Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Sonntag, 18. Januar 2009
Mettwurstgeformte Berge der Weisheit
nnier | 18. Januar 2009 | Topic Sprak
Ischa 'abe Sseitung gäläs unde ische 'abe nixa verstäh.*
Wenn Sie einer von jenen vielen Lehman-Brothers-Ex-Aktionären sind, die seit Oktober eine Stress-Parkour in ungeahntem Ausmaß absolvieren, und sich darüber ärgern, keine Zeitungsseite, keinen Fernsehsender, kein Radioprogramm mehr aufschlagen und einschalten zu können, ohne sich an die gruselige Talfahrt Ihrer Depot-Kurve erinnert zu fühlen, so sei ihnen versprochen: Das inflationäre Stichwort "Finanzkrise" bleibt ihnen hier erspart.
Hä? Parkour, "eine von David Belle begründete Sportart"? Und das machen die Ex-Aktionäre? Und: Wenn ich ein solcher bin, dann sei wem versprochen und erspart?
Weil aber die pekuniären Sachzwänge unangenehm im Schuh drücken, sei zumindest der Ratschlag gestattet, dass die Millionen, die Sie zur Geldmaximierung und damit für die Rückkehr in die bürgerliche Gesellschaft ...
Hä? Sachzwänge pekuniärer Art drücken im Schuh? Mit Millionen kann ich Geld maximieren?
Ja, auch Marcus, der Gymnasiallehrer, dachte vermutlich, dass das Gewinnen einfacher, ja simpler sei, ...
Hä? Wirklich nicht nur einfacher? Sondern sogar simpler?
Stefan Raab, der Übermensch, der sich über uns gewöhnliche Menschen emporhebt, hat sich aus den mettwurstgeformten Bergen der Weisheit hinübergewagt zu uns Sterblichen, ...
Hä? Ein Übermensch hebt sich über andere empor? Die Berge der Weisheit sind aus Mettwurst? Und er, der Übermensch, wagt sich ... ? Mit welchem Risiko?
Wohl geformter Stahlkörper ... losch von einer Feuerwehrleiter mehr brennende Kerzen aus ... präsentierte Raab nebenbei ein neues optisches Sehvergnügen ...der heimliche Sog eines Déjà-Vu-Gefühls, der sich im Studio auszubreiten begann ...
Hä? Der Stahlkörper ist wohl, also: allem Anschein nach, geformt; jemand losch (laschte? lusch?) Kerzen aus; Sehvergnügen gibt's auch in optisch; ein Déjà-Vu-Gefühl hat einen heimlichen Sog, der sich ausbreitet.

?

--
*Ich muss hier ab und zu auch mal wieder Leser vertreiben mit meiner Sprachkrittelei. Nämlich es ist doch quasi klar, was der eigentlich praktisch sagen will! Nur weil er halt eben für die Süddeutsche schreibt, muss er ja nicht gleich jede Metapher mit der Kanone auf dem Dach ist besser als die Hand, ich meine, du weißt schon, "mettwurstgeformt" ist doch gut, weil er halt ebend Metzger ist.

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Das muss gar nicht.
nnier | 18. Januar 2009 | Topic Gelesn
Wahrscheinlich geht es darum, vieles zu kennen und zu lassen, was sich als Erzählkunst etabliert hat, um dann das Erzählen noch einmal zu erfinden, Mündlichkeit und Ausformung in eins setzend, was nur gelingen kann, wenn da eine Kraft ist, die das Kalkül hinter sich lässt zugunsten einer Lust, die wiederum nicht die des Fabulierens ist, sondern eher das Unwägbare wägt und der Virtuosität entsagt. Wer so erzählt, hat alle Vorbehalte in Hingabe und alle Hingabe in Form aufgelöst: und darum ging es mir, und dann erst um all das, was über Edgar und Georg und das Land ihrer Kindheit gesagt werden könnte, doch in den Erzählungen kaum je gesagt wird, denn es gibt dieses Darüber dort nicht, wo der Raum wie seine Menschen immer nur erzählend erst wirklich werden.
Ich habe ein wirklich schönes Buch gelesen. Geschrieben hat es Michael Donhauser, den ich bisher nicht kannte. Zum Glück kann er besser schreiben als über sein Geschriebenes reden, denn, ehrlich gesagt, ich verstehe nicht, was er mit dem sagen will, was in der Umschlagklappe steht und ich hier oben zitiert habe.
Es klingt für mich nach einer vollkommen unnötige Rechtfertigung, nach dem Drang, zu zeigen, dass man seine Form ganz bewusst gewählt habe. Aber warum muss jemand, der in einer klaren, starken, einfachen, am Mündlichen orientierten Sprache Kindheitsgeschichten schreibt, noch betonen, dass er "der Virtuosität" entsage, damit andeuten, dass er ja auch anders etc., und dann umständlich von einem "Darüber" sprechen, das es "dort" nicht gebe, wo etc.? Mir hilft das weder beim Verständnis der Texte noch bringt es mir den Autor näher. Der ja anscheinend auch Lyriker ist, man kann das im Internet nachlesen. Schreiben kann er exzellent, ich habe das Buch kaum weglegen können, und es bringt mir nichts, wenn im Klappentext Wendelin Schmidt-Dengler (als müsse man den kennen) mit den Worten zitiert wird, es handele sich hier um "das poetische Modell schlechthin, um von Kindheit zu erzählen". Mach aller wohl sein, würde Anneliese vielleicht sagen. Ich blättere lieber mal kurz das Buch auf:
Edgars Hände sind klein gewesen und blass, runzlig und an den Rändern schwarz vom Dreck, je ein Striemen hat die Handballen gerötet, unter dem Tisch hat mir Edgar seine Hände gezeigt. Ab dem zweiten Jahr sind wir in der Schule meistens nebeneinander gesessen, wir haben zwischen Tatzen, das sind Stockschläge auf die Hände, und Strafaufgaben wählen dürfen, Edgar hat immer Tatzen gewählt, er hat den Arm ausgestreckt, zuerst den rechten, und die Hand hingehalten. Der Lehrer ist schräg hinter seinem Schreibtisch gesessen, er hat den Stock, einen Haselnussstecken, auf der schmalen Ablage unter der Wandtafel liegen gehabt, er hat sich zurückgelehnt und ihn von dort geholt, dann hat er Edgar zwei Tatzen gegeben, auf die rechte Hand eine und eine auf die linke, nur zwei kurze Wischer habe ich gehört. Edgar ist wieder an seinen Platz neben mir gekommen, er hat sich mit dem Ärmel von seinem Pullover die Augen gerieben, ein paar Mal, dann hat er mir unter der Bank seine Hände gezeigt, und seine feuchten Augen haben gelacht. Ich habe immer die Strafaufgaben geschrieben, ich habe das Strafaufgabenheft unter dem Hausaufgabenheft versteckt und die Hausaufgaben gemacht.
Geht doch!

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