Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Freitag, 29. August 2008
Robert Crumb
nnier | 29. August 2008 | Topic Art
"Ach, Fritz the Cat!", rufen die Leute und verwechseln den Kiffkater dann noch mit Felix oder Garfield. Dann bereut man wieder, den bereits 1972 an einem Eispickel Verstorbenen überhaupt erwähnt zu haben. Es sind ja ganz lustige Geschichtchen; aber doch so ziemlich gar nichts gegen das, was der Mann eigentlich kann.

Was natürlich schon durchkommt in den Fritz-Geschichten, die ja einige Jahre vor Crumbs Durchbruch mit den Underground-Comics (Zap 1 erschien 1968) entstanden sind, ist seine große Ambivalenz. Fritz ist eben nicht nur der lustige Hippie-Kiffer, sondern auch ein ausgemachtes Arschloch, es gibt da z.B. eine reichlich verstörende Szene, in der er sich auf einer Party an einer Vergewaltigung beteiligt. So etwas hätte es bei den Freak Brothers nicht gegeben. Und als dann Jahre später Ralph Bakshi seinen wirklich nicht guten Fritz-the-Cat-Film fabrizierte, fand Crumb das Resultat so schrecklich, dass er seinen Namen aus den Credits entfernen ließ und den Kater in einem letzten Comic als unsympathischen, vom Erfolg korrumpierten Filmstar zeigte, der dann eben zum Schluss von der Straußendame um die Ecke gebracht wird.



Nicht unsympathisch, so etwas, schließlich hätte Fritz, wie Robert Gernhardt einst schrieb, dem Künstler "bei entsprechender Pflege den Lebensabend vergoldet".

Statt dessen schlug sich Crumb in den 70ern ausgebrannt und pleite mit den amerikanischen Steuerbehörden herum und bot sogar einmal seine gesamte Habe zum Preis von 30 000 Dollar zum Verkauf (so hoch waren zu dem Zeitpunkt seine Schulden). Denn obwohl seine Comics wie Mr. Natural, Zap usw. hunderttausendfach nachgedruckt und einzelne Zeichnungen (speziell Keep on Truckin') auf alle möglichen Produkte aufgedruckt worden waren, hatte Crumb sich um Finanzen und Urheberrechte nie gekümmert.

Es ist deshalb nicht hoch genug einzuschätzen, dass er sich nicht spätestens nach dieser Erfahrung aufs Absichern und Geldscheffeln verlegt hat. Ein paar lustige "Fritz"-Geschichtchen hier, der typische Lizenzramsch da, so hätte sich's bequem auskommen lassen. Statt dessen produziert Crumb in den 80ern seine künstlerisch stärksten, kommerziell aber zunächst wenig erfolgreichen Werke. Man kann es einfach nicht fassen, wenn man einen Stapel Weirdo in die Hand nimmt oder die entsprechenden Jahre aus der sowieso unverzichtbaren Reihe Complete Crumb Comics durchblättert. Das ist nicht nur zeichnerisch vom Allerfeinsten. Es ist die Hinwendung zum Autobiografischen, Introspektiven (wie z.B. My Troubles With Women), die sein Werk auf eine völlig neue Ebene hebt. Mal davon abgesehen, dass er auch noch Passagen aus der Psychopathia Sexualis aufs Allerschönste zeichnerisch umsetzt, sich mit Schriftsteller- (The Religious Experience of Philip K. Dick) und Musikerbiografien (Jelly Roll Morton's Voodoo Curse) beschäftigt und überhaupt noch ganz viele großartige Comics zeichnet.

Genau in dieser Zeit lernte ich übrigens Crumbs Sachen erst kennen, denn ich bestellte mir beim Zweitausendeins-Versand das schön gemachte Buch Endzeit-Comics, in dem viele der genannten Werke aus der ersten Hälfte der 80er versammelt sind.

Obwohl er auf diesem hohen Niveau weitermachte, dauerte es noch viele Jahre, bis ihm ab 1994/95 (als der Film Crumb in die Kinos kam) wieder mehr Aufmerksamkeit zuteil wurde.



Inzwischen war er schon aus Amerika nach Südfrankreich gezogen, wo er heute noch lebt. Und auch wenn die öffentliche Aufmerksamkeit seit dem Film wieder gesunken ist, die Preise für seine Originale sind es nicht. Sie haben schwindelnde Höhen erreicht, Crumb wird als Künstler geschätzt, Museen stellen seine Werke aus.

Derzeit arbeitet er an einer Umsetzung des ersten Buchs des Alten Testaments (R. Crumb's Book of Genesis), auf die ich sehr gespannt bin.

Und auch wenn ich in den letzten Jahren seltener ins Regal greife, auch wenn die verrückten Sammeljahre, in denen ich auch noch die schwedische Ausgabe von X und die seltene Erstauflage von Y kaufen "musste", zum Glück hinter mir liegen: Crumb ist und bleibt für mich ein Riese. Morgen wird er 65 Jahre alt.

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Freitag, 29. August 2008
Prima
nnier | 29. August 2008 | Topic Gelesn
Joachim
Max
Georg
Franz
Adalbert
Chlodwig
Roland
Nick
Otto

Nee, wirklich, ist doch wahr!

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Dienstag, 26. August 2008
Joschka ist moderator, clinton hielt impulsreferat
nnier | 26. August 2008 | Topic Sprak
@schwanzgesicht weis nicht ungefähr 1 Stunden ago from TwitterBerry
Schreibt vom Joschka und vom Barack und von der Michelle un so ungefähr 1 Stunden ago from TwitterBerry
@schwanzgesicht Tippt drei wort sätze in sein blackberry ungefähr 1 Stunden ago from TwitterBerry
Beim parteitag vom obama ungefähr 1 Stunden ago from TwitterBerry
Ist in america ungefähr 1 Stunden ago from TwitterBerry
@schwanzgesicht der ist spd general sekretär ungefähr 2 Stunden ago from TwitterBerry
Geht um hubertus heil der twittert ungefähr 2 Stunden ago from TwitterBerry
@butterbrot Hatte gerade spiegel artikel gelesen ungefähr 2 Stunden ago from TwitterBerry
Geht schon wieder besser jetz is raus he he ungefähr 2 Stunden ago from TwitterBerry
Muss mal kurz kotzen, hualp, he he ungefähr 3 Stunden ago from TwitterBerry



[Wer nicht versteht, worum es hier geht, lese dies und schaue dann hier.]

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Montag, 25. August 2008
China D
nnier | 25. August 2008 | Topic In echt
Hiermit erlaube ich das mein Sohn A. Knallkörper kaufen darf.
I.B.
Als ich fünf war und wir in einem großen Mietshaus wohnten, sah ich eines Tages aus dem Fenster in den Hof, um nachzusehen, ob dort jemand zum Spielen wäre. Es gab in dem Haus je Etage zwei Wohnungen. Ganz oben unter dem Dach lebte eine alte Frau, die wir Kinder gerne besuchten und die uns dann manchmal Schallplatten hören ließ, Peter und der Wolf z.B. ("der Erzähler heißt Mathias Wieman, merkt euch das!"), Plätzchen servierte und die künftige Schullaufbahn prognostizierte ("Ihr kommt aufs Gymnasium. Die beiden Jungs von unten kommen auf die Realschule").

Es war ein großes, massives Haus mit einem "Steingarten", den man nicht betreten durfte, und wenn einem der Ball beim Spielen doch mal hineinflog und man ihn holen musste, sah garantiert die Vermieterin aus dem Fenster und schimpfte. Zum Spielen hatten wir den "normalen" Garten, in dem neben einem riesigen Kastanienbaum auch eine Art Köhlerhütte stand. Daran schloss sich der "Hof" an, eine lange Einfahrt führte von der Straße auf diesen geteerten Platz vor den Garagen. Und aus einer solchen Garage hörte ich an jenem Tag ein lautes Knallen, das mich neugierig machte, so dass ich mir meine gelben Gummistiefel anzog und hinunterrannte.

In einer offenen Garage sah ich einen der "Jungs von unten", S., Sohn der Vermieter. Er schlug mit einem Hammer auf den Boden und es knallte. Als ich ihn ansprach ("Was machst'n du da?"), sah er kaum auf und antwortete: "Das sind Zündplättchen". Er schlug noch einige Male, bis ich auch mal durfte. Was für ein Erlebnis! Es knallte, funkte und: Der Geruch! Ich war hingerissen.

Zündplättchen gab es damals in drei Ausführungen: Die teuren Plastikringe ("Zündringe"), die man in die sich tatsächlich drehende Trommel einer hochwertigen Spielzeugpistole einsetze. Die langen, rosaroten, aufgerollten Streifen mit je 50 (oder 100?) Schuss, die man für die einfacheren Spielzeugpistolen benötigte und die sich nach und nach oben aus der Pistole herausschoben. Und eine abgewandelte Form derselben, kleine runde Pappschächtelchen, die 50 (oder 100?) einzelne runde Zündplättchen enthielten. Eine solche Schachtel musste ich unbedingt haben.

"Die gibt's in der Elbinger Straße", erfuhr ich von S., der mich dann auch zu dem Laden führte und mir das Regal mit den Zündplättchen zeigte. Daneben hingen Spielzeugpistolen aller Art, und in klarer Einschätzung der laufenden Verbrauchskosten beschloss ich sofort, mir keine von den tollen Metallpistolen zu wünschen, für die man eben die teuren Zündringe benötigte, sondern ein Modell, das mit den Zündplättchenrollen bestückt werden konnte.

Bis mir dieser Wunsch erfüllt wurde, vergingen noch einige Wochen, die ich mir mit Hammer und Zündplättchen vertrieb. Dann folgten einige Jahre, in denen ich (in meiner Erinnerung zumindest) pausenlos mit meiner Zündplättchenpistole herumgeballert habe.

Vermutlich hat diese Prägung ihren Teil dazu beigetragen, dass Sylvester für mich immer das Ereignis des Jahres war. Die Feuerwerkskörper! Die laute Knallerei! Der Geruch! Und ich war nicht alleine. Mein Freud A. (wir waren inzwischen umgezogen) teilte meine Begeisterung. Am Tag nach Sylvester liefen wir stundenlang durch den Schnee, um Blindgänger zu suchen, die wir dann auf der Heizung trockneten, um sie draußen irgendwie doch noch zur Explosion zu bringen. (Don't try this at home).

Ein Problem waren natürlich die 51 Wochen, die dann folgten. Nur vom 28. bis zum 31. Dezember konnte man ja Knaller kaufen und musste sich dabei auch noch von den Eltern einschränken lassen (nicht so viele, nicht so gefährliche). Die fantastische Idee meines Freundes, im Geschäft einen zerknickten Zettel vorzuzeigen, auf dem in einer Schrift, die seiner eigenen nicht ganz unähnlich war, die Vollmacht zum Knallerkauf ("Hiermit erlaube ich das mein Sohn ...", s.o.) erteilt wurde, hatte übrigens zur Folge, dass wir dieses Geschäft künftig meiden mussten ("Wenn ich den Zettel deiner Mutter zeige, reißt sie dir den Arsch auf! Kommt nie wieder!").

Erst im fortgeschrittenen jugendlichen Alter war es so weit, dass wir beim Sonderpostenmarkt ganze Großhandelspackungen erstehen und damit einen ausreichenden Jahresvorrat China D anlegen konnten. Wenn es gegen Abend draußen auf der Straße knallte, blickte meine Mutter kurz von der Zeitung auf und sagte: "A. kommt", um dann in Ruhe weiterzulesen. Ich packte einige Knaller in meine Jackentaschen, wir gingen spazieren und suchten nach besonders guten akustischen Bedingungen. Ein enger Innenhof, ein tiefer Brunnenschacht, wir waren immer auf der Suche nach tollen Echos oder ungewöhnlichen Verzerrungen.

Irgendwann fingen wir dann an, mit den Mädchen rumzumachen, aber das war nicht dasselbe. (Anständigen Schluss schreiben)

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Samstag, 23. August 2008
Witzkontext
nnier | 23. August 2008 | Topic 'umor & more
Ich habe gerade einen lustig gemeinten Artikel (oder wie nennt man so was? Kolumne?) eines deutschen und mir unbekannten Comedy-Arbeiters namens Till Hoheneder gelesen. Unter dem Serientitel E-Mail von Till veröffentlicht er im Stern, so lese ich es bei Wikipedia, seit zwei Jahren sein Zeug.

Die Überschrift des besagten Textes lautete: Fortpflanzung für Fortgeschrittene. Es geht um das Thema der leiblichen und/oder adoptierten Kinder prominenter Zeitgenossen.
Leute, mal ganz ehrlich! Madonna ist ja gerade 50 geworden und war etwas angesäuert, weil nicht alle, die sie eingeladen hatte, zu ihrer Party gekommen sind. Ich war ja noch so höflich und habe wenigstens angerufen: "Louise, ich kann nicht kommen, wir sitzen hier gerade so nett mit den Wildecker Herzbuben zusammen und spielen Strip-Poker!"
Schwacher Start, das kann mal vorkommen (er! ruft Madonna an! Nennt sie vertraulich "Louise"! Spielt aber! gerade Strip-Poker! Mit den Wildecker! Herzbuben!)

Dann aber:
Mutti Madonna will ja demnächst wieder "Kinder-Shoppen" in Afrika. [...] Wenn es heißt "Madonna kommt", werden die Waisenkinder in Malawi schnell noch mit ein bisschen Cockpitspray auf Vordermann gebracht.
Das muss man mal kurz auseinandernehmen. Da wird ein komplexes Thema pseudokritisch auf einen bösen Begriff gebracht ("Kinder-Shoppen"), worüber ja wenigstens zu diskutieren wäre (ist es "gut" für das Kind, was sind die Beweggründe der Frau Madonna, geht es mit rechten Dingen zu). Aber direkt danach fällt das Thema in sich zusammen und die Verdinglichung der Kinder, die man (mit gutem Willen) zuerst noch als Kritik verstehen könnte, um eines billigen Witzes ("Cockpitspray") wegen noch viel weiter getrieben.

Anderes Beispiel (es geht um David und Victoria Beckham):
Fragt sich, wie sein Knochen-Mobile mit Sonnenbrille bei dieser Konfektionsgröße überhaupt noch Kinder kriegen will? Böse Zungen behaupten ja, selbst ihre Nasenlöcher wären vom Koksen noch größer als der Geburtskanal. Geschmacklos, da hört es doch auf!
Man könnte viel über das tatsächliche Problem Magersucht sprechen, aber hier kommt der ganz plumpe Biologismus durch: Die hat doch gar kein gebärfähiges Becken! Und die vermeintliche Distanzierung ("Geschmacklos, da hört es doch auf!") ist eben gerade dies nicht.

Ich bin kein Humortheoretiker. Ich weiß auch, dass manch einer dies lesen und sich fragen wird, ob ich zum Lachen in den Keller gehe oder ob ich das nicht alles viel zu "verkopft" betrachte: "Ist doch nur ein Witz!"

Dazu, und ohne Bücherstapel neben mir, folgendes: Es geht mir überhaupt nicht um die Themen an sich. Robert Crumb hat Dinge gezeichnet, die ihm den Vorwurf des Rassismus und Sexismus einbrachten und die ich brillant finde. Und auch die "Selbsthilfegruppe" und andere, erst mal sehr "geschmacklos" daherkommende Stücke von Heinz Strunk, die ich gut finde, könnte man hervorholen und sagen: Hier werden Witze über Behinderte gemacht.

Der Unterschied liegt für mich mal wieder im Kontext. Ja, der nervige Kontext. Es ist ein Unterschied, ob jemand wie Crumb sich selbst als verkorksten, selbstmitleidigen und größenwahnsinnigen Neurotiker hinstellt und damit seinen Rassismus und Sexismus in eine Perspektive setzt, oder ob (wie in dem Beispiel oben) ein bräsig-schulterklopfendes Einverständnis über die "verrückten Promis", die sich gar nicht mehr "natürlich" fortpflanzen, hergestellt werden soll. Auf der einen Seite ist jemand, der sich selbst thematisiert und dabei nicht schont (ja, das kann sehr witzig sein), auf der anderen Seite jemand, der stolz auf seine "Normalität" ist und das Andere diffamiert.

Heinz Strunks Humor kommt aus dem Daseinsschmerz. Da liegt z.B. jemand im Bett, kann nicht mehr auf die Toilette gehen und "dreimal die Woche kommt Schwester Ruth, holt alles raus". Mario Barth füllt die Hallen mit der Geschichte, dass er Kaka gemacht hat und es stank ("kennt ihr doch! Ha ha!"). Das sind so Unterschiede.

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