Der Spielmann, der Spielmann ist immer noch nicht daIch habe einen schweren Fehler begangen. Ich war hungrig einkaufen.
Er kümmelt aber noch
Er kümmelt aber noch
An solchen Tagen bekomme ich dann plötzlich Appetit auf Kochkäse. Ich weiß nicht, ob von den jungen Leuten noch jemand Kochkäse kennt. Es geht da in etwa um die Generation Lachsersatz, das ist so rotgefärbtes und total versalzenes zerschreddertes irgendwas-aus-dem-Meer im Glas, sehr ölig, das habe ich zwar recht selten, dann aber immer gerne gegessen. Oder Harzer Käse, auch als "Stinkekäse" bekannt, der wäre ja längst genauso ausgestorben wie Silberzwiebeln, könnte man ihn nicht irgendwie mit 0,1% Fett und solcherlei Argumenten an die Frau bringen, die das dann, weil's "gesund" ist, freudlos herunterwürgt. Nein, wenn schon Harzer Roller oder Olmützer Quargel, also diese Batzen aus Sauermilchkäse, dann bitte nicht mit hellem und bröseligem Kern, sondern mit natürlichem Fettgehalt und durchgereift (nicht zu verwechseln mit verwest und hochexplosiv, das kommt kurz nach dem Durchreifen). Und, ganz wichtig: Mit Kümmel.
Ich weiß ja nicht, was die Leute gegen Kümmel haben. Neulich saß ich bei einer Feier neben Menschen aus Franken, so Nürnbergbambergdiegegend, und die wissen nämlich ganz genau, dass es mit der Brotkultur hier im Norden nicht so weit her ist. Ein annehmbares Sauerteigbrot bekommt man hier kaum, und es schmeckt auch nur frisch gut. Wie anders ist es dort unten im Frankenland! Das weiß ich zufällig selbst. Das Brot schmeckt nach drei Tagen immer noch, und vor allem: Es schmeckt überhaupt nach etwas!
Die Zauberzutat nennt sich Kümmel. Und da staunen die Bremer. Jawohl, ich liebe das Sauerteigbrot mit dieser fantastischen Krume und etwas Kümmel. Diese Brote sind nicht bröselig, haben aber auch nicht die gummiartige Konsistenz, die, wenn das Brot frisch ist, einem das Schneiden verunmöglicht und schon eher nach Brötchen schmeckt, sondern sie sind einfach schnittfest, nicht zu feucht, aber eben auch nach Tagen noch nicht trocken. Wie bitte? Und ob das gut schmeckt! Einfach mit Butter; oder mit Käse; oder mit Wurst; oder mit Schinken; oder mit Quark; oder mit Marmelade (ja, das auch! Ja, mit Kümmel!)
Der Kochkäse ist ein zähflüssiger Sauermilchkäse zum Streichen, den man natürlich nicht in irgendwelchen 20- oder noch geringerprozentigen Varianten kauft, dann kann man's gleich lassen, das ist wie Schwarzwälder Kirsch ohne Sahne und mit Süßstoff. Die 40% sollte man sich schon gönnen und dann einfach so ein kleines, durchsichtiges, flexibles Plastikbehälterchen aus dem Kühlregal nehmen, die sehen so aus, wie sie immer aussahen, wenden sich also bewusst nicht an ein junges Trendpublikum, aber bitte immer darauf achten: Kümmel! Erst mit Kümmel wird die Sache so richtig gut.
Mir war in diesem Einkaufszentrum ("Servus in Österreich! Österreich-Wochen!") schon auf dem Hinweg die zusammengezimmerte pseudoösterreichische Jausenhütte aufgefallen, in deren Auslagen sich neben Würschtln , Leberkäs und diversen fiesen Bergkäsesorten auch trümmergroße Bauernbrote befanden. Obendrauf Kümmel! Innen schon von Textur und Färbung her sehr nahe an dem, was ich gerne mag! Also verzichtete ich auf den gewohnten Kauf des Langweilerbrotes und steuerte die Hüttn auf dem Rückweg hoffnungsfroh an. "100g -.44", stand unter dem Brot, also teurer als anderswo das Schnitzel, und ich deutete tapfer auf ein halbes und fragte, wieviel das wohl sei. Ja, servus, so 1600, 1700 Gramm - oha! -, aber ich kaufte es und bekam sogar Mengenrabatt, indem der Preis von 6,52 auf glatte 6.- Euro abgerundet wurde.
Gott, 6.- Euro für ein Brot, war es das wert, fragte ich mich bang, fuhr halb wahnsinnig vor Hunger nach Hause, schnitt die übergroße Scheibe ab, freute mich wie blöd an dem würzigen Kümmelgeruch, strich Butter darauf, und dann, ja, der Kochkäse, auch mit Kümmel, tu ganz viel drauf, jetzt nicht nachlassen, oh, mein Gott! Schmeckt das gut!
Ich habe so viel gegessen. Ich bin erledigt.
Es gibt die Tage für das Verfeinerte, das frische Weißbrot und die raffinierten Käsesorten und die Pralinen. Und das kann mir alles gestohlen bleiben, denn nach diesen Broten und einer unglaublich leckeren Tasse Filterkaffee (frisch gemahlen, gerade gekauft) weiß ich wieder, wo ich hingehöre. Wenigstens bis morgen.
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pancreases,
Freitag, 6. Februar 2009, 00:27
Als Vertreterin der jungen Generation darf ich sagen, dass Kochkäse zu meiner Kindheit gehörte wie die Butter aufs Brot, bei meiner Oma - natürlich.
Und gerade deshalb muss ich mich einmischen und vor diesem Kümmel warnen, diesem die Gewürzherrschaft anstrebenden "nein-Du-darfst-nichts-außer-mir-schmecken"-Teufelszeug. Vielleicht sind auch meine Geschmacksnerven nicht sensibel genug, aber bei mir geht da dieser echte Kochkäsgeschmack verloren.
Ihre kümmelhassende, aber die Geschmacksfreiheit respektierende und Ihnen für die Kindheitserinnerung dankende pancreases.
Und gerade deshalb muss ich mich einmischen und vor diesem Kümmel warnen, diesem die Gewürzherrschaft anstrebenden "nein-Du-darfst-nichts-außer-mir-schmecken"-Teufelszeug. Vielleicht sind auch meine Geschmacksnerven nicht sensibel genug, aber bei mir geht da dieser echte Kochkäsgeschmack verloren.
Ihre kümmelhassende, aber die Geschmacksfreiheit respektierende und Ihnen für die Kindheitserinnerung dankende pancreases.
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nnier,
Freitag, 6. Februar 2009, 00:36
Ach, wie schön! Sie kennen den Kochkäse! Bei meiner (einen) Oma habe ich Toastbrot erstens überhaupt kennengelernt, und dann die ganz tolle Idee, eine Knoblauchzehe drüberzureiben und erst danach die Butter draufzutun. Herrlich. Und man hat den ganzen Sonntag seine Ruhe.
Tja, der Kümmel ist auch so ein dominanter Bursche. Und gehört für mich zum Kochkäse wie die saure Gurke zur Leberwurst. Nicht unbedingt etwas für die sensiblen Geschmacksnerven auf der Suche nach Verfeinerung; aber ein guter Freund - übrigens auch zu Pellkartoffeln.
Tja, der Kümmel ist auch so ein dominanter Bursche. Und gehört für mich zum Kochkäse wie die saure Gurke zur Leberwurst. Nicht unbedingt etwas für die sensiblen Geschmacksnerven auf der Suche nach Verfeinerung; aber ein guter Freund - übrigens auch zu Pellkartoffeln.
jean stubenzweig,
Freitag, 6. Februar 2009, 00:59
Ob das tatsächlich an den Norddeutschen liegt, daß es kein gutes Brot gibt? Soweit ich als Konsument von Ciabattaähnlichem in Ermangelung von Baguette das überhaupt beurteilen kann. Doch, kann ich, weiß ich doch, daß es so gut wie keine Bäckereien mehr gibt, die solches herstellen. Das scheint mir das Problem, daß sie sich die Fabrikpappe, die auch in den Bäckereien verkauft wird, da sie Fertigbackmischungen verwenden, andrehen lassen. Und sie auch noch essen. Es gibt vereinzelte Produzenten, die nach alten Rezepturen backen. Aber das kostet halt ein bißchen teurer. Daran wird's wohl liegen. Am Rande: Die Münchner Hofpfisterei verkauft ihr unschlagbar gutes Sauerteigbrot weltweit (mir schmeckt es zwei bis drei Tage nach dem Backen ohnehin am besten). Es gab im Freundeskreis Menschen, denen ich das mitbringen mußte, weil ich sonst hätte aufm Klo schlafen müssen. Ein Freund in Seattle läßt sich das seit langer Zeit schicken, nachdem er es in München mal gegessen hatte.
À propos Handkäse. Davon mal abgesehen, daß ich ohnehin verachtet werde ob meines stinkigen Käsegeschmacks – haben Sie mal den mit Musik gegessen, wie er in Frankfurt genossen wird? Am Main, meine ich. Handkäs mid Mussick. In Mainhattan gibt es einschlägige Restaurationen, wo ich hinmuß deswegen (von der vielgerühmten Grünen Sauce mal abgesehen). Angemacht (eingelegt?) in Essig und Öl und mit viel Zwiebeln. Kümmel ist, wenn ich mich recht erinnere, auch dabei. Selbstverständlich gibt's dazu Äbbelwoi. Aber am Abend gehe ich dort nicht hin. Weil ich nicht schunkeln kann.
À propos Handkäse. Davon mal abgesehen, daß ich ohnehin verachtet werde ob meines stinkigen Käsegeschmacks – haben Sie mal den mit Musik gegessen, wie er in Frankfurt genossen wird? Am Main, meine ich. Handkäs mid Mussick. In Mainhattan gibt es einschlägige Restaurationen, wo ich hinmuß deswegen (von der vielgerühmten Grünen Sauce mal abgesehen). Angemacht (eingelegt?) in Essig und Öl und mit viel Zwiebeln. Kümmel ist, wenn ich mich recht erinnere, auch dabei. Selbstverständlich gibt's dazu Äbbelwoi. Aber am Abend gehe ich dort nicht hin. Weil ich nicht schunkeln kann.
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nnier,
Freitag, 6. Februar 2009, 07:24
Meine Oma, nicht die mit dem Toastbrot, kommt aus einer Bäckerei. In dem kleinen Ort gab's für die 4000 Einwohner, wie sie mir neulich erzählte, mal fünf Bäckereien. Man kann sich die Vielfalt annähernd vorstellen, denn es wurde selbstverständlich "richtig" und von jedem etwas anders gebacken. So erinnere ich mich an das Geraune aus meiner Kindheit, als es irgendwann hieß, dass der Bäcker sowieso jetzt nicht mehr das eigene Obst vom Baum verwende, sondern welches aus Dosen, da das billiger sei (und damals merkte man noch, wie absurd das ist).
Ich habe schon oft gehört, dass die Bäcker gar nicht wissen, was sie da verarbeiten, sie schütten Zeug aus Säcken und Kanistern zusammen und irgendwas kommt dabei raus. Wenn sie nicht gleich Teiglinge aufbacken. Was da an Einebnung geschieht, macht man sich wahrscheinlich gar nicht klar.
Ja, den Handkäs mit der Mussick kenne ich. An den deftigen Tagen mag ich so etwas wirklich gerne. Und die grüne Sauce übrigens auch, die ich sehr gerne esse und deren Kräuterzutaten man in Göttingen noch als Bündel auf dem Markt kaufen kann, während man in Bremen ganz groß angeguckt wird, wenn man danach fragt.
Ich habe schon oft gehört, dass die Bäcker gar nicht wissen, was sie da verarbeiten, sie schütten Zeug aus Säcken und Kanistern zusammen und irgendwas kommt dabei raus. Wenn sie nicht gleich Teiglinge aufbacken. Was da an Einebnung geschieht, macht man sich wahrscheinlich gar nicht klar.
Ja, den Handkäs mit der Mussick kenne ich. An den deftigen Tagen mag ich so etwas wirklich gerne. Und die grüne Sauce übrigens auch, die ich sehr gerne esse und deren Kräuterzutaten man in Göttingen noch als Bündel auf dem Markt kaufen kann, während man in Bremen ganz groß angeguckt wird, wenn man danach fragt.
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