Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Mittwoch, 11. April 2012
Ampelgespräch
nnier | 11. April 2012 | Topic In echt
- Die sind da alle rübergefahren, bei Rot, hamse dit jesehn. Dit jeht do né. Das dauert zehn Jahre, bis sowas verheilt ist! Das heilt doch alles nicht mehr, heutzutage! Mein' Kumpel, den hamse auch veroperiert, der ist nicht mehr wiedergekommen. Hamse die Leute gesehen.
- Ein Wahnsinn, alles.

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Sonntag, 8. April 2012
Homo oec.
nnier | 08. April 2012 | Topic Ja nee
Sie als Wirtschaftspsychologen kennen ja alle die folgende Geschichte: Ein Großgrundbesitzer zahlt seinem Landarbeiter gerade so viel Lohn, dass dieser mit Mühe und Not überleben kann, wenn er von frühmorgens bis spätabends rackert. Nach einigen Jahren spricht der Landsherr: Ab morgen zahle ich dir ein Viertel mehr Geld. Erfreut verabschiedet sich der Arbeiter und kommt seither erst gegen Mittag.

Wir als Arbeitgeber können daraus noch einiges lernen, da sieht man ja, dass die Kaffer bloß auf der faulen Haut liegen wollen. Früher war das alles noch ganz anders, da lohnte es sich nicht einmal, einen Sklaven zu halten: Ein Mensch konnte maximal sich selbst ernähren, aber gleich für zwei jagen und sammeln, das ging einfach nicht, rein von den Kalorien her. Das muss echt bitter gewesen sein für diejenigen, die eigentlich Arbeitgeber gewesen wären, ich meine: puh! Zum Glück hat sich das dann weiterentwickelt, erst lohnte sich das mit der Sklaverei, weil die Menschheit so fortschrittlich orientiert war, dann verflüssigte das Geld die Waren- und Dienstleistungsströme und machte so unseren heutigen Kapitalismus überhaupt erst möglich, der ja so etwas wie ein höheres Wesen ist, das auf seinen undurchschaubaren Wegen das Kapital immer dahin lenkt, wo es am besten aufgehoben ist. Bloß dass das manche nicht kapieren wollen, z.B. will dieser Großgrundbesitzer da oben den Arbeiter natürlich motivieren und denkt, dass der sich in seine Arbeit bestimmt noch mehr reinkniet, wenn er außer der täglichen Schüssel Bohnen auch noch ein iPhone kaufen kann, aber nein: Der will lieber bei den Bohnen bleiben und dafür ausschlafen.

Genau wie diese Geschichten über die New Yorker Taxifahrer: Die mieten sich die Taxis zum Festpreis für eine festgelegte Dauer, z.B. 12 Stunden über Nacht. Also müssen sie dieses Geld wieder hereinfahren und erst danach verdienen sie für sich selbst. In manchen Nächten läuft es schlecht, kaum Fahrgäste, da nutzen sie die 12 Stunden voll aus, damit überhaupt etwas für sie übrigbleibt. Aber in den guten Nächten, wenn viel los ist und ständig Fahrgäste winken, können sie richtig Geld verdienen. Und was machen sie: Sie machen früher Schluss und freuen sich noch, weil sie ja "für diese Nacht genug" eingenommen haben. Dabei muss das doch andersrum sein: Wenn es richtig läuft, dann muss man die volle Zeit nutzen! Herrje.

Ich habe mir allerdings längst abgewöhnt, nach dem unmittelbar erkennbaren Sinn zu fragen. Wie gesagt: Die Wege des Herrn sind unergründlich, und mir sagte schon vor Jahren ein Freund: Na klar ist das Wahnsinn, der kommt aus dem System, und solange das System solchen Wahnsinn hervorbringt, nutze ich den aus. Es ging dabei um ein aktuelles Mobiltelefon, das er sich rechnerisch umsonst besorgen konnte, indem er in der richtigen Reihenfolge irgendwelche Veträge abschloss und wieder kündigte. Und tatsächlich: Man könnte sein Leben damit verbringen, Fernsehzeitungen für 74.- EUR zu abonnieren und dafür einen 75-EUR-Tankgutschein oder ähnliche Bargeldäquivalente zu kassieren. Bloß rechtzeitig kündigen muss man. Wo ich drüber nachdenke: Wenn ich ein Plantagenarbeiter wäre, würde ich vielleicht auch erst mittags zur Arbeit gehen und vormittags immer die ganzen Umsonstartikel bei dr*ckerzubehoer.de bestellen, das geht nämlich wirklich, ich habe schon sieben Notizzettelkästen und eine ganze Schublade voller Minus-L-Schokolade, nicht mein Geschmack, aber für umme nehm ich die doch mit.

Etwas ungewohnt war es am Anfang, das gebe ich zu, mit den Groupon-Gutscheinen. Gar nicht so sehr der technische Ablauf, auch wenn es schon seltsam ist: Man zahlt den Gutschein bei dieser Firma und löst ihn bei einer anderen ein, muss dort aber die Versandkosten begleichen und oft noch einen Differenzbetrag, weil man z.B. einen Gutschein im Wert von 50.- EUR zum Preis von 25.- gekauft, aber Dinge im Wert von 70.- bestellt hat. Können Sie mir auf Anhieb sagen, wieviel ich dann effektiv bezahlt habe? Na also.

Wenn ich mal ein Fotobuch gestalten wollte, habe ich jedenfalls gerne so ein vergünstigtes Angebot mitgenommen, auch wenn ich mich immer gefragt habe, warum die Fotobuchmenschen es nicht schaffen, mir ihre Supersonderangebote auf anderen Wegen zugänglich zu machen, denn so könnten sie den niedrigeren Preis wenigstens für sich behalten und müssten ihn nicht noch mit jemandem teilen, der das Angebot einfach durchreicht.

Man sollte also den Überblick behalten, und das kann nicht jeder, z.B. habe ich neulich auch mal eine Dienstleistung per Gutschein gekauft. Ich dachte mir: Wenn die Kapitalströme das so wollen - wer wäre ich, mich dem entgegenzustellen!? Termin abgemacht, freigenommen, auf die Leute gewartet, da klingelt das Telefon und der Mann sagt: Wir kommen nun doch nicht, wir machen das nicht mehr, das bringt uns nur Verluste. Vielleicht hatte er nicht richtig darüber nachgedacht, dass er die Häfte seines ohnehin heftig reduzierten Preises an das Gutscheinportal abgeben muss.

Ich habe dann gelächelt und gesagt: Guter Mann - das sollte Sie jetzt motivieren, von frühmorgens bis spätabends durchzurackern! Seien Sie froh, denn früher lohnte sich nicht einmal die Sklaverei.

Dann rief ich bei Groupon an, um mir mein Geld zurückerstatten zu lassen. Aber die fangen anscheinend erst gegen Mittag an.

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Sonntag, 1. April 2012
Holland eben
nnier | 01. April 2012 | Topic In echt






Mir sagte mal jemand, der in Düsseldorf lebt, in Bremen sähen die Menschen irgendwie arm aus. Ich fragte nach Beispielen und Details, konnte ich doch weder in dem Café, in dem wir saßen, noch später in der Fußgängerzone und überhaupt in den Wochen darauf irgend etwas Ungewöhnliches bemerken; für mich sahen die Bremer ganz normal aus. Später musste ich noch lange darüber nachdenken.

Selten sind es ja einzelne Personen, die mit ausgeleiertem Trainingsanzug oder 500-Euro-Jacke den einen oder eben den anderen Anschein vermitteln, es ist eher ein Gesamteindruck, der einen, ähnlich wie eine Landschaft sich im Vorbeifahren langsam ändert, die sozialen Unterschiede von Viertel zu Viertel, Stadt zu Stadt, von Land zu Land mehr spüren als an Einzelheiten festmachen lässt. Blitzt es hier straff und gesund, schlurft es dort schlaff durch die Gassen, strahlen hier die weißen Gebisse, starren dort die grauen Gesichter.













Vielleicht sehen Düsseldorfer oder Münchener das ja ganz anders; auf mich jedenfalls macht dieses Holland immer diesen propperen Eindruck, nicht nur in den kleinen, feinen Städtchen, sondern auch dort, wo normalerweise Natur wäre, im Wald, am Strand, da ist alles Kulturlandschaft, die Deiche schnurgerade und die Strände gepflastert, selbst die Dünen sehen aus wie am Reißbrett entworfen. Das ist nicht abwertend gemeint, denn ich habe ein paar schöne Urlaubstage gehabt, man kann sehr schön mit dem Fahrrad herumfahren, Kaffee trinken, Geschenke kaufen. Ich bekomme nur manchmal dieses irritierende Gefühl. Es hat mit einer Art von Wohlstand zu tun, die ich seit längerem nicht mehr selbstverständlich finde.

Damit meine ich nicht dieses gerne mal eingestreute "Anderswo hungern sie", auch wenn sich die Tage mehren, an denen ich ganz ernsthaft empfinde, was für ein großes Glück ich habe, dass ich z.B. warm duschen kann, wann ich will. Wenn ich aber durch Siedlungen oder in Kleinstädte komme, in denen lauter neue Einfamilienhäuser nebeneinanderstehen, ein oder zwei Autos davor, nicht älter als drei Jahre, die Straßen akkurat gepflastert und von hübsch historisierenden Laternen gesäumt, muss ich immer öfter denken: Das geht zu Ende, das merkt ihr noch nicht, weil ihr mit eurer Technik künstliche Inseln vor arabische Küsten schütten könnt, ihr liefert Rollrasen und könnt Tunnel bohren, das bringt Geld, aber das geht zu Ende.

Ich war nur ein paar Tage weg, und auf der Rückfahrt erfuhr ich, dass ein Schutzwall beschlossen worden sei, ein paar hundert Milliarden irgendwofür und von irgendwem, jedenfalls gegen die Krise, neulich hieß es Hebel und vielleicht kommt ja bald der Hammer oder die Wunderwaffe, da sind noch einige Metaphern verfügbar, und ich habe keine, wirklich keine Ahnung, was EFSF und ESM sind und wer was wofür bezahlt. Es ist absurd, Länder gehen pleite und Menschen arbeiten in 1-Euro-Jobs, sie spazieren durch gigantisch teure Einkaufsklötze, die schon mal pleite gegangen sind und trotzdem weiterbetrieben werden, ich habe keine Ahnung, wie das alles funktioniert, aber jemand wird es bezahlen müssen. Nicht dass es hilft, aber ich rechne mit immer weniger Holland und mit immer mehr St. Andreasberg, und das wäre noch glimpflich.



Auch wenn ich nichts zu verbergen habe, geht Sie meine Privatsphäre nichts an!, so lautet mein Motto, deshalb die Gardinen, dann schlummert es sich sanft unter warmer Decke und man kann - einfach so! - warm duschen gehen am nächsten Morgen, nur ein paar Münzen muss man einwerfen, das alles ist sehr einfach, man könnte sagen: reduziert, man könnte vielleicht auch sagen: arm, ich will das nicht romantisieren, es ist immerhin Urlaub, es sind bloß ein paar Tage, da lässt sich leicht von Verzicht schwärmen.



Das blöde Werbeblättchen bringt den Aprilscherz, die Bremer Finanzsenatorin plane, von jedem Bürger, der aus Bremen wegzieht, vorher dessen Anteil (von aktuell etwa 28000 EUR) an der städtischen Schuldenlast einzutreiben. Dann kann ich hier nicht weg. Dann beibe ich eben hier.

Ich weiß auch gar nicht, ob ich Düsseldorf so toll finde.

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Sonntag, 25. März 2012
Rose te knuffelen
nnier | 25. März 2012 | Topic Musiq










Winter, Winter räumet das Feld. Vorsichtig streckt man die Fühler aus, erweitert seinen Radius, unternimmt, begleitet vom rostigen Knirschen der Fahrradkette (es ist doch die Kette, hofft man), die erste Rundfahrt im neuen Jahr, bekommt am Ende sogar noch ein Eis und schafft es auch im höchsten Gang, denn der alte Bowdenzug musste nach dem Winter nun mal reißen, rechtzeitig nach Hause, um sich an etwas zu erinnern: Rotterdam! Nun aber los!



Da waren viele Häuser, da waren viele Autos, da waren viele Menschen. Oh!? Keine Zeit für Musik habe man in Rotterdam, hieß es doch, aber etwas weckte mein Interesse:



Ich bin dann mal da reingegangen, und wissen Sie was: Das war richtig gut!

Zum Publikum kann ich sagen, dass dieses eher bäuerlich geprägt schien, zumindest roch es in meiner Nähe immer wieder stark nach Heu, und eine Dame bot dem Mann auf der Bühne im Tausch gegen eine Umarmung eine lokale Waffelspezialität an. Sie hatte dann aber gar keine:



Een fan krijgt de gelegenheid de Beatle te knuffelen, spielt aber lieber Drückerkolonne. Danach war es schon spät, da bin ich zurückgefahren, ich kann also gar nichts über die Stadt erzählen. Ein andermal vielleicht!

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Mittwoch, 21. März 2012
Rotte Jongenskoor
nnier | 21. März 2012 | Topic Sprak
Obwohl Rotterdam ein Selbstbild als arbeitende Stadt hat, die keine Zeit für Musik hat, hat sich doch einiges an Musikkultur etabliert ... die Gabber-Szene hat sogar ihre weltweite Hochburg in der Stadt. Ein internationaler Begriff im europäischen Chorleben ist der Rotterdams Jongenskoor. [Q]
Immerhin liegt die Stadt mehrere Meter unter Normalnull und der namensgebende Fluss heißt Rotte, so wie in Österreich eine kleine Siedlung oder unter Jägern eine Gruppe Wildschweine genannt wird, so wie eine Gruppe von Schienen- bzw. Waldarbeitern heißt und natürlich eine Formation aus zwei Kampfflugzeugen sowie in der alpinen Forstwirtschaft eine Ansammlung von Nadelbäumen, Schützen beim Wurfscheibenschießen, diverse Nebenflüsse, ein historisches Musikinstrument und Radiologen (Karl-Heinz), Maler (Carl) sowie Politologen (Ralph). Centrum und Pernis haben übrigens keinen offiziellen Status als Stadtteil, dafür fließt die Rotte nicht mehr wie früher in die Nieuwe Maas, sondern wird durch eine Rohrleitung hineingepumpt - das hat mit der U-Bahn zu tun, das hätte sonst Probleme mit der Streckenführung gegeben.

Ich kann's verstehen! Erst neulich, auf dem Fahrrad, dachte ich so: Das gibt jetzt aber echt Probleme mit der Streckenführung - warum können die nicht einfach die Weser durch eine Rohrleitung irgendwohinpumpen? Als ob ich jetzt extra den Umweg über die Karl-Carstens-Brücke nehmen muss!

Letzteres war Jugendsprache, also nicht das mit dem Karl Carstens, obwohl ich gerade überlege: Mit einem T-Shirt, auf dem in Neonschrift Karl Carstens steht, wäre ich in der Gabber-Szene bestimmt ganz vorne dabei, oder wenigstens im europäischen Chorleben. Übrigens weiß auch in Bremen kaum jemand, dass diese Brücke Karl-Carstens-Brücke heißt! Würde ich dieses einem Jugendlichen sagen, antwortete der: Als ob die so heißt! Sie merken also: Als ob ist das neue Nee, ne!?, so wie wenn man sein Fahrrad mit plattem Reifen vorfindet, dann sagte man ja noch bis vor kurzem: Nee, ne!? Heute hingegen heißt es: Als ob mein Fahrrad platt ist!

Ich vermute, dass dies mit der Virtualisierung unserer Lebenswelt in Zusammenhang steht. Man sagt also nicht: Mist, mir ist gerade der Bus vor der Nase weggefahren! Sondern man lacht kurz auf und sagt: Als ob mir gerade der Bus vor der Nase weggefahren wäre!, so als könne man schnell zurückspulen (ein veraltetes Sprachbild aus der analogen Welt) und die Szene erneut durchspielen. Schon das Nee, ne!? spielte ja mit Wirklichkeitsebenen. Man akzeptierte sozusagen nicht, was einem die eigene Wahrnehmung vermittelte. Denn wo man einst fluchte oder weinte, sagte man nun: Nee, ne!? und räumte damit Gott oder Mama die Chance ein, noch mal kurz zurückzukommen und zu sagen: OK, war nur ein Witz.

Als ob du nach Rotterdam fährst. Als ob die da Flüsse wegpumpen. Als ob du wüsstest, was Gabber sind.

Was willst du da eigentlich?

Nee, ne!?

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