Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Montag, 10. März 2014
Offensive Kooperation
nnier | 10. März 2014 | Topic Klar jewesn
Mit anderen Worten: Ich habe Steuern hinterzogen. Mir ist bewusst, dass daran auch die Selbstanzeige nichts ändert.

Erzählen Sie keinen vom Gaul, Herr Hoeness. Sie haben doch erst noch wild rumtelefoniert!

Ich habe im letzten Jahr gelernt, dass an der Wirksamkeit meiner Selbstanzeige Zweifel bestehen. Als Laie kann ich jedoch zu diesen juristischen Fragen nichts beitragen.

Reden Sie doch keinen Müll! Wen wollen Sie eigentlich überzeugen? Mich?

Ich musste leider feststellen, dass sich die Spekulationen in dem fraglichen Zeitraum unter dem Strich nicht gelohnt haben.

Jetzt ist aber Schluss, Herr Hoeness, sonst spreche ich mal unter vier Augen mit dem Vorsitzenden. Sie lügen dem Gericht doch die Hucke voll! Ekelhaft!

Ich hab deshalb Ende Februar alle Unterlagen zu meinen in der Schweiz getätigten Finanzgeschäften dem Gericht und den Behörden zur Verfügung gestellt, obwohl die Staatsanwaltschaft meine Selbstanzeige für unwirksam hält.

Da sind Ihnen die Gäule durchgegangen. Da sind Sie gerannt wie ein Verrückter. Herr Hoeness: Der Herr Staatsanwalt hat seine Zeit nicht gestohlen. Sakra!

Mein Fehlverhalten bedauere ich zutiefst. Sämtliche Steuern werde ich natürlich zahlen.

Hohes Gericht, mein Mandant ist ein Hundsfott und legt seine Socken nicht ordentlich zusammen, seine Frau kann das bestätigen. Wir beantragen deshalb Freispruch.

--

("Sogar sein eigener Verteidiger Hanns Feigen rüffelt Hoeneß - doch dahinter steckt eine kluge Strategie.")

Link zu diesem Beitrag (2 Kommentare)  | Kommentieren [?]   





Donnerstag, 6. März 2014
Generation P.
nnier | 06. März 2014 | Topic In echt
Es muss in der Oberstufe gewesen sein, da hatte ich aus irgendeinem Grund das Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie erwischt: Keine Ahnung, wie und warum ich da gelandet bin, aber in der Kantine gab's das leckerste vegetarische Schnitzel meines Lebens. Es war zart im Biss, paniert nach Wiener Art, und schmeckte dermaßen lecker nach Fleisch, dass ich mich heute noch frage, ob es vielleicht gar kein vegetarisches Schnitzel war.

Mit den Naturwissenschaften hatte ich in der Schule keinen Spaß. Es gab sie von der fünften bis zur zehnten Klasse kombiniert im Fach "NW", da ging es mal um Waschmittel und mal um Gabelschwanzraupen, außerdem ging man immer in den "NW-Raum" im "NW-Bereich", wo es allerlei lustige Schutzbrillen und wunderliche Geräte gab. Interessant waren aber vor allem die Stühle, denn es waren nicht die gewohnten stabilen Schulstühle, sondern Drehstühle auf fünfstrahligem Fuß. Das erschwerte das Kippeln extrem, machte es mithin zu einer echten Herausforderung, der ich mich auch regelmäßig stellte: Nur etwa einmal pro Doppelstunde wurde das empfindliche Gleichgewicht aus Neigungswinkel und Drehposition für einen Sekundenbruchteil gestört, so dass jemand mit lautem Knall auf dem Boden landete und sich mit hochrotem Kopf wieder an seinen Platz setzte, begleitet von mahnenden Worten über die hohe Verletzungsgefahr und ausuferndem Gelächter, womit meine schönste Erinnerung an den NW-Unterricht auch schon beschrieben ist.

Wir kamen in die Oberstufe und mussten zum ersten Mal die getrennten naturwissenschaftlichen Fächer Biologie, Chemie und Physik belegen - bzw. mindestens zwei davon, und so wählte ich Biologie und Chemie. Im vermeintlichen Blümchen- und Schmetterlingsfach lernte ich dann erstaunlicherweise Dinge, die ich noch weiß: Mitose und Meiose, vor der Klausur schrieb ich IPMAT auf meine Hand und kann deshalb heute noch die Phasen der Zellteilung runterbeten, selbst wenn Sie mich nachts wecken: Interphase - Prophase - Metaphase - Anaphase - Telophase. Es ging um Zellorganellen, Mitochondrien und Ribonukleinsäure, und ich weiß noch, wie geschockt ich war, als wir nicht nur in der ersten Stunde die Aufgabe bekamen, die wichtigsten Zellbestandteile benennen und zuordnen zu können, sondern in der nächsten Stunde auch tatsächlich abgefragt wurden.

Ich akzeptierte das und besorgte mir in einem Anflug von Fatalismus ein Buch mit "Abiwissen Biologie". Das Fach Chemie derweil kommt Mathetypen wie mir angeblich entgegen (genauso angeblich auch Physik, das ich aus einer Abneigung gegen Physiktypen gar nicht erst anwählte). Es ist mir aber bis heute nicht gelungen, den Zugang zu finden: Klar kann ich irgendwelche "Wertigkeiten" raussuchen und schauen, welche Atome zueinander passen sollen, um ein Molekül zu ergeben. Da vorne wurde auch immer so getan, als gebe es eine vollkommen logische Systematik, diese aber blieb mir zeitlebens verborgen, so dass ich mit dem Zweifel leben muss, ob das zu schlecht erklärt oder die geistige Anforderung zu hoch war: Meine theoretischen Moleküle gab es jedenfalls nicht, sonst wäre unsere Welt eine andere.

Es ist typisch für mich und meinen Lebensweg, dass ich in der 12. Klasse dann ausgerechnet bei Max Planck mein Praktikum gemacht habe, und wenn ich gefragt wurde, ob ich denn später mal was in der Richtung machen wolle, schaute ich völlig überrascht und sagte: Nee! Aber immerhin saß ich drei Wochen in einem leeren Zimmer und gab den Befehl time in das Unix-Terminal ein, und eines Tages schaffte ich das mit der "Wiederholen"-Taste elfmal in nur einer Sekunde. Einmal schließlich wurden wir durchs Institut geführt, da gab es kleine Affen mit Drähten im Kopf und ein Wissenschaftler erhitzte gerade seine Dosenspaghetti auf einer Kochplatte neben den ganzen Hirnpräparaten.

Einige Jahre davor mussten wir schon mal ein Praktikum machen, da war mir auch nichts eingefallen und ich landete in einem großen Metallbetrieb. Am ersten Tag sollte ich um 7:00 in der Lehrwerkstatt sein, fand mich früh am Werkstor ein und musste auf meine Papiere warten, so dass ich erst um 7:02 am Eingang der Lehrwerkstatt auf meinen Praktikumsbetreuer traf, einen kurz vor der Verrentung stehenden Zuchtmeister, der mich wegen der Verspätung gründlich zusammenfaltete. Ich musste dann den ganzen Vormittag 1-cm-Stücke von einem Metallklotz absägen, "Gerade, herrgottnochmal!", aber sie wurden krumm und schief. Als die Lehrlinge sich nach einigen Stunden ausgefeixt hatten, zwinkerte mir einer zu und verriet mir, dass man mit dieser Säge auch gar nicht gerade sägen konnte: Die bekam jeder Neue am Anfang.

Die Zeit schien endlos, wie ich da im Graumann herumstand und an einem Metallstück herumfeilte und -sägte. Dann musste ich die Kanten schlichten und ein paar Löcher bohren, am Rand senken und schließlich Gewinde schneiden, und ich wurde das Gefühl nicht los, dass mein Lehrer bei seinem Besuch äußerst schadenfroh reagiert hatte: Schließlich kam ich in der Schule ganz ungerührt zu spät, und hier im Werkzeugbau wurde mir wegen zwei Minuten endlich mal gezeigt, wo es langgeht.

Es folgten zwei Wochen in der Elektrowerkstatt, an die ich keine große Erinnerung habe, aber der Meister sprach zu mir: Wenn du von morgens bis abends durch die Kabelschächte gekrochen bist, dann weißt du, was du gemacht hast.

Ich ging durch die lärmenden Produktionshallen, wo man vor allem "Aluminiumhalbfertigprodukte" herstellte, zur riesigen Kantine, wo es ungewöhnlich still war. Auf dem Rückweg erfuhr ich, dass gerade ein Kollege gestorben war, den hatte es in eine der großen Maschinen gezogen.

In meine polierte Metallplatte sollte ich zum Schluss noch meinen Namen und das Datum mit Einschlagbuchstaben schreiben. Das sind lange, eckige Stahlstängchen, die man vorsichtig ansetzt, bevor man mit einem präzisen Schlag kräftig draufhämmert. "Aber hau dir nicht auf die Finger", raunzte der Meister, und ich hieb mir den Daumen blutig. Irgendwie freue ich mich immer, wenn ich die Platte wiederfinde, eingehüllt in Ölpapier, und an die Worte des Vorkriegsmeisters denken muss: "Ich hab doch gesagt, du sollst dir nicht auf die Finger hauen, du Esel!"

Link zu diesem Beitrag (2 Kommentare)  | Kommentieren [?]   





Mittwoch, 5. März 2014
Wiedervorlage
nnier | 05. März 2014 | Topic Spam


In the year 5555
Your arms hangin' limp at your sides
Your legs got nothin' to do
Some machine's doin' that for you

(Zager and Evans)



(Und dann am 29.6.46151 um halb neun: Neeeeiiiin, jetzt habe ich's doch verpasst!)

Link zu diesem Beitrag (0 Kommentare)  | Kommentieren [?]   





Dienstag, 4. März 2014
Go viral
nnier | 04. März 2014 | Topic Brainphuq
Sie alle kennen das Phänomen - Gelerntes lässt sich besser reproduzieren, wenn sich die äußeren Umstände ähneln. Grundstudium Psychologie: Wer Gedichte unter einer Taucherglocke auswendig lernt, kann sie am besten unter einer Taucherglocke rezitieren. Ich habe dem Professor bei der Prüfung dann gleich erklärt, dass mir die Antwort zwar gerade nicht einfällt, aber das heißt nichts, nämlich wenn wir jetzt am Meersgrund säßen, sähe das schon ganz anders aus.

Und das stimmt ja auch, ständig fallen mir Sachen von vor 30 Jahren ein, bloß weil ich damals wie heute im Bett herumlag und mir einen nach dem and und nur aufstand, um den roten Kopf über eine dampfende Schüssel zu halten und tief zu inhalieren. Unter dem Handtuch, wenn ätherische Dämpfe in die Nebenhöhlen vordringen, fällt mir z.B. prompt ein, dass es zu Zeiten der versandenden Neuen Deutschen Welle ein Projekt namens "Die Minnesänger" gegeben hat. Und keiner, dem ich davon erzähle, will davon je gehört haben! Dabei habe ich Melodie und Text parat: Der Wilddieb von Herzogenbrunn / Der stößt einmal kräftig ins Horn, und dem kann man ja direkt entnehmen, dass es von Hubert Kah produziert worden sein muss, denn wer anders als so ein Schwabe würde "Brunn" auf "Horn" reimen. Wenn Sie sich jetzt trotzdem nicht gleich erinnern: Kochendes Wasser in eine Schüssel gießen, ordentlich Salz und einen Strang Kamillosan rein, Snoopy-Handtuch über den Kopf: Ich kenn ihn schon / Den Herrn Baron / Mit seinem Wilddiebsopran / Lockt er die Frauen heran / Waidmannsdank! Na, sehen Sie?

Dieses ewige Gerotze, und wenn man die nächste Packung Taschentücher vollgeniest hat, kommt jemand vorbei und bringt einem Kräutertee. Echt nett! Mit den trüben Augen kann man seine Dankbarkeit nur eingeschränkt zum Ausdruck bringen, räuspert aber immerhin ein brüchiges "Uuuh, Wellenreiter über dem Ozean" hervor und wird wieder komisch angeschaut. Dabei waren immerhin 3/5 der Teens an dem Projekt "Rotesand" beteiligt! Immer wenn er von einem Wellenritt wiederkehrt / Kriegt er einen Kuss von einer, die ihn über alle Maßen verehrt, das wird einem natürlich nicht geglaubt, und auch dass man damals Hosen trug, deren Bund auf Bauchnabelhöhe endete. Wenn Sie jetzt ebenfalls Schwierigkeiten mit der Erinnerung haben: Eine Prise Nieswurz, eine Tasse Hustentee - na also, es geht doch!

Link zu diesem Beitrag (0 Kommentare)  | Kommentieren [?]   





Mittwoch, 26. Februar 2014
Stocknudel
nnier | 26. Februar 2014 | Topic Margaretha
Das war eine Wasserleiche. Ich war alleine zu Besuch bei meinen Großeltern, die in der Nähe der Stadt wohnten. Womöglich hatte ich sie überredet, mit mir zu einem Spiel des KSV Hessen Kassel zu gehen, von dem ich auch ein paar Autogrammkarten in meinem Jugendzimmer hängen hatte (Peter Kempa, Hans Wulf, Uwe Pallaks). Wir waren in einem der großen Parks spazieren, da standen Feuerwehr- und Polizeifahrzeuge am Wasser. Die Person musste lange in der Tiefe gelegen haben, und ich sah genauer hin, als ich wollte.

Nach Afrika. Ziemlich überstürzt und irgendwie schon zu dritt. Als ich mit meiner schwarzen Motorradlederjacke aus dem Flugzeug stieg, bekam ich einen Schlag in die Fresse. Es blieb nicht der einzige.

So weit bin ich noch nicht gekommmen. Aber sie war immer groß, schon im Kindergarten.

Da wohnten wir erst zu dritt, und die eine Mitbewohnerin stöhnte nachts wie gescriptet. Französisch können wir ganz gut, nur mit der Sprache hapert's, meinte morgens der wesentlich ältere Besucher, und sie errötete. Ich war der Zugezogene, kenne mich kaum wieder, wenn ich zurückdenke, und hier wurde mein lieber Sohn geboren (von der anderen Mitbewohnerin).

Wird eins mit H-Kennzeichen.

Da war ich kreidebleich an den Lido mitgegangen und hatte mich so lange in der prallen Sonne gedreht, dass mich das Fieber krebsrot beutelte, tagelang. Ging mir aber eh scheiße.

Kameradendiebstahl. Feigheit vor dem Feind. Geheimnisverrat. Eifersucht. Geiz. Gier. Neid. (Wird aber besser.)

Otto Schily. Der besuchte unsere Wixfirma. Draußen war alles abgesperrt, ganz clever mit Müllfahrzeugen, und er kam stracks und ausgerechnet auf mich zu, reichte mir die Hand. Ich war sitzen geblieben (man könnte das cool nennen, der Moment wird von mir aber noch immer als stoffeliger Faux Pas empfunden) und beantwortete seine zwei, drei routinierten Höflichkeitsfragen. Klein war er, und bald schon wieder weiter, und ich hasste mein Dasein und musste mir später vorstellen, dass ich ausgerechnet in dieser Situation so richtig abgeledert hätte: "Interessant? Was soll daran denn interessant sein!? Das ist die allerletzte Scheiße, und man kommt hier jeden Tag her und fragt sich abends, warum man sich nicht aufgehängt hat!", und als ich nach Hause kam, sagten sie: Bei uns gibt's heute Chili!, ich sagte: Und bei uns war heute Otto Schily!, da dachten sie natürlich, das wäre einer meiner freudlosen Flachwitze.

Das Land, vor dem es einen gruseln kann. Meine Großeltern hatten es empfohlen, dafür bin ich heute noch dankbar. Wir waren weit und lange gefahren, im Auto wurde selbstverständlich geraucht, dann ging es noch ewig nach oben und war erst nichts als eine Wiese mit ein paar Hütten drauf. Mein Herz ist da festgewachsen.

Da sollte ich jemandem beim Renovieren helfen, der zeigte mir die Heizungsrohre zwischen den Querbalken am Boden. Umwickeln sollte ich die mit so einem Filz und trat auf den Estrich, dann riss es mir das Bein hoch und ich lag im Keller auf einem Schrank, denn das war kein Estrich, sondern eine abgehängte Decke. Ich habe noch den halben Tag Tapeten abgerissen, weil ich den Schmerz nicht akzeptieren wollte, und fuhr mit zerrissenen Kniesehnen unter Schock nach Hause. Trotzdem ein Glückstag, weil um den hohen Schrank herum lauter spitze und lange Metallstangen zur Decke spießten.

VW-Bus (T2, gut erhalten). Holzofen mit Schornstein. Whirlpool. Hobelbank. Hurtigruten. Töpferscheibe. Pong-Spiel (s/w mit Drehregler). Flipper. Murmelbahn. Pfanne (Gusseisen). Dieses Bild.

--

(Ich habe mich ins Abseits gebloggt, monothematisch und geistig verarmt: 2014 wird ein hartes Jahr, und es sind noch 50 Titel wegzuschaffen. Da schnappe ich mir als zwischenzeitliche Fremdinspiration das Nudelholz von Herrn Schneck, den ich schätze, weil er klug schreibt und sein Ding macht.)

Link zu diesem Beitrag (7 Kommentare)  | Kommentieren [?]   





... hier geht's zu den --> älteren Einträgen *
* Ausgereift und gut abgehangen, blättern Sie zurück!

Letzte Kommentare
Kalender
Juli 2025
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
 
 
 
 
 
Über
Who dis?
Erstgespräch