Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Mittwoch, 7. September 2011
Si tu m'en pringes
nnier | 07. September 2011 | Topic Brainphuq
Meine Fotoserie "Die gequälten Kinder von Venedig" kann ich Ihnen derzeit leider nicht präsentieren, was unter anderem daran liegt, dass die geschätzte Bloggerplattform heute stark ruckelt und mich das Hochladen mehrerer Bilder unter diesen Bedingungen nervlich restlos überfordern würde. Der andere Grund ist, dass ich diese Fotos - bis auf eines, wegen der Persönlichkeitsrechte des Abgebildeten bin ich aber noch unentschlossen, es zu zeigen - gar nicht gemacht habe. Diesmal nämlich wollte ich die Stadt einfach "so" auf mich wirken lassen, ließ die Kamera also meist in der Hosentasche und kann in diesem Zusammenhang von einem interessanten Effekt berichten:

Es ist ja ganz normal, dass man so pseudofranzösische Phrasen im Kopf hat, Sie kennen das, man murmelt dann so Zeug vor sich hin, "Si tu m'en figues", nicht wahr, und im Urlaub transformiert sich das halt auch mal, siehe oben, bleibt aber von der Grundstruktur erkennbar. Kleine Ergänzungen ("Si tu m'en pringes / Avec les dinges"), sicher, die mag es geben, aber im Prinzip bleibt man doch monatelang bei einer bestimmten Gestalt, bis schließlich auch Töchter, die nicht mal Französisch lernen, die Aussprache perfekt beherrschen.

Wenn man jedoch einige Stunden in der schönen Lagunenstadt herumgelaufen ist und sich auf die eigene Dehydration konzentriert hat - man muss das wirklich kommen lassen - entsteht irgendwann etwas unerwartet Neues. Erre mestruazioni, fellazione Bunga! - war ich es, der da sprach? Oder sprach "es" durch mich hindurch? Phänomen Emergenz! Sofort hielt ich dieses in meinem Notizbuch für die spätere Verwendung im Blog fest ("oder evtl.: Erre Mestruazioni vs. Fellazione Bunga-Popp / rein italienisches Finale im Damentennis?"), hätte dies aber nicht tun müssen, da ich seither auch diese pseudoitalienische Phrase permanent im Kopf habe, Sie kennen das ja.

Ungewollt gewähre ich Ihnen hiermit natürlich Einblick in mein Seelenleben, denn es wird Ihnen nicht entgangen sein, dass ich gerade schrieb: für die spätere Verwendung im Blog - und wenn blogger.de heute nicht so ruckeln würde, würde ich das nicht drin lassen. Schließlich setze ich normalerweise einiges daran, eine gewisse Nonchalance auszustrahlen, ich behaupte dann Dinge wie: Ich blogge für mich, ich blogge nur so, ich würde das da oben normalerweise rausredigieren und ganz bestimmt nicht zugeben, dass ich heute in Versuchung war, eine Lesung von Harald Martenstein zu besuchen. Dessen Kolumne im Zeit-Magazin lese ich fast immer, er liefert im Gegensatz zu Philipp Rösler und seiner Partei auch relativ zuverlässig, bloß nutzt sich das auch ab irgendwann, so richtig begeistert hat er mich schon länger nicht mehr, oft gibt er sich mit seinen kleinen und wohlkalkulierten Provokationen zufrieden, manchmal allerdings merkt man, dass ihm etwas wichtig ist, und dann kann er gut sein.

Jetzt kommt's: Bringe ich vorhin ein paar CDs ("Die drei ???") zur Bibliothek zurück, sehe ich das Plakat mit dem Martenstein und denke nicht etwa: Interessant! Wie der wohl in echt ausieht? Oder: Was der wohl für eine Stimme hat? Oder: Wollen doch mal sehen, wie so ein Martenstein-Roman klingt, ist ja doch um einiges länger als so eine Kolumne. Nein, ich denke: Oh, da sollte ich vielleicht hingehen, dann habe ich mal wieder etwas zu Bloggen. Ich bin dann absichtlich nicht hingegangen - schließlich blogge ich nur so und für mich, und wenn es Sie so sehr interessiert, wie das bei Harald Martenstein ist, warum gehen Sie dann nicht einfach selber hin, hm?

Was Philipp Rösler angeht, habe ich übrigens eine Idee. Man muss einfach das hier weiterdenken, Sie sind sicher auch schon darauf gekommen, alle finden doch jetzt die Grünen so toll, also: Plakat mit Rösler vor grünem Hintergrund, keine Nennung seiner Partei, dann einfach: "Wer Rot-Grün will, wählt Philipp Rösler!", oder warten Sie: Philipp Rösler - Si tu m'en pringes!

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Montag, 5. September 2011
Saugmaster
nnier | 05. September 2011 | Topic In echt


Das geht immer alles so schnell, gerade ist man noch Unternehmer des Jahres und lässt sich einen aufsehenerregenden Firmensitz bauen, schon darf man selber nicht mehr rein. Kaum überlegt man, aus der Insolvenzmasse noch einen seetauglichen Regenschirm oder ein günstiges Großsegel zu erwerben, schon ist der Sommer vergangen und das Gebäude entkernt. Wochenende ist, müde die Knochen, was aber hilft's - raus, raus, auf geht's! Weiter, weiter! Ein kurzer Blick hinüber ans andere Ufer muss genügen, es ist Wochenende, los, rauf auf den Sattel!





Schnell durchs Gewerbegebiet, nicht links und nicht rechts schauen, aus den Fabriken das übliche Seufzen, ich aber habe frei und kenne mein Ziel.



Bald, man muss nur immer auf den unterprivilegierten Stadtteil zuhalten, wird der Horizont weit.







Meinen blanken, neuseeländischen Apfel von REWE lege ich einfach dazu.



tl;dr
Am Wochenende bin ich mit dem Fahrrad herumgefahren.

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Freitag, 2. September 2011
Austen Powers
nnier | 02. September 2011 | Topic Gelesn
Alles hatten sie mir abgenommen, mich kahlgeschoren, in einen orangefarbenen Overall gesteckt und in den Hochsicherheitstrakt verlegt. Jeder Gedanke an eine Flucht schien absurd. Im Lauf der Jahre jedoch war es mir gelungen, einen Teil meiner ausgezupften Nasenhaare vor den Wärtern zu verbergen und nachts ein Seil daraus zu fertigen. Nun hing ich über den Klippen, unter mir das tosende Meer, das geifernde Bellen der Hunde im Ohr, zwischen den Zähnen das Seil (ich war ja weiterhin gefesselt)

Mit meinem ersten Roman komme ich nicht so recht voran, seit Monaten hänge ich an dieser Stelle. Aus unerwarteter Richtung jedoch sprudelt derzeit ein Quell der Inspiration: Eva Mattes liest mir morgens Verstand und Gefühl vor, ich kann nichts dagegen tun, ich bin sozusagen gefesselt von einem Stück Literatur, das vor lauter Edwards und Elinors, Middletons und Dashwoods überquillt und vor dem ich unter normalen Umständen schreiend weggelaufen wäre: Mädchenliteratur! Viktorianische Herzensqual! Igitt! Dann doch lieber Jerry Cotton!

Nun hänge ich aber mal an diesem Seil und habe mich eingegroovt, stelle meinen Stolz hintenan und lasse die Vorurteile weg - und außerdem werde ich bis nächsten Freitag (letzte Folge) bewusst darauf verzichten, mich über Autorin und Buch zu informieren, denn die Geschichte ist ja viel zu spannend, bitte verraten Sie mir nichts! Und was meine missliche Lage angeht, muss ich mir langsam etwas einfallen lassen.

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Dienstag, 30. August 2011
Ich kann immer
nnier | 30. August 2011 | Topic In echt


Mehr als ein Stündchen muss es ja gar nicht sein, denke ich oft, strecke mich aus und lege mir ein Kissen über den Kopf.

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Montag, 29. August 2011
Dr. Phibes
nnier | 29. August 2011 | Topic In echt
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Bei den Bundesjugendspielen bekam ich immer nur die Siegerurkunde, einmal aber sollte meine große Stunde kommen: Die Fahrradprüfung, und zwar nicht die elementare in der Grundschule, sondern so eine schwierige, spätere, die man sich in der Schule ausgedacht hatte.

Man musste bestimmte Aufgaben erfüllen, z.B. über eine Wippe fahren oder durch einen engen Parcours, etwas mit einer Hand einsammeln und dabei trotzdem nicht von der Strecke abkommen - diverse Geschicklichkeitsübungen also waren zu absolvieren, es war ein recht langer Rundkurs und das war ja alles schön und gut, uns aber interessierte alleine die Wertung, es geht ja bei so etwas nicht um den Spaß.

Man werde, so erfuhren wir, die Zeit vom Start bis zum Ziel messen, der schnellste sollte gewinnen, unterwegs habe man seine Aufgaben zu erfüllen, und wenn man diese nicht schaffe, gebe es jeweils soundsoviele Strafsekunden.

Ich sah mir das eine Weile an und sprintete, als die Reihe endlich an mir war, an allen Stationen und den entgeistert glotzenden Zuschauern vorbei auf direkter Linie zum Ziel. Sollten sie mich für dumm halten, sollten sie mich verlachen, sollten sie mir doch für jede verpasste Station die angekündigten Strafsekunden geben, ha!, trotzdem hätte ich die noch die weitaus beste Zeit!, das konnte der geschickteste Radler nicht einholen, ich hatte das mehrfach durchgerechnet, wollte mich innerlich an meinem Triumph weiden und sah die goldene Ehrenurkunde (endlich!) schon vor meinem geistigen Auge, da wurde ich disqualifiziert.

Ein anderes Mal behandelten wir die For-Next-Schleife, es ging also um die elementare Behandlung von Variablen in Computerprogrammen, und einer, der mir nicht ganz unähnlich sah, fand das ja der-ma-ßen unter seiner Würde, also, hö!, lä-cher-lich!

Schreibe ein Programm, das die ganzen Zahlen von 1 bis 10 der Reihe nach ausgibt, hö! Hö! Wie "schwer!" Dann mache ich das mal! Hö! Hö!

Und man kann wirklich nicht behaupten, dass mein Programm das nicht getan hätte, bloß dass die Lehrerin mir trotzdem keine Punkte gegeben hat, die frustrierte Kuh, die wollte mir bloß wieder einen reinwürgen, sie wird schon sehen, was sie davon hat, wenn demnächst, 30 Jahre danach, mit roter Farbe quer über ihr Haus geschrieben steht:

1 for a = 1 to 10
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Richtig wundern werden sich aber andere Leute, ich habe endlich alles vorbereitet: Die Alarmsirene, die Rauchbombe, und wenn die dann panisch nach draußen rennen wollen, steht da ein Fahrrad und sie müssen erst mal über so eine Wippe fahren und mit einer Hand etwas einsammeln.

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