Stop the worldHeute war autofreier Sonntag, und deshalb bin ich in die Stadt gefahren, um mir das mal anzusehen. (Ist dieser Einstieg nicht schon mal der Brüller?) Private Sicherheitskräfte standen an den Absperrungen und erklärten ungläubig staunenden Autofahrern, dass sie hier heute leider nicht durchfahren dürften; und so spazierte ich durch die gespenstisch leere, verlassene Innenstadt und bemerkte, dass hier tatsächlich kein einziges Auto fuhr, es war wirklich schön leise, es stank nicht, es war ruhig, es war sehr ruhig, es war praktisch wie tot, mit anderen Worten: es war exakt so, wie es sonntags immer ist.
(Captain Sensible)
Ich weiß ja nicht, wie Sie den gestalten würden, so einen autofreien Sonntag, vermutlich würden Sie so etwas sagen wie: "Damit man etwas davon bemerkt, wie schön es ist, wenn es autofrei ist, kombinieren wir den autofreien mit einem verkaufsoffenen Sonntag, denn schließlich ist es so: Jeder hat jeden Tag die Wahl, aufs Auto zu verzichten, doch spürt er von den positiven Auswirkungen seiner individuellen Tat nur sehr wenig; nötigt man jedoch die Menschen in einem symbolischen Akt zum gleichzeitigen Verzicht, dann ist es denkbar, dass dieser oder jener dadurch erst erkennt, wie angenehm eine Stadt ohne Autoverkehr sein kann - und bing!, verkauft er sein Auto. Ist immerhin möglich." Oder so ähnlich.
Man könnte aber auch sagen: "Was soll das jetzt wieder mit dem Autofreien, das nervt doch nur, muss das wirklich sein - gut, machen wir's halt da, wo's keiner merkt. Also am Sonntag in der Innenstadt, die zwar nur halb so groß ist wie der Friedhof von Chicago, aber doppelt so tot - kleiner Scherz meinerseits."
Du, Winfried, das fällt dann aber vielleicht doch auf, wenn alles so ist wie sonst, und ich hab' da grad so 'ne Idee. Vielleicht wär das was. Auf dem Betriebshof stehen doch die ganzen Fahrradständer rum, genau, diese teuren, die nie benutzt werden. Lass doch die Jungs am Samstag mit dem LKW die Dinger in die Innenstadt fahren, was meinst du?, die sitzen da doch eh nur rum. Vier Leute, der große LKW, lass die das mal machen da am Samstag, da sieht das auch jeder, da kaufen die Leute ja alle ein, da erregt das dann auch richtig Aufmerksamkeit, wenn die da mit dem Laster immer durch die Menge pflügen, und die sagen dann jedem: Ist fürs Klima, und dann freuen sich die Leute.
Ja, sicher, da stellt sonst auch keiner sein Fahrrad ab am Sonntag - was soll man da auch am Sonntag, gehst du etwa am Sonntag in die Innenstadt? Aber sie könnten ihr Fahrrad da abstellen, darum geht's doch. Jedenfalls bis abends um neun, da schick ich dann die Jungs wieder los, die Dinger einsammeln. Komm, lass uns nicht lang reden, so machen wir das, was meinste.
Hach, was hört man den da für einen Lärm. Das klingt ja wie ein Straßenfest mit Autoscootermusik. Lass uns doch mal schauen. Ah, ja, da sind schon die Stände mit den Luftballons und hier das obligatorische Skateboarddingens und da das obligatorische Fahrradbummens. Da geht's um den autofreien Sonntag, deswegen läuft da das Mädchen in dem transparenten Plastikball herum. Diese Musik ist aber wirklich "cool", sie ist bestimmt sogar "hip", so wie die jungen Leute - und auch wir waren ja mal jung - es nun mal mögen, und sie ist so laut, damit jeder merkt: Heute ist autofrei! Da hört man die Musik noch zwei Straßen weiter! Und kein Verkehr übertönt sie! Und wie die Grillen zirpen!
Jetzt geh ich direkt los und entdecke meine Stadt neu. Hier zum Beispiel: Das ist doch wirklich beeindruckend heutzutage, wie sich alles beschleunigt! Heute noch ein Rohbau, und in drei Tagen wird ein Drogeriemarkt darin eröffnet! Du - im Ernst, wenn die alle durcharbeiten, kann das noch klappen, ich hab neulich mit meinem Schwager die Dachpappe vom Doppelcarport an einem einzigen Wochenende komplett ausgetauscht. Blöd wäre hier nur, wenn noch dauernd ein LKW mit Fahrradständern oder so was vorbeifahren würde.
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