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Wenn ich ausnahmsweise mal nach Hamburg fahre, verliere ich ja meistens eine Stoßstange, deshalb fuhr ich diesmal ganz besonders vorsichtig um die Ecken. Auf dem Weg aus der Stadt heraus war ich dann richtiggehend happy, heute mal heile durchgekommen zu sein und auch endlich das blaue Autobahnschild zu entdecken, trat also freudig aufs Gaspedal und sah den dunkelgelben Blitz ungefähr in dem Moment, als die Stimme aus dem Navigationscomputer bei dem Wort "beachten" angekommen war, denn die breite Ausfallstraße war aus unerfindlichen Gründen auf 30 km/h beschränkt. Nach kurzem Nachdenken arbeitete ich einen Witz um, den ich 1978 zum ersten Mal in dem Heft 3 X kurz gelacht! gelesen habe, und rammte meiner Beifahrerin den Ellbogen in die Seite: "Warum fahren die HSV-Spieler immer diesen Weg zum Training? Damit sie wenigstens in Flensburg Punkte kriegen, harhar!"
Das anschließende Schweigen zog sich bis auf die A261, wo ich es beendete, indem ich kurz die Geschichte des Hamburger Sportvereins von 1887 e.V. referierte, wobei der eindeutige Schwerpunkt meiner Kenntnisse (wie eigentlich bei allen Themen) in den frühen 80er Jahren lag, Branko Zebec, Ernst Happel, Hrubesch, Magath, Kaltz, und wie es in jenen Jahren in der Schule nur um eine einzige, entscheidende Frage ging: Bist du Bayern oder HSV?
Das alles spielte in einer Zeit, in welcher die Gleichung Bayern=CSU=Strauß=bäh! noch unwidersprochen galt, man brauchte bloß den Hals einzuziehen und "Jo mei!" zu rufen, musste dabei auch nicht im entferntesten das bayerische Idiom treffen, schon konnte man sich vor grölendem Gelächter und auf die Schulter krachenden Händen nicht mehr retten, und das galt gerade auch für die differenzierten und politisch wahnsinnig aufgeklärten Geister in den Kreisen, in denen ich mich bewegte. Es gab also nur eine Möglichkeit für mich - und auch wenn aus Dieter Hoeneß, Paul Breitner und Karl-Heinz Rummenigge inzwischen total verschiedene und dennoch alle gleichermaßen unerträgliche Charaktere geworden sind, auch wenn ich den Verein und seine Protagonisten seit langem nicht mehr leiden kann, so muss ich doch dazu stehen: Damals war ich Bayern. Und es mag daran liegen, dass ich bei den Raufereien zwischen den Bayern- und den HSV-Fans oft genug auf dem Boden lag, daran, dass der grinsend auf mir sitzende HSVer mir aufs Grausamste seine Fingerknöchel zwischen die Rippen grub und einfach nicht aufhörte - ich habe mich später jahrelang am Niedergang des HSV geweidet. Auch dann noch, als ich mich längst nicht mehr für Fußball interessierte, auch dann noch, als mir die Dauererfolge der arroganten Bayern nur noch auf die Nerven gingen, und auch dann noch, als es mich zufällig in eine Stadt verschlagen hatte, die mit diesem Verein eine alberne Fußballfeindschaft pflegt: So ironisch gebrochen ich den Fußball sonst auch sehe (oder gleich ganz ignoriere) - wenn es um die alberne Frage ging, wer "Die Nummer 1 im Norden" sei, konnte ich mir die Freude nicht verkneifen, da war es einfach zu schön, wenn die HSV-Fans am letzten Spieltag im eigenen Stadion das große Banner wieder einrollen mussten, weil ihr Verein doch noch von den Bremern besiegt und damit in der Tabelle überholt wurde.
Längst fuhren wir auf der A1 der Heimat entgegen, meine Stimmung hatte sich ins Nachdenkliche verschoben, die Hamburger, so sagte ich nach einem Räuspern, seien ja an sich auch ganz in Ordnung, man habe ja gerade wieder gesehen, dass die am Samstagnachmittag auch nichts anderes täten als die Bremer, sie seien womöglich, wenn sie bspw. säuerlich-frische Sommeräpfelchen einfach so zum Mitnehmen an die Straße stellten, auch nicht besser oder schlechter als andere Menschen, führte ich an, da wurden im Radio die Ergebnisse des Spieltags verlesen. Der HSV hatte gegen Mönchengladbach 0:1 verloren. "YEAH! YEAH!", schrie es aus mir, und das irritierte die Beifahrerin vermutlich mindestens so wie mich damals die Antwort eines Mitschülers, den ich gefragt hatte: Bist du Bayern oder HSV?
Seine Antwort lautete: Gladbach!
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