Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Mittwoch, 13. April 2011
De-Branding mit Lutscher Frings
nnier | 13. April 2011 | Topic In echt
Derzeit sind mattschwarze Fahrräder offenbar der letzte Schrei. Nicht nur, dass die Fahrradläden voll davon sind - auch junge Damen, die eben noch auf einem knallbunten Kinderrad mit Quietsch­dinosaurier­hupe unterwegs waren, werden plötzlich reihenweise mit solch edlen Gefährten ausgestattet. Ich war deshalb durchaus erfreut über die gelebte Farbtoleranz der neuen Besitzerin, als ich das frisch erstandene, leicht abgeschabte, technisch aber sehr gute Tochterfahrrad in den Farben der Saison 1994/95 (geschätzt) vorstellte: Blankpoliert und mit einem schicken, neuen Korb versehen wurde das gute Stück mit fröhlichem Grinsen auf der Straße hin- und hergefahren, und eine ganz im Inneren befürchtete, nein, nicht wirklich befürchtete, aber doch als theoretische Möglichkeit nicht gänzlich ausgeschlossene Vorpubertätsreaktion ("Igitt! Du glaubst doch nicht, dass ich mich auf sowas draufsetze!") unterblieb komplett - "Cooles Fahrrad!", wurde ich stattdessen angestrahlt und schloss diesen Moment wie so viele fest in meinem Herzen ein.



Das Quietschen der V-Brakes ist allerdings noch ein Thema, ich weiß einfach nicht, woran es liegt und wie man es abstellt - und dann kam das liebe Kind an und sagte: Aber diese grellen Aufkleber, die gefallen mir nicht. "Die mache ich dir ab, kein Problem!", versprach ich leichtfertig, innerlich erfreut zudem über solche Indifferenz gegenüber Markenemblemen - und hatte dann richtig lange etwas davon.

Wollen wir mal eine kleine Runde drehen mit unseren neuen Fahrrädern?, fragte ich gelegentlich, und die prompte Gegenfrage lautete stets: Hast du denn schon diese Kleber abgemacht?

Leider musste ich schnell feststellen, dass es sich nicht um profane Kleber handelte, sondern um etwas, das mit dem Lack eine praktisch untrennbare Verbindung eingegangen ist, sei es als gewolltes Funktionsprinzip, sei es aufgrund komplexer, alterungs­bedingter chemisch-physikalischer Vorgänge im Laufe eines langen Fahrradlebens, jedenfalls ließ sich nichts auch nur annähernd entfernen, so dass ich mit der zweitbesten Lösung aufwartete: Wir besorgen schöne Aufkleber, die kleben wir drüber. "Kann man da nicht so lila drübersprühen?", wurde ich gefragt, nein, antwortete ich, das hält auf diesen Etiketten nicht, aber ich besorge so Aufkleber, und im Hinterkopf hatte ich schon etwas Silbernes oder notfalls Weißes, auf dem in großen Buchstaben der Name des örtlichen Bundesligavereins steht, man sieht so etwas doch dauernd auf Stoßstangen von Autos, oder so Dekostreifen wie an manchen Ford Capris oder Opel Mantas, da werden wir schon was Schönes finden, meinte ich und fuhr los.



Fahrradladen: Nein. Baumarkt: Nein. Sonderpostenmarkt: Nein. Bundesliga-Fanshop: Nein. Warenhaus: Nein. Ein-Euro-Shop: Nein. Sportgeschäft: Nein.

Die Zeit der Autoaufkleber ist definitiv vorbei, lernte ich, und rautenförmige Embleme von Fußballvereinen gibt es natürlich, lernte ich, aber keine langen und schmalen Banner, und von DC Fix und Isolierband wurde geredet, und die Tatsache, dass ich zwischendurch eine ganze Zeit lang direkt hinter Torsten Frings hergegangen bin, der mit Blondine, Modehund, riesiger Sonnenbrille und L'Uomo-Tragetasche ebenfalls durch die innenstädtische Passage schlenderte, half auch nicht direkt weiter - und doch war es in diesen Minuten, dass ich beschloss, es drauf ankommen zu lassen: Heißluft und Schaber, das wäre doch gelacht!



Wer föhnt sich da denn mitten am Sonntagnachmittag im Garten die Haare, stundenlang, frug man sich in der Nachbarschaft, und es war nicht Torsten Frings, sondern ich, der ich mit einem alten Küchenmesser und diesem kleinen Reise­haartrockner das dunkelviolette Zweirad massakrierte. In winzigen Krümeln ließen sich die Embleme nach und nach wegraspeln, doch war die Operationsmethode alles andere als minimalinvasiv: Es wurde in spanabhebendem Verfahren gearbeitet, trotz größter Mühe kerbte ich eine Schacke nach der anderen in den Lack, zog einen linken Gummihandschuh über die rechte Hand, träufelte Lösemittel auf ein altes Tuch und rubbelte die verschmierten Klebereste weg.



Das Ergebnis ist durchwachsen, die störenden Embleme immerhin sind weg, und ein wenig abgeschabt war das Rad ja ohnehin. Und vielleicht kann man da ja doch noch so lila drübersprühen.

Link zu diesem Beitrag (21 Kommentare)  | Kommentieren [?]   





Dienstag, 12. April 2011
Macht alle mit!
nnier | 12. April 2011 | Topic Gelesn


Und ... hualp!

Link zu diesem Beitrag (17 Kommentare)  | Kommentieren [?]   





Montag, 11. April 2011
Mein grüner Daumen
nnier | 11. April 2011 | Topic In echt


Nun gibt es ja diese ganz verschiedenen Ausführungen der Drückdinger an Fußgänger- und Radfahrer­ampeln. Gelb sind sie fast alle, dann geht's aber auch schon los: Manche sind gar keine Drückdinger, sondern hängen nur so da rum, man weiß nicht, ob sie akustische Signale von sich geben sollen, ich kenne da so ein Knacken und so ein Summen und so ein Piepen, oder ob sie nur auf Vorrat angebracht wurden, for future use. Dann gibt es diese richtig tollen, die einen spürbaren Druckpunkt haben, man merkt also: Diesen Knopf habe ich betätigt, nun muss ich nur noch warten. Weiterhin diverse Modelle mit optischem Feedback - ein rotes Lämpchen blinkt, ein Schriftzug ("Signal kommt!") erscheint, auch diese vermitteln das beruhigende Gefühl, dass man seinen Teil getan hat und jetzt nur noch warten muss. Und es gibt die Variante ohne jede Rückmeldung, kein Klicken, kein Wippen, kein Blinken, nichts - diese Ausführung trifft man am häufigsten an, und es sind die Momente, in denen der rational-aufgeklärte Mensch hinter den abergläubischen zurücktritt, ja treten muss: Man muss an die Beseeltheit der Dinge glauben und ganz fest überzeugt sein, dass eine Berührung dieses magischen Gegenstandes die Zukunft zu beeinflussen vermag - habe ich, so zweifelt man doch gelegentlich, nun durch mein Handauflegen vor zwei Minuten die Ampel zum Umspringen verleitet oder wäre dies ohnehin der Gang der Dinge gewesen? Hat die göttliche Instanz überhaupt Notiz genommen von meinem stummen Appell oder walten hier ganz andere, von mir nicht zu beein­flussende Kräfte? Dreht sich das Räderwerk ganz ohne mein Zutun, ja, ohne von mir überhaupt Notiz zu nehmen, stur weiter - oder trägt mein geringer Impuls, der Schlag meines Schmetterlings­flügels, mein Pinkeln in die Niagarafälle irgendetwas zum Weltgeschehen bei?



Zur Arbeit kann ich zwei Wege nehmen, einen schöneren und einen kürzeren, und beim schöneren stehe ich minutenlang vor dieser Ampel, die einfach nicht reagiert, nicht auf Handauflegen und nicht auf Faustschläge, so denkt zumindest der unerfahrene Mensch, ich aber weiß: Man muss drücken. Und man muss lange warten. Drückt man nämlich nicht, muss man noch länger warten. Es kann sich niemand vorstellen, aber es ist so - man muss sich in Geduld üben und kann trotzdem Einfluss nehmen. Begrenzten, vermittelten Einfluss - solches sind wohl die Frustrationen, die der moderne Mensch in der modernen Parteien­demokratie aushalten muss.



Beim kürzeren Weg muss ich über eine Ampel, an der immer, und ich meine: immer, ein ganzer Pulk Menschen wartet. Auf beiden Seiten der Straße. Ich sehe die resignierten Gesichter, ich sehe die scharrenden Füße, ich höre die Flüche und das ungläubige, heisere Lachen, wenn die Fußgängerampel einfach nicht grün werden will - und ich sehe das gelbe Drückding, über dem die rote Schrift nicht blinkt, es ist mir ein Rätsel, täglich aufs Neue, und ich trete gemütlich heran und drücke ganz einfach drauf und es blinkt kurz und die Ampel wird grün. Die Leute hetzen los, erleichtert aufatmend, und keiner von ihnen hat je gedrückt und keiner von ihnen hat mich je bemerkt, sie alle starren ja nur verzweifelt auf die immerrote Ampel, und niemand weiß von meinem magischen Finger.

Link zu diesem Beitrag (17 Kommentare)  | Kommentieren [?]   





Freitag, 8. April 2011
Endlich: Unbekannte Grundkraft der Natur entdeckt!
nnier | 08. April 2011 | Topic Gelesn
Wie ja jeder weiß, sind starke und schwache Kernkraft, Gravitation und Elektromagnetismus die Dinge, die unsere Welt im Innersten zusammenhalten. Dennoch könnte die jetzt entdeckte Grundkraft No. 5 (mir kam es ja immer verdächtig vor, dass das nur vier Grundkräfte sein sollen - vier, ich meine: das ist doch vergleichsweise wenig, so als Grundkraftanzahl, sage ich noch so zu meinem Nachbarn, wie er die Treppe runterkommt mit seinem Mülleimer, ich sage: Fünf, das wär' mal 'ne relle Anzahl an Grundkräften der Natur, sag ich, mir dünkt, da kommt noch was!, sag ich, oder wie siehst du das, sag ich, meint er bloß: Ach, weiß nicht, meint er, vier, fünf, sagt er, was ist da schon der Unterschied, meint er, und dass er, solange das von der Elementar­teilchen­physik vorhergesagte Higgs-Boson nicht gefunden werde, schlicht nicht mehr bereit sei, sein Weltbild immer wieder in Frage zu stellen) einige bis dato nicht vollständig verstandene Phänomene erklären, darunter

- Warum das Brot immer auf die Butterseite fällt
- Warum das Bier in der DDR 51 (sic!) Pfg. gekostet hat
- Wie Franz Müntefering das "R" ausspricht
- Und dann noch diese eine Sache, die ich dauernd vergesse

Link zu diesem Beitrag (5 Kommentare)  | Kommentieren [?]   





Donnerstag, 7. April 2011
5 Per Cent For Nothing
nnier | 07. April 2011 | Topic In echt
Ich hatte auch diese nervösen Jahre, ließ Reifen radieren und setzte Fahrzeuge gegen Hindernisse, probierte Fliehkräfte und die Trägheit der Masse, fuhr dicht auf und bremste oft rechtzeitig, doch all das ist längst passé.

Es mag daran liegen, dass sich mit 75 PS und guten anderthalb Tonnen Leergewicht keine Ampelrennen gewinnen lassen, aber gerade unter solchen Bedingungen neigt der jüngere Mensch gerne dazu, jeden Gang bis zum Anschlag hochzureißen, der Motor heult, die Schaltung knallt, und sicher lassen sich solchermaßen bei kontinuierlichem Kolonnen­gehüpfe auch ein paar Sekunden Zeit einsparen - außer wenn's nicht klappt - bloß, was macht man dann eigentlich mit den gesparten Sekunden?

Irgendwas hat sich da ganz deutlich verändert, und manchmal muss ich an die Jahre der Kleintransporter zurückdenken, als ein Freund nachts spaßeshalber mal mitfuhr und am nächsten Morgen sprach: Du dürftest dir niemals selbst entgegen­kommen.

Es macht mir nicht im Geringsten etwas aus, mit einer Durchschnitts­geschwin­digkeit von unter 100 km/h die lange Strecke bis hinter die Alpen zu tuckern. Fahre ich zu einem Auswärtsspiel hinter den eiligen Menschen her, dann fragen diese entgeistert bei der Ankunft: Ist was mit deinem Auto? Nein, sage ich, das ist kein über­motorisierter Blechfloh, sondern ein behäbiges und gutmütiges Nutzfahrzeug, das überdies mit einer halben Mädchen­mannschaft - und ist auch egal, jedenfalls habe ich keine Lust, das Gaspedal bis zum Boden durchzutreten, nur um vielleicht noch 5 km/h rauszuholen, ich schwimme lieber im Verkehr mit und bleibe entspannt, was auch ganz gut gelingt, wenn mich niemand hetzt oder dauernd fragt, ob was mit meinem Auto ist.

Ich erschrecke dann und wann, wenn ich mal in einem kleinen PKW sitze: Kaum tritt man ein wenig aufs Gas, schon wird man tief in den Sitz gedrückt, aber ich gewöhne mich flugs und übertrage meine gemütliche Saugdieselfahrweise, halte Abstand, lasse rollen, schalte früh hoch, und wenn dann einer ankommt wg. Spritspartraining und sagt, fahren Sie mal, dann fahre ich zwanzig Minuten durch die Stadt, plaudere mit dem Spritspar­trainer aus Neuwied, das nicht, wie von mir vermutet, "bei Frankfurt", sondern bei Koblenz liegt, aber, gut, man kann das gerade noch so gelten lassen, so wie Bremen "bei Hamburg" ist, nicht wahr, und man plaudert über Städte und Baufahrzeuge und das Institut der Ehe, über die verschiedenen Menschen­schläge da und dort, und der Rundkurs ist beendet, schaunmer mal auf den Bordcomputer: 4,2 Liter - damit sinse Spitzenreiter, was soll ich da noch beibringen, gut, fahrmer wieder, und die gleiche Runde noch mal, ich lerne, dass man den Motor immer ausmachen soll, sobald man steht - etwas, wovor ich in der Tat zurückschrecke - und lande also, sehnse, fünf Prozent waren noch drin, bei 4,0 Liter, was übrigens nicht der beste Wert nach dem Training ist, aber ich hatte mir ja, Stichwort: Reaktanz, eigentlich auch vorgenommen, nach dem Training mehr zu verbrauchen als vorher, bloß dann war der Mann aus Neuwied so nett, und wenn man doch mal ein paar Sekunden Zeit gespart hat, kann man sich dieses Lied anhören und über den Kommentar "I lost my virginity to this song" freuen.

Link zu diesem Beitrag (12 Kommentare)  | Kommentieren [?]   





... hier geht's zu den --> älteren Einträgen *
* Ausgereift und gut abgehangen, blättern Sie zurück!

Letzte Kommentare
Kalender
August 2025
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 
 
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
 
 
Über
Who dis?
Erstgespräch