Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Dienstag, 12. Juli 2011
Die Entdeckung der Langsamkeit
nnier | 12. Juli 2011 | Topic In echt
Ich habe mein Tempo sowieso runtergefahren, und wenn's mal wieder dauert - je nu. Man kann dann in Ruhe Nahrung verstoffwechseln oder nach ein paar Jahren Strafsteuer plötzlich auf folgenden Gedanken kommen: Mag ja sein, dass so ein Nachrüstkatalysator dich auch nur auf die gelbe "Umwelt"-Plakette liftet, auf dass die Ökofaschisten dich und deinesgleichen weiter aus der Stadt heraussegregieren und sich mit ihren grünbeklebten SUVs und Volvos endgültig ungestört gegenseitig an die Feife fassn können, irgendjemand wird das bescheuerte Wort "Nachhaltigkeit" schon entsprechend zurechtbiegen und mit demnächst absoluter Mehrheit im Rücken vollautomatisch und klimaneutral Menschen voneinander trennen, grandios effiziente Menschenrecyclingsysteme implementieren und total besoffen von der eigenen ökologischen Korrektheit einen CO2-Zuschlag für den jährlichen Urlaubsflug entrichten - aber so schön die schwarze Plakette auch ist, kann es vielleicht sein, dass man durch den Einbau dieses Ablassgeräts wenn auch nicht in die heilige grüne Apartheidzone fahren, dann doch wenigstens Steuern sparen könnte? Man sollte sich mal drum kümmern!

Aber wie das so ist, erst ist Weihnachten, dann plötzlich Sommer, und kurz vor der Urlaubszeit beginnt der Auspuff mit solchem Nachdruck zu pöttern, dass man am liebsten erst mal vor der Waldorfschule vorbeicruisen würde oder schön sonor am Biosupermarkt entlang. Ein unfachmännischer Blick unters Auto bestätigt: Der braune Bruder hat sich's entlang des Hosenrohres bequem gemacht und in wilder Leidenschaft zugebissen, wer kennt das nicht. Und in diesem Moment fällt einem alles wieder ein, der Katalysator, und da soll es doch so einen Zuschuss beim Kauf geben, forschen wir doch mal nach, die gelbe Plakette muss man dann ja gar nicht einkleben.

Heraus stellt sich, Schmunzler eins, dass die Steuerlast sich nahezu halbiert, womit man, Schmunzler zwei, das Gerät bei rechtzeitigem Einbau längst gegenfinanziert gehabt hätte, sowie dass, Schmunzler drei, der Förderzuschuss just vor ein paar Monaten ausgelaufen ist. Yeah.

Fahrt mal schön mit euren Elektromobilen zum Biomarkt, der Dreck bleibt ja in China oder jedenfalls außerhalb der Trallalazone, deren Wirksamkeit zwar nicht erwiesen ist, aber so ist das nun mal in diesen entfremdeten Zeiten: "Die Umweltbehörde geht davon aus, dass die EU eine Abschaffung der Umweltzone ohne Alternative und zum jetzigen Zeitpunkt als Vertragsverletzung mit bis zu 250000 Euro am Tag bestrafen würde." Na, das ist ein Grund! Und das Ministerium für Wahrheit wird eines Tages auch mir mit sanftem Nachdruck erklären, dessen bin ich sicher, dass es alternativlos nachhaltig ist, funktionierende Autos, die man noch mit einfachen Mitteln reparieren kann, nach Afrika zu entsorgen, weil sich die totale Umweltzone europaweit ausgebreitet hat. Im Schein der Engergiesparlampe werde ich den großen grünen Bruder umarmen. Bis dahin lasse ich heimlich im Keller die 100-Watt-Lampe brennen.

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Montag, 11. Juli 2011
Oliver Twist
nnier | 11. Juli 2011 | Topic In echt
Zuletzt haben sie nun doch angefangen mit "Bürgerservicecenter" und so Zeug, Personalausweise und Führerscheine werden nun an einem Ort abgehandelt, sogar Angelscheine gibt's da. Wenn man heutzutage Sehnsucht nach behaglich-urigem Behördenflair hat, gibt's nur eines: Man bestelle in Übersee zwei CDs und warte, bis einige Wochen darauf ein ominöses Schriftstück eintrudelt. Diesem entnehme man, dass auf der empfangenen Sendung keine Rechnungspapiere zu finden seien, weshalb man bitte mit diesem Schreiben und der Rechnung und dem Zahlungsnachweis zum Zollamt komme, und dass darüber hinaus ein Betrag von 0,50 EUR pro Tag für die Verwahrung berechnet werde, auf deren Erhebung bis zu einer Höhe von 5.- EUR jedoch verzichtet werde, und noch ein paar Absätze.

Man fahre dann "mal eben" vor der Arbeit zum Zollamt und lasse sich zeigen, was eine Harke ist: Nach Durchquerung der Tür befindet man sich nämlich in einer Fernsehserie, die das, hm, "Leben" kann man es ja nicht nennen, sagen wir: das Dasein in einer Amtsstube der 70er Jahre persifliert, nein, genauer: Eine Parodie auf die üblichen Beamtenwitze liefert - so wie eine Zeichnung von Rattelschneck mit einer Frau, die das Nudelholz schwingt, ja auch etwas anderes ist als ein Witzbildchen aus den 60ern mit einer Frau, die das Nudelholz schwingt. Schon die Einrichtung ist perfekt getroffen, mancher würde sicherlich sagen: Reichlich überspitzt dargestellt, an die gilbende Wand geklebte alte Ausgaben von MediZini, tanngrün filzgepolsterte Metallstühle, auch diese merkwürdige braun-beige-olive Farblosigkeit aus alten Derrick-Folgen wird erstaunlich effektiv eingesetzt, und beim Betreten des Zimmers 5a bekommt man feuchte Hände, da man zwar ein paar Mal geklopft, aber keine Antwort erhalten und schließlich einfach so die Tür geöffnet hat.

Drinnen ein richtig alter Nussbaumtresen mit Klappdurchgang, man steht und räuspert sich, schließlich kommt ein farblos olivbraunbeiger Herr zur anderen Tür herein und nimmt das Schriftstück entgegen. Er verschwindet sogleich, so dass man genügend Muße hat, die uralten Bürowitzpostkarten vom Format "Wunder dauern etwas länger" zu studieren, kommt nach geraumer Zeit wieder und trägt einen versiegelten Sack mit sich, den er bedeutungsvoll auf den Tresen legt.

"Die Rechnung muss da eigentlich drin sein", murmelt man, während Oliver Braun das Siegel bricht, nur um gleich darauf festzustellen, dass der Versandkarton längst offen ist und die Rechnung unübersehbar obenauf liegt.

"Audio-CDs, aha. Da müssen wir einen Zollantrag stellen", spricht Olivia Beigeton-Grün und geht ein Formular holen, das man dann gemeinsam ausfüllt. Gut, denkt man, das hat alles etwas gedauert, aber nun holt er seinen Taschenrechner hervor, er wird noch schnell den Zollwert berechnen und du zahlst und kommst noch halbwegs rechtzeitig zur Arbeit.

Hahahahaha.

"Bitte nehmen Sie draußen Platz, es wird dann jemand kommen und Ihnen Ihre Sachen geben", wird man aufgefordert, geht etwas verblüfft in eine Art Wartezimmer zurück und hat nun ausreichend Zeit, die alten MediZini-Poster zu studieren. Erstaunlich, welche Tierarten alle im Gebüsch leben! Und wie der Herz-Lungen-Kreislauf funktioniert! Die allgemeinen Zollbestimmungen sind auch gar nicht so uninteressant, die paar Seiten liest man ratztfatz weg, während gelegentliche Neuankömmlinge an der Tür von Zimmer 5a klopfen, zögern, klopfen, keine Antwort erhalten und dann vorsichtig trotzdem die Tür öffnen.

"So", kommt die Beigebraunsche Molekularbewegung ganz unerwartet aus seinem Zimmer heraus, und instinktiv wendet man sich ihm zu und freut sich auf sein Paket, aber er hatte doch gesagt: Es kommt jemand, da meint er doch sicher nicht sich selber - und tatsächlich, er bittet den nächsten Abholer herein, so dass man noch ein Weilchen herumsteht, bis jemand durch die andere Tür tritt und man - fast wie beim Arzt - namentlich aufgerufen wird. Kurz wundert man sich, dass der Aufrufer kein Paket in der Hand hält, er aber ist offensichtlich nur dazu da, den Besucher durch braunbeigeolive Flure vor ein anderes Zimmer zu führen, ihm einen zweiseitigen Formularausdruck auszuhändigen und zu bedeuten, man möge hier warten, bis man aufgerufen werde.



Spätestens jetzt muss man das Grinsen unterdrücken, zumal man durch die geöffnete Tür gleich drei Menschen bei der, nun ja, Arbeit beobachten kann, die sich so gestaltet, wie man sich es in einer Parodie auf eine lustige Beamtenserie der 70er Jahre vorstellt, und dabei hat mindestens einer der Mitarbeiter die 70er Jahre garantiert nicht mehr miterlebt. Aber das steht man auch noch durch, man beherrscht sich gefälligst und macht ein angemessen staatstragendes Gesicht, wenn schließlich ein farblosbeiger junger Mann aus der Tür tritt und hineinbittet. Auch hier wieder der Klapptresen, darauf ein hoheitlich aussehendes Dokument mit einem zu zahlenden Endbetrag, den man freudig entrichtet, draußen dann dieser Time-Tunnel-Effekt - kein Wunder, dass man falsch abbiegt, es sollen schon Leute ihr Zieljahrzehnt verpasst haben!

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Freitag, 8. Juli 2011
Immer Winter
nnier | 08. Juli 2011 | Topic In echt
Schokolade
Vanille
Erdbeer
Nuss
Zitrone
Banane
Himbeer

Kugel 50 Pf. / Spaghetti-Eis 2,50 DM




"Wie - du willst kein Eis!?" Mein Opa war fassungslos, aber ich war tatsächlich nie so scharf auf diese Kaltspeise wie offensichtlich alle anderen Menschen. Manchmal wurde ich ins Eiscafé eingeladen, dann bestellte ich freudig Bananen-Split oder den Nussbecher, musste am Ende aber regelmäßig kämpfen, um die fiese Soße aus geschmolzenem Eis und dem hineingerührten Berg Sahne noch irgendwie herunterzubekommen. Und während an den anderen Tischen unfassbare Mengen bunter Eisspeisen vertilgt wurden, freute ich mich am meisten über die kleinen Papierschirmchen.



Natürlich war ich ein dünner Hering, der am liebsten Gurkensalat aß und viele "gehaltvolle" Speisen nicht mochte. Aber dass ich nun auch noch das angebotene Eis verschmähte, konnte er nicht begreifen, und überhaupt, dass ich immer so viel renne!, ich solle doch mal langsamer gehen, damit es mal ein wenig ansetzen kann.



Ich hatte dabei nie etwas gegen ein kleines Mini-Milk einzuwenden, auch ein Nogger oder Domino lasse ich mir zweimal im Jahr gefallen, aber schon die vielgepriesenen Ich und mein Magnums schlugen mir nicht nur der Reklame wegen auf den Magen - dieses "Ich regrediere mit dem asexuellen Partner auf dem Sofa herum und lutsche ein fettes Eis" war ja unerträglich -, sondern auch die ekelhaft süße Bourbonvanille war mir deutlich zu penetrant und wurde durch die halbe Tafel Schokolade, die man gezwungenermaßen in Form der viel zu dicken Hülle mitessen musste, geradezu widerlich. Wohl auch deshalb wirkt die Werbung für eine dieser mörderischen Eissorten, die in 500-Gramm-Bechern angeboten werden, auf mich nichts als abstoßend: "Unser Rezept: Von allem zuviel", steht auf den Plakaten, und ich wende mich mit Grausen. Welches nur noch übertroffen wird, wenn ich die knallbunten, in gefrorene Trägermasse hineingeschredderten Smartie- und sonstigen Perversionen sehe, die beim Burgerbrater das Kalorienerlebnis erst richtig rund machen sollen.



Mein Glück ist, dass ich im Einzugsgebiet einer wirklich hervorragenden Eisdiele lebe. Sie wird, wie es sich gehört, von Italienern betrieben, ist stets gut besucht, man bekommt im Sommer kaum einen Sitzplatz, es gibt locker 30 oder 40 Sorten Eis, die oft aus frischen Zutaten hergestellt werden, und mich muss das alles nicht interessieren, denn ich möchte ja nur eine Waffel auf die Hand, und diese bitte mit Nuss und Schokolade.



Manchmal experimentiere ich ein wenig herum, dann nehme ich statt Nuss auch mal Pistazie - aber fast immer bereue ich es, weiß ich doch, dass nichts über diese beiden Wintersorten geht, denn, so wurde ich einst belehrt, was ich da bestellte, das sei Wintereis, im Sommer könne man doch kein Schokoladeneis essen, da brauche es frische, fruchtige, leichte Sorten wie z.B. Zitrone oder Himbeere.

Ich habe das dann mal probiert, und, sicher, das ist ein schöner, frischer, fruchtiger Geschmack, gerade auch die selbstgemachten Sorten mit frischen Pfirsichen zum Beispiel, die preise ich Besuchern gegenüber stets an, doch selber bestelle ich, da hilft alles nichts, Nuss und Schokolade, und es ist eine Kunst, diese Allerweltssorten so herzustellen, dass sie nicht langweilig schmecken, sondern wertig und voll und zuverlässig und nachhaltig.*



"Spaghetti-Eis, igitt!, Das muss ja ekelhaft schmecken!", empörte sich ein Mitschüler, verzog angewidert das Gesicht und fügte hinzu: "Und dann auch noch so teuer!"

Die Vorstellung, dass er dabei an eine Kugel dachte, die nach kalten Nudeln schmeckt, erfreut mich noch heute. Und das mit dem Ansetzen hat inzwischen geklappt.

(Mit einem Gruß an diese nette Linksammlung)

--
*Was dieses Wort heißen soll, weiß ohnehin niemand, aber es hört sich immer gut an.

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Samstag, 2. Juli 2011
Das endlose Spiel
nnier | 02. Juli 2011 | Topic In echt
Meine Mutter arbeitete mal an einer Schule, und da der Schulhof betoniert war, bat sie den Hausmeister, nahe der Hauswand ein paar kleine Vertiefungen einzulassen, damit die Kinder dort mit Murmeln spielen konnten. Der Hausmeister fertigte kleine, feine Zementlöcher, sie verteilte ein paar Kugeln und die Schulkinder konnten drauflosspielen.



Früher, so erzählen meine Eltern, war es einfach das Kinderspiel, ich höre dann von Schussern und Klickern, von Tonern und Glasern und wie man sich gegenseitig die Murmeln abluchste. Zwar war das bei mir selber und meinen Freunden schon weniger der Fall - wir bauten eher Murmelbahnen, als die Kugeln um die Wette in kleine Löcher zu stupsen - aber dass man im Kinderzimmer eine Ladung Murmeln hatte, war gar keine Frage.

Seit einigen Monaten ist das Murmelfieber ausgebrochen. Ein liebes Kind kam nach den Osterferien von den Großeltern zurück und brachte ein paar handgefertigte und prall gefüllte Murmelsäckchen mit. Dazu gab es eine kleine Edelstahlpflanzschaufel, mit der sich ganz hervorragend faustgroße Löcher stechen lassen. Seither wird gespielt.



Ja, ja, werden Sie sagen, diese armen Kinder, müssen Beatles hören und kriegen nur alte Comics vor die Nase plus genau diejenigen Kinderbücher, die der nnier selber gut fand, am Ende "dürfen" sie noch Kimba gucken oder Timm Thaler, und jetzt müssen sie mit Murmeln spielen.

Wer wäre ich, Ihnen da zu widersprechen?

Man steckt doch selber viel zu tief drin, man kann sich ja durchanalysieren bis dorthinaus, trotzdem hat man seine blinden Flecken, und wenn man noch so oft betont, bitte, du darfst gerne moderne Drecksmusik hören, du darfst gerne so ein abgefackter Medienjunkie werden, mach nur, was du selber willst, wenn man also stets deutlich macht, dass das bloß unverbindliche Vorschläge sind - wer weiß schon, welche subtilen Signale man dennoch ganz unbewusst vermittelt, und der Papa ist ganz traurig, wenn du mit dem Nintendo spielst, also ich spiele ja viel lieber Spiele ohne Sieger aus unregelmäßig geformtem Naturholz, aber das ist deine Entscheidung, du musst das freiwillig selber wollen, ich will mich da gar nicht einmischen.



Es ist bloß - das liebe Kind hat auch an seine Freundinnen ein paar kleine Murmelsäckchen verschenkt, Nachbarskinder mit eigenen Murmeln gibt es auch, und seither trifft man sich im Garten und buddelt Löcher und läuft mit seinem Murmelsäckchen herum und holt den alten Setzkasten aus dem Keller und sortiert Klicker hin und sortiert Schusser her und sucht die Schränke nach den alten Knickern aus dem Kindergarten ab und wünscht sich Marmeln zu Weihnachten (jetzt schon) und tauscht Marbeln mit anderen Kindern und dreht die Kugeln zwischen den Fingern und erzählt beim Abendessen von dieser einen ganz besonderen, die das eine Kind hatte und die man erst gewonnen und dann an ein anderes Kind wieder verloren hat.



Im Stadtteilspielzeuggeschäft gab es keine, was ich gar nicht glauben konnte, im Billigladen immerhin diese Standardmurmeln und im hippen Szeneshop schöne einzelne, die man aber in Gold aufwiegen muss. Ich bestellte, damit es sich lohnt, übers Internet einen ganzen Karton voll, da sind echt coole dabei! Und wenn ich gefragt werde, was ich damit will: Ich habe da schon so eine Idee.

[Video nicht mehr auffindbar]

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Freitag, 1. Juli 2011
Am Anfang der Kultur war die Scham
nnier | 01. Juli 2011 | Topic In echt
Sein Spitzname war Bullet, und er hatte diese extrem dicken Brillengläser. Während der Fahrt erzählte er mir pausenlos ganz wichtige Dinge, bremste zwischendurch hart und stets im letzten Moment, fuhr dann quietschend wieder an.

Ich hatte damals noch gute Nerven und persönlich nichts gegen Bullet, über den ansonsten in der Dienststelle nicht nur heimlich gelacht wurde. Trotzdem freute ich mich darauf, die tägliche Tour bald mit einem Freund absolvieren zu können, und während eines nachmittags die obligatorische Folge Happy Days lief und wir im Aufenthaltsraum herumgammelten, sprach ich: Hoffentlich fängt K. bald hier an!

Hinterher meinte ich, ich hätte das untergründige Grinsen bemerken müssen, mit dem ich von einem Kollegen gefragt wurde: Warum denn!? Aber der Mund war schneller als das Hirn, und so antwortete ich: Damit ich nicht mehr mit Bullet fahren muss. Erst dann drehte ich mich um.

In den Tagen danach fragte er stets, ob es in Ordnung sei, dass wir zusammen führen, und meine Beteuerungen, natürlich, es sei mir eine große Freude, mit ihm zu fahren, kamen vermutlich nicht so richtig glaubwürdig rüber.

~

Der Tisch war reich gedeckt, die Großeltern zu Besuch, ein Tellerchen mit sauren Gurken stand herum, davon nahm ich eine und freute mich auf die knackige Frische. Statt dessen biss ich in etwas Weiches, Geschmacksfreies, und fragte entsetzt: Wo kommen die denn her? Wo habt ihr denn die gekauft?, und bevor ich die Antwort abwartete, hinterher meinte ich, ich hätte die alarmierten Gesichter meiner Eltern bemerken müssen, verkündete ich: Die schmecken ja gar nicht, die sind ja total labberig.

Meine Beteuerungen, dass die eigentlich doch total toll schmeckten, hmm!, gib mir noch eine!, kamen vermutlich nicht so richtig glaubwürdig rüber.

~

Da hatte die Nachbarin die Idee gehabt, ihrem Mann eine große Überraschung zu bereiten, er beging einen runden Geburtstag und sie hatte heimlich zig Personen aus ganz Deutschland eingeladen. Ich wurde in die Organisation eingebunden, sie gingen für zwei Stunden in ein Restaurant, das war alles gut eingefädelt, und ich sollte dabei helfen, die eintreffenden Menschen ins Haus zu lassen und in das Obergeschoss zu geleiten, wo alles aufwendig geschmückt werde sollte und dann, bei der Rückkehr, Ta-taa, Riesenüberraschung!

Der Raum hatte sich gut gefüllt, ich sah aus dem Fenster, das Paar kam zurück, ich sorgte für Ruhe und wir hörten die Haustür. Minutenlang herrschte Stille, dann hörte man die Frau: Willst du mal oben gucken, ob da der Wein steht? Nein, sagte er, wozu, der steht hier unten. Mhm, sprach sie, während man sich im Obergeschoss verschwörerisch anschmunzelte, aber sind oben die Gläser? Man meinte, das Stirnrunzeln zu hören, als er antwortete: Klar sind da die Gläser, und man meinte auch langsam, ihre Verzweiflung zu hören, als sie sagte: Sieh doch bitte trotzdem nach. Er hatte gerade den ersten Schritt auf der Treppe nach oben getan, als sie, getrieben wohl von der Befürchtung, das würde alles nichts mehr werden, rief: Zieh dir doch mal schönere Socken an, ich habe dir oben welche hingelegt!

Man hörte, wie er sich auf der Treppe umdrehte und sagte: Was soll ich?, und sie rief: Geh doch endlich hoch, und ich wusste, dass er jetzt nicht hochgehen würde, kein Mann hätte das getan, und ich wusste, dass jetzt für ihn der Moment gekommen war, um mal klarzustellen, wer hier für wessen Socken zuständig war, und ich sah, wie aus den schmunzelnden Gesichtern da oben ziemlich angestrengte geworden waren.

JETZT HABE ICH ABER DIE SCHNAUZE VOLL! WAS SOLL DENN DIESES GEREDE! GLAUBST DU, ICH KANN NICHT SELBER FÜR MEINE SOCKEN SORGEN! IRGENDWANN REICHT'S! UND ÜBRIGENS! ICH MUSS PISSEN! UND DANN WILL ICH NUR NOCH MEINE RUHE HABEN! UND WENN IRGEND JEMAND ANRUFT: DIE KÖNNEN MICH MAL! KEINE SAU HAT ANGERUFEN, KEINER HAT GRATULIERT, DEN GANZEN TAG, SCHÖNE FREUNDE!, UND JETZT KÖNNEN SIE MICH ALLE MAL! ALLE! (Lautes Furzen) ICH BIN SOGAR FROH, DASS DIE NICHT ANGERUFEN HABEN! UND DASS KEINER HIER VORBEIGEKOMMEN IST! WENN DER A. AUS B HIER NOCH ANGEKOMMEN WÄRE MIT SEINER ÄTZENDEN TUSSI - UND DANN WIEDER STUNDENLANG DIESES NERVIGE GELABER! DA SETZE ICH MICH DOCH LIEBER VOR DEN FERNSEHER!, so stellte ich mir das vor, da riefen wir mal lieber schnell: Überraschung!

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