. Und auch wenn es ziemlich dreist ist, denselben Achtminutensong in neun Abmischungen auf eine CD zu pressen, auch wenn ich keine Ahnung hatte, worin eigentlich McCartneys Beitrag zu diesen Stücken bestand, mochte ich das Album und überwinterte zu dessen Soundtrack. Das waren keine Remixe bekannter Stücke, das war irgendwelche Klangrohmassse, in ihre Moleküle zerlegt und völlig willkürlich neu zusammengesetzt: Bis auf ein "Ow!" von Linda und den (nicht mal von McCartney) gesprochenen Satz "I think I sense the situation" aus einem Wings-Album erkannte ich fast nichts wieder. Das war bestimmt kein Rock'n'Roll, but I liked it, und die Mitbewohner konnten kurz entspannen, eine lieh sich die CD sogar aus.

Später kam ein weiteres Ambient-Trance-Full-Frontal-Nudity-Album vom Fireman heraus, ähnliche Prämissen, ganz nettes Geklingel, aber was genau McCartney beigesteuert hatte, blieb auch diesmal vage. So kam es 2008 durchaus überraschend, dass das dritte Fireman-Album plötzlich lauter "richtige" Songs enthielt. Das Konzept diesmal: Ein Tag Studio ergibt ein Lied. Was dabei herauskam, ist oft auch nicht von großem Belang, bot aber mehr Platz für Experimente als ein "echtes" McCartney-Album und löste vorübergehend einige Begeisterung aus, die bei mir allerdings nicht lange hielt, ich höre diese Scheibe nie.

Bis auf ein Lied, das vollkommen traditionell und deutlich nach Wings klingt. Ich bin dann auch bald aus diesem Studentenwohnheim ausgezogen, das war einfach nicht auszuhalten mit den Partys über uns, dieses dämliche "We Will Rock You" die halbe Nacht, das ist doch eine Zumutung.

Platz 45: Celtic Stomp (1993)
Platz 44: Sun Is Shining (2008)

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Sonntag, 7. September 2014
Windelmatz
nnier | 07. September 2014 | Topic In echt
Man soll da nur 30 fahren, aber das macht keiner, denn es ist der Zuweg zum großen Möbelhaus und eine dieser Straßen, die schon durch ihre Breite zum Beschleunigen einladen. Außerdem: Werktags von 8-19 Uhr, ist doch schon viel später! Vor uns aber bremste man abrupt, auf der Gegenfahrbahn auch, und da sahen wir die nackten Füßchen über die Straße rennen.

Dann war er drüben, und die Autos fuhren weiter, bloß wir standen da mit unserem Warnblinker und stiegen aus. Auto, Auto, sagte das Kerlchen und hatte einen Schlüssel in der Hand, ach, Auto fahren willlst du! Da hinten kamen zwei Frauen angerannt, was machst du denn, was machst du denn. Mit seinem Autoschlüssel saß er irgendwann auf Mamas Arm.

Wir fuhren dann weiter, und meine Knie wurden weich.

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