Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Donnerstag, 2. August 2012
Trockenstarre - the best!
nnier | 02. August 2012 | Topic In echt
Weichspüler sollen dem Effekt entgegenwirken, dass sich die Wäsche nach dem Waschen in der Maschine und anschließendem Trocknen in unbewegter Luft hart anfühlt. [Wikipedia]
Als ich neulich nass aus dem See stieg und mich mit einem quadratischen, weißen Stück Stoff von etwa 20 cm Kantenlänge abzureiben begann, kamen wieder diese belustigten Kommentare: Hihihi, was ist das denn bzw. Ist das so ein Hi-tec-Material und dergleichen. Nö, antwortete ich, während ich den Lappen auswrang, das ist ein Frotteewaschlappen, altes Interrailerwissen, spart enorm Platz und Gewicht - und ist bei diesen Temparaturen absolut ausreichend, das bisschen Restfeuchte auf der Haut kommt grad recht.



Dann wickelten sie sich in ihre aprilfrischen Bademäntel und tennisplatzgroßen Saunatücher, schmunzelten über den Sonderling und hatten für die Nacht was zum Nachdenken. So ein Hi-tec-Handtuch habe ich übrigens auch mal geschenkt bekommen, es fühlt sich ungefähr an wie ein Fleecepulli oder ein Poliertuch fürs KFZ, kann angeblich das X-fache seines Eigengewichts an Wasser aufnehmen etc. etc., das habe ich ausprobiert und stimmt wohl auch. Bloß bin ich kein Auto.



Das Gute an diesem Wetter ist ja wohl, dass man die Klamotten an der Luft trocknen lassen kann. Ich bin da sicherlich geprägt, frühkindlich, unser Handtuch stand immer hinter der Tür, aber für mich gibt es kaum etwas Schlimmeres als weiche Wäsche. Dieses unnatürlich flauschige Gefühl auf der Haut ist mir ein Graus, ich hänge deshalb in den Heizungskeller, was ich kann, T-Shirts und Jeans trocknen an der Leine, aber die Unmengen an Socken, Bettwäsche, Handtüchern etc. müssen durch den Trockner gejagt werden, tagein, tagaus, und der Preis ist die verlorene Härte.



Das ist es, was ich am Sommer liebe: Du hängst das Zeug auf den Wäscheständer, die Sonne ballert, der Wind weht, nach ein paar Stunden nimmst du die Wäsche wieder ab und merkst schon beim Einfüllen in den Korb diesen wunderbaren Widerstand an den Knickfalten. Der Stoff steht, der will seine Form halten, der ist nicht schlaff und labberig wie zerlaufender Analogkäse, der ist stabil und schroff wie Sandpapier und die Wange meines Großvaters beim Gutenachtsagen.



An meinem Handtuch will ich Streichhölzer entzünden können. Ich will seinen Widerstand spüren, beim Zusammenlegen und beim Auseinanderfalten, und wenn ich es mühsam hinter meinen Rücken befördert habe, so wie es meine vierjährige Freundin mir damals beigebracht hat, und seitlich hin- und herzerre, dann will ich etwas davon haben, das soll auf den Schultern reiben und die Lenden schrubben, wozu lebt man denn.

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Sonntag, 22. Juli 2012
Junge Elefanten
nnier | 22. Juli 2012 | Topic In echt


"We're Zen Elephant from Bristol, England. Anybody know Bristol? Yeah. Actually we're from Cheltenham. Anybody know Cheltenham? No. Nobody ever knows Cheltenham. That's why we always say we're from Bristol", so äußerte sinngemäß der Sänger in einer seiner ersten Ansagen, da war die Stimmung schon richtig gut.



Ich kenne jemanden, der gewinnt dauernd Konzerte. Also nicht den Eintritt zu einem Konzert, sondern das Konzert selbst. Dann wird im Wohnzimmer Platz gemacht, werden Stühle aufgereiht und ein paar Flaschen Bier in den Kühlschrank gelegt. Dienstagabends setzt man sich aufs Fahrrad und trifft vor dem Haus ein paar junge Herren an, die gerade einen Lederball hin- und herschießen, wahrscheinlich warten die auf den Sohn des Hauses. Drinnen geht es auch bald los, zunächst tritt ein junger Franzose namens Fred Raspail auf, der sehr ruhige, selbstgeschriebene Lieder auf der akustischen Gitarre begleitet und manchmal sehnsuchtsvoll pfeift. Sogar die Kinder auf dem Fußboden hören da mit der Chipsknabberei auf und lauschen. Für sein letztes Lied bittet er die englische Band zu Hilfe und auf die Bühne, die dann dermaßen drauflosgroovt, dass es schon fast peinlich ist, so stark wird applaudiert, dabei war der Franzose echt nicht schlecht.



Es ist eng, aber nicht zu eng, kurze Pause, draußen spielt keiner mehr Fußball, denn, das hat man inzwischen kapiert, die spielen jetzt drinnen Bass, Gitarre und Schlagzeug. Wahrscheinlich sind sie gar nicht so jung, nur im Vergleich, und man muss an Interrail denken und an all die verpassten Gelegenheiten, man hätte doch in einem verbeulten Transporter durch ein anderes Land fahren müssen und vor allem ein Instrument lernen, am besten Bass, der legt das Fundament und fällt am meisten dann auf, wenn er fehlt.

Bevor der Hut rumgeht, gibt es Zugaben, Applaus schallt durch den lauen Abend, dann geht's noch mal zum Kühlschrank und dann aber zum Fahrrad. Àuf dem Nachhauseweg fährt ein schwarzer Transporter an mir vorbei, Rechtslenker.



(Ich bin ja viel zu gehemmt dränge mich nicht gerne in den Vordergrund, deswegen habe ich meinen Mund gehalten. Aber natürlich kenne ich Cheltenham, das weiß doch jeder, wovon das die Partnerstadt ist, uhlala.)

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Dienstag, 17. Juli 2012
Der liebe Gott hat es so gefugt
nnier | 17. Juli 2012 | Topic In echt
Gegenüber wohnte mal einer, der verfugte Häuser. Auf seinem Handwerker-PKW und auf dem Schild am Haus stand zu lesen: X. Y., Verfugungen. Ich wunderte mich, dass das ein Beruf ist. Wann sieht man schon mal jemanden beim Verfugen? Keineswegs ging es um kleine Silikonarbeiten in Bad oder Küche, das war klar, denn man fuhr mit einer langen Leiter auf dem Autodach herum und war oft zu zweit unterwegs. Auch sah ich oft heimlich beim Verladen geheimnisvoller, meterlanger Schaumstoffwülste zu, die man bündelweise aus dem Haus zum Fahrzeug trug und die irgendwie organisch vor sich hin zu wabbeln schienen, Tiefseetentakeln gleich.

Natursteinfugen, Fassadenfugen, Anschlussfugen, Reinraumfugen, Tankstellenfugen, Fugen nach WHG §19.

Wie man heutzutage baut, davon habe ich völlig falsche Vorstellungen, ich merke das immer wieder: Stein auf Stein - ha ha! Interessant ja immer der Tiefbau, wenn eine Gründung hermuss, da werden Löcher gebohrt mit Korkenziehermaschinen so groß, dann wird offenbar Beton in den Boden gespritzt und härtet dortselbst zum Pfahl aus.* Bald werden längs und quer Gräbelein geschaufelt, diese mit stählernem Flechtwerk ausgekleidet, ein feines Fundament wird das, da bin ich wohlgemut!

Brandschutzfugen, Hochbaufugen, alle Bereiche rund um PU und MS Hybrid. Fugen im Ausbau, Bodenfugen, Fugen in Tanks und Silos, Elastomerfugenbänder, Kompressionsdichtbänder.

Schon aber geht es in die Höhe: Irgendwelches Ständerwerk anstelle von Mauern, dazwischen große Glasflächen, und wenn doch mal etwas wie eine Wand aussieht, kann man nie sicher sein, ob es eine tragende Funktion hat oder bloße Füllung ist. Sicher, bald hängen portugiesische Muschelkalkplatten davor, dann sieht man nichts mehr. Aber es ist wie mit diesem riesigen Stahlträger am neuen Berliner Bahnhof: Der ist beim ersten Sturm herausgefallen - trug also gar nichts, sondern wurde getragen und lag halt etwas knapp auf, mein Gott.

Fugenabdichtung mit Dichtstoffen. Fugenabdichtung mit Fugenbändern (Abklebesysteme, Injektionsprodukte, Quellprodukte, Fugenbänder und -bleche). Fugen in LAU-Anlagen. Universelle Fugendichtstoffe. Fugenverschlussband. Fugenverschlussprofile.

"Durch den Orkan war bekannt geworden"** gefällt mir übrigens sehr. Durch das Erdbeben war bekannt geworden, dass Atomkraftwerke kaputtgehen können. Durch die Flut war bekannt geworden, dass die Deiche nicht hielten. Durch die Kaufsumme war bekannt geworden, dass ich nicht genügend Geld habe. Durch die Einschusslöcher war bekannt geworden, dass ich sterblich bin.

Kennen Sie noch die Wombles? Ich habe eine undeutliche Erinnerung an maulwurf- oder igelartige Erdbewohner, die in kurzen Episoden nicht weiter aufregende Abenteuer erlebten, fünf oder zehn Minuten lang. "Wombeln fängt an vor der eigenen Tür / Wombles sind Wesen, die tun was dafür / Leise und freundlich und sauber sind sie / Jeder muss wombeln, denn sonst klappt es nie!", dieses Lied übte auf mich eine seltsame Faszination aus, es hatte etwas wunderbar Tautologisches an sich, und ich war vor einigen Jahren bitter enttäuscht, als ich in diesem scheiß Internet den tatsächlichen Text des Titelsongs lesen musste: "Umwelt fängt an vor der eigenen Tür". Pff!

Schon stellt sich alles viel banaler dar. Zum Beispiel die Folge, in der irgendein Womble auf die Idee kommt, Fenster und Türen abzudichten. Da wurde in Tricktechnik irgendein Zeug in einem Kessel zusammengekocht, daraus lange, biegsame Würste geformt, schließlich alles in die Ritzen gedrückt. "Puh! Ist das heiß hier drin! Kann mal jemand das Fenster aufmachen, damit wir wenigstens ein bisschen Durchzug haben!", endete die Fugenfolge mit den immergleichen, wunderbaren Worten: "Lieber 'n bisschen übertreiben / Aber immer sauber bleiben!"

Das will ich von keiner Umweltpädagogik befleckt sehen. Und ganz ehrlich, Peter Altmaier: Ich hatte einen sehr coolen Halbsatz von Ihnen auf meinem Smartphone gesehen. Als ich diesen noch mal nachlesen wollte, war ich sehr ernüchtert darüber, was Sie tatsächlich gesagt hatten.

--
* "Nachdem der Pfahl betoniert wurde und der Beton ausreichend abgebunden hat, wird die Baugrube ausgehoben, sodass die Pfahlköpfe zum Vorschein kommen. Die Bohrpfahlköpfe werden anschließend auf das erforderliche Niveau abgebrochen [...] Um eine Entmischung des Frischbetons zu vermeiden wird mit dem Kontraktorverfahren betoniert, d.h. das Betonierrohr endet immer unterhalb der Frischbetonoberfläche. Der „schlechte“, weniger tragfähige Beton schwimmt oben auf und muss nach dem Abbinden abgestemmt werden." [Q]

** "Durch den Orkan war bekannt geworden, dass über 100 waagerechte Stahlträger nicht befestigt waren, sondern lose auf Verstrebungen lagerten." [Q]

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Samstag, 14. Juli 2012
Späte Blüte
nnier | 14. Juli 2012 | Topic In echt
Im Zirkus sah ich mal einen muskulösen Herrn in altmodischer Turnkleidung, der sich lange, dicke Nadeln durch diverse Körperteile schob. Von dramatischer Musik begleitet, zeigte er die mehr als stricknadelgroßen Dinger dem Publikum und steckte sich dann eins nach dem anderen durch Bizeps oder Wade, bis er komplett gespickt war.

Später war ich bei meiner Kinderärztin und erzählte von der grausigen Nummer. "Der hat sich da Röhrchen einoperieren lassen", sagte sie mir, und dass sie den Auftritt ebenfalls gesehen habe. Nicht originell, nicht lustig, gar nichts sei das gewesen, sprach sie, und auch wenn ich das genau so sehe, muss ich regelmäßig daran denken.

Das hat mit dem Flug der Pollen zu tun. Ich bin sowieso immer spät dran: Rauchen, Bloggen, Se Studieren, die meisten hatten schon wieder damit aufgehört, als ich erst angefangen habe, und dementsprechend zuverlässig haben all die Haselnuss-, Erlen- und Birkenpollenallergiker im Sommer längst wieder aufgeatmet, wenn mich die erste volle Dröhnung erwischt.

Vorboten wie äußerliches Jucken lassen sich beiseitelächeln, brennende Augen sind ein Klacks, für die Triefnase gibt es Taschentücher: Wirklich ekelhaft ist es, wenn einem die Luft abgeschnürt wird, wenn die Bronchien ein nächtliches Pfeifkonzert anstimmen, Nase und Ohren zuschwellen, der Hals austrocknet und man beim Essen fast erstickt. Explosionsartiges Niesen lässt einen Sterne sehen, der ganze Kopf fühlt sich an wie mit PU-Schaum ausgefüllt, und ein Druckausgleich zwischen all den Höhlen und Röhren ist längst nicht mehr möglich. You make me dizzy, Ms. Lizzy.

Ich kann mich an Jahre erinnern, in denen ich mir nichts sehnlicher wünschte, als in einem kühlen, abgedunkelten Zimmer zu liegen und ein feuchtes Leinentuch über mein Gesicht zu decken. Those were the best days of my life. Warum fährst du nicht mit den anderen zum See?

Es sind zum Glück nur ein paar Tage. Aber jedes Jahr im Sommer denke ich an den Zirkusmann: Das mit diesen Röhrchen, das wär's.

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Montag, 9. Juli 2012
Mangelhafte Unterversorgung
nnier | 09. Juli 2012 | Topic In echt
Hopp! Hopp! Hopp!
Preiserhöhung stopp!
(Vor dem Neuen Rathaus, ca. 1982)


Wir waren Demonstrationsprofis, da machte uns keiner was vor. Für oder gegen die Schließung von irgendwas und die Ausbeutung von irgendwem, das gehörte zum progressiven Schulalltag.

Man kann es als lebendigen Sozialkundeunterricht betrachten oder als Einführung in ein wichtiges demokratisches Grundrecht. Auf der anderen Seite habe ich meine Schwierigkeiten, wenn Kinder und Heranwachsende sich zu politischen Fragen so eindeutig und im Klassenverband positionieren sollen. "Gegen den Krieg" sind natürlich alle, und niemand soll arme Menschen ausbeuten. Dennoch würde ich behaupten, dass die Darstellung bestimmter Fragen und Verhältnisse oft recht einseitig und durchaus ideologisch gefärbt war. Und wenn in der Klasse offen darüber abgestimmt wird, ob man an der "Demo" gegen dieses und jenes teilnehmen solle, spielen Freundschaften, Lehrerpersönlichkeiten, Abhängigkeitsgefühle, Gruppenzwang und die generös angebotene Alternative zum Abenteuer da draußen, man müsse ja nicht mitkommen, man dürfe auch in der Schule bleiben und irgendwo am Unterricht teilnehmen, eben auch eine Rolle. Somit bekunde ich meinen Respekt vor denjenigen, die sich getraut haben, abweichende Meinungen zu äußern. Das kann im linksgrünen Mainstream der frühen 80er genauso schwer sein wie an einer katholischen Schule der 50er.

Ich war im Essensausschuss. Sie setzten uns in der Mensa Tag für Tag einen Fraß vor, ich könnte Ihnen die Firma nennen. Wenn es einmal im Monat Pizza-Baguettes gab, zerfetzte man sich mit diesen zwar den Gaumen, dennoch war es ein Feiertag. Später gab es freitags wahlweise einen Teller Müsli. Wir waren glücklich: Ein paar Cornflakes mit Milch statt der ewig gnubbeligen Scheibe Rindfleisch mit Flummikartoffeln und Plumpsgemüse.

Das war eine komische Veranstaltung. In der Mensa, die ich sonst nur überfüllt und mit gigantischem Lärmpegel kannte, saßen an einem Tisch mein Klassenkamerad* und ich als Schülervertreter zusammen mit der strengen Dame, die die Mensa leitete, diversen anderen Schülern und Lehrern sowie einem dynamischen Herrn mittleren Alters, der ein neu entwickeltes Gericht anpries: Chop Suey, das zugleich in kleinen Schälchen aus der Mensaküche serviert wurde und in der Tat besser schmeckte als vieles andere: Endlich mal gut gewürzt, waren sogar die Gemüsestückchen knackig und das Fleisch ohne Knorpel und Fettrand. Ich hob also den Finger, als es zur Abstimmung kam, der Herr war begeistert und gab mir mit einem Augenzwinkern zu verstehen, dass ich da ein wirklich fantastisches Gericht für meine Mitschüler hatte probeessen dürfen. Wie meine Freunde und ich das Mensaessen im Alltag nannten**, ließ ich im Essensausschuss unerwähnt, der Mann war schließlich nett - und die Mensachefin streng.

Das Essen sollte für alle erschwinglich sein und wurde zur Hälfte von der Stadt bezuschusst. Es war bis zur 10. Klasse verpflichtend. Und auch wenn Gemecker übers Essen für die Massen zur langweiligen Kultur gehört, habe ich seither in genügend Kantinen gegessen, um behaupten zu können, dass es deutlich besser geht, auch wenn es billig sein muss.

Ob es denn etwas aus dem Essensausschuss zu berichten gebe, wurden wir in der Klassenstunde gefragt, ich erzählte kurz von dem tollen Chop Suey, und dann erfuhren wir, dass der kommunale Zuschuss um 10 Pfennig gekürzt werden sollte, ergo: Demonstration!

Routiniert liefen wir zum Rathaus und feilten an unseren Parolen. Es sei ja eigentlich keine Preiserhöhung, argumentierten einige, aber vom Versmaß her hatte ich selber ein Problem mit meinem Vorschlag ("Hopp! Hopp! Hopp! / Reduzierung der Zuschüsse um 10 Pfennig stopp!"), und so musste die Wahrheit wieder einmal als erste dran glauben.

In der Oberstufe mussten wir, Gott sei Dank!, nicht mehr in die Mensa gehen. Darüber freute ich mich ein Jahr lang und kaute auf meinen Käsebroten. Dann bekam ich Hunger und ging freiwillig hin. Einige Sachen waren gar nicht so schlecht. Noch etwas später belieferte ich alte Menschen mit Alubehältern. Sie können sich denken, wer der Hersteller war. Manchmal machte ich mir selber eine Portion heiß.

Als das erste Mal Chop Suey auf dem Plan stand, freute ich mich aufs Essen. Was ich auf mein Tablett geschaufelt bekam, war lauwarm, farblos und kaum gewürzt. Das Gemüse war weich, und statt Fleischstücken wabbelten mir weiße Fettklumpen entgegen.

--
*So hätten die das nie genannt, aber das ist jetzt zu kompliziert.
**"Was gibt es heute zu essen?" - "Mal in den Plan schauen. Ah! Ausgekotztes Würg!" - "Mmmh! Und morgen?" - "Moment ... oh, toll! Ausgekotztes Würg!" - "Lecker. Ich bin schon gespannt auf die nächste Woche!"

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Dienstag, 3. Juli 2012
Schnief und Schnuff
nnier | 03. Juli 2012 | Topic In echt
Wäre ich fitter oder
Wär' ich bei Twitter

dann würde ich jetzt irgendwas in der Richtung "FC Bayern vor der Pleite: Oliver Samwer übernimmt" bringen. Blitzkrieg, most aggressive guy on ze internet on ze planet, German detail oriented, daraus ließe sich bestimmt was basteln.

Nachts träumt mir, dass Herr kid sein Hermetisches Café bunt einfärbt und die Schriftart vergrößert. Das Design ist nicht uninteressant: Man klickt auf den Text, der die Bilder leichtfüßig umdribbelt, und onclick() vergrößert sich das Schriftbild und schiebt das Bild ganz smooth nach rechts. Womöglich hat es damit zu tun, dass ich mich gezwungenermaßen in die Horde der soziopathischen Smartphonies eingereiht habe. Man hat mir so einen Androiden aufgenötigt, und wo ich bislang im Bus saß und ausdruckslos vor mich hinstarrte, sitze ich nun im Bus und starre ausdruckslos auf das winzige Display, ruiniere meine entzündeten Augen mit dem Lesen von Blogtexten in XtraSmall und versuche mich in der Verfeinerung von Gesten wie etwa dem sogenannten Gynäkologenmove, mit welchem man Texte ganz smooth auf lesbares Format vergrößern kann, wenn man kann.

Ich habe am Freitag mit 20 Leuten Fußball gespielt (Kinder gegen Erwachsene!), ich bin am Samstag mit dem Kanu gefahren und in einen See gesprungen, ich habe mich den Sonntag lang von Turniersonne und -wind gerben lassen, seit Montag fliegen meine Lieblingspollen in extremo. Ich bin mit anderen Worten am Arsch, aber glücklich.

Sie da in K.: Bitte nicht erschrecken! Aber dass Sie mein ganzes Blog von hinten nach vorne durchlesen, das freut mich durch die Allergie durch. Jetzt irgendwie durch die Woche kommen, das nächste Wochenende wird genauso schön.

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Samstag, 23. Juni 2012
Unharmonisch
nnier | 23. Juni 2012 | Topic In echt
Ich wollte ihn nicht leicht, ich wollte ihn nicht luftig und nicht lieblich: Er sollte wirken. Weg mit dem Joghurt, weg mit dem Magerquark! Ich wollte etwas, das inneren Frieden schafft. Schwer sollte er im Magen liegen, schon beim Eintauchen des Löffels sollte man spüren, dass das hier ernstgemeint ist.



Ich schuf eine Grundlage aus Sahnequark und Frischkäse, der ich nur so viel Sahne extra zugab, dass die Konsistenz schwer und dick blieb. Dazu ein wenig Zucker und eine winzige Prise Salz.



Das mit den Erdbeeren ist gut und schön, wir brauchen aber einen Kontrapunkt. Im Garten steht das grüne Zeug, ein Zweiglein sollte reichen. Nicht zu fein hacken, die Erdbeeren nicht zu klein stückeln. Wir sind hier nicht bei den Fruchtzwergen!



Vorsichtig alles unterheben. Sehr gut: Kein bisschen fließt vom Löffel, das ist ein Klumpen, der aus sich heraus stabil ist und jedem Zweifler den friedensstiftenden Sinn der Schwerkraft begreiflich macht.



Dann war ich enttäuscht. Das ergab kein Ganzes, das war Quarkmasse und Salz und Erdbeere und Minze, das war gerade so OK, mit einer Extraschicht Zucker obendrauf.

Dann schlief ich.

Dann arbeitete ich.

Dann ging ich spazieren.

Abends nahm ich die Schüssel aus dem Kühlschrank. Ich rührte vorsichtig durch: Die Masse war noch fester geworden. Hoffnungsvoll leckte ich den Löffel ab.

Einsatzkräfte fanden ihn nackt und debil grinsend in einer Schüssel sitzend. "Jetzt wirkt er! Jetzt wirkt er!", rief der offensichtlich verwirrte

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Samstag, 16. Juni 2012
Deng Xiao Ping
nnier | 16. Juni 2012 | Topic In echt
Cinderella Monk hat folgende Information auf dem Profil von Bart Brosig bestätigt:
* Produktmarketing 10
* Begeisterungsfähigkeit 7

Cinderella Monk hat folgende Information auf dem Profil von Hille Folk bestätigt:
* Product Manager 12
* Produktmanager 12
* Product Owner 11

Maja Bürster hat folgende Information auf dem Profil von Korbinian Pulzer bestätigt:
* Business Intelligence 6
* Microstrategy 6

Cinderella Monk hat folgende Information auf dem Profil von Mirko Kober bestätigt:
* Always with a Smile 6

Oleg Adam Schimanek hat folgende Information auf dem Profil von Cinderella Monk bestätigt:
* Kreativität 6
* Teamgeist 9
* gute Ideen 3
* lösungsorientiertes Arbeiten 5
* Product Management 9
* Produktmanagement 10

Cinderella Monk hat folgende Information auf dem Profil von Katja Louis bestätigt:
* Freude an Projektarbeit 3
* Product Owner 3

Marko Fatzke hat folgende Information auf dem Profil von Malic Lehmann bestätigt:
* Business Development 1
* E-Commerce 1
* Projektmanagement 1
* Produktmanagement 1

Cinderella Monk hat folgende Information auf dem Profil von Marko Fatzke bestätigt:
* zehnjährige Erfahrung & Führungserfahrung in E-Commerce 6
* Kooperationsmanagement 1
* Online Marketing 3
* Webshop Management 4
* Portalmanagement 1
Es gibt genau eine Sache an den "sozialen Netzwerken", die mich interessiert: Wie funktioniert der Algorithmus, mit dem die Verbindungswege zwischen zwei Personen gefunden werden? Die alte Geschichte, dass man von jedem beliebigen Erdenbürger zu jedem anderen über maximal sechs oder sieben Stationen eine Verknüpfung finden kann, ist eine faszinierende. Und wenn ich mir die Vielzahl der Verästelungen vorstelle! Nehmen wir bloß mal an: Jeder kennt 100 andere Personen, dann ist man nach vier Gliedern der Kette schon bei 100 000 000 (hundert Millionen) Möglichkeiten, nach fünf Gliedern bei 10 000 000 000 (zehn Milliarden). Wie man daraus nun die kürzesten Verbindungen zwischen zwei Elementen ermittelt, ist mir zumindest auf Anhieb rätselhaft.

Ich lebte mal in einer Welt, in der es ganz normal war, in einem solchen "Netzwerk" angemeldet zu sein. Jahrelang ignorierte ich das, aber irgendwann stand ein beruflicher Wechsel an, und da ich nicht wusste, wohin des Weges, sprang ich über meinen Schatten, lud mein Bild hoch und füllte ein paar Felder aus. So schwer kann das doch nicht sein, redete ich mir ein, das machen doch alle, du musst dich dran gewöhnen, das ist heute nun mal so, und bestimmt kommt dadurch etwas völlig Unerwartetes zustande!

Irgendwo wird nämlich jemand mit den Fingern schnipsen und sagen: Genau den Mann will ich haben mit seiner einzigartigen Kombination von Talenten und Erfahrungen, dem schicke ich ein lukratives Angebot! Und dann, endlich: Kreativität, Loft, Spaß an der Arbeit. Was sind dagegen schon ein paar Verdinglichungen von sozialen Beziehungen! (In den Ratgebern hieß es: Das ist Ihr Kapital, bauen Sie es auf, solange es gut läuft, pflegen Sie es, damit Sie es nutzen können, wenn Sie mal wieder auf Jobsuche sind, aber machen Sie es nicht so auffällig.)

Mir ist das nie vertraut geworden. Ich habe mein Profil stehenlassen, die meisten Kontakte sind aus der damaligen Firma, und wenn ich ab und zu hineinschaue, lese ich, wer welchen neuen Kontakt hat (das sind in der Regel die paar ehemaligen Kollegen, die bislang noch nicht gegenseitig "verlinkt" waren) und werde informiert, dass jemand irgendwelche "Unternehmensneuigkeiten" abonniert hat. Das mache ich nachts, wenn ich das restliche Internet schon dreimal abgegrast habe und mir beim besten Willen nicht mehr einfällt, welche Seite ich noch anschauen könnte.

Und dann logge mich nach kurzer Zeit wieder aus. Was ich bis dahin zu sehen bekomme, berührt mich fast immer unangenehm. Wie man sich anpreisen muss, ohne sich offensichtlich anzupreisen, wie man sich anbiedern muss, ohne sich offensichtlich anzubiedern. Wie man sich unverbindlich in Erinnerung ruft, bloß so, einfach nur so.

Auf, auf! Bestätigt euch alle gegenseitig "Produktmanagement", "Product Management" und guten Sex. Ich werde solange Schleusenwärter oder gehe ein paar Möhren säen. Irgendwann kommt die Schufa oder das Arbeitsamt, Beziehungen auswerten. Ich werde dann keinen Kredit bekommen und keinen Job. Schließlich wurde mein "Always with a Smile" von niemandem bestätigt.

Dispo in Abhängigkeit vom Wohlstand der Facebookfreunde? Teurere Krankenversicherung bei Foto mit Kippe oder Bungeeseil? Das ist noch gar nichts. Unsere Beziehungen werden zur Ware, objektiviert und gewichtet, bestätigst du mich, dann bestätige ich dich, das ganze Leben ein Liquid Feedback, da gerät man ins Schwimmen, da will man sich an irgendwas festhalten, gefällt mir, findet das interessant, ist eine Referenz für, bestätigt folgende Information auf dem Profil von. Werden Sie gefunden! Sie haben viel mehr Freunde, als Sie denken! Aktualisieren Sie Ihr Profil und machen Sie die richtigen Unternehmen, potenzielle Geschäftspartner und Headhunter auf sich aufmerksam!

Dann beiße ich von meiner Möhre ab.

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Dienstag, 12. Juni 2012
In meinem Gedächtnis gibt es kein Versteck
nnier | 12. Juni 2012 | Topic In echt
Manchmal gingen wir zum Kanal oder ans Wehr, Stichlinge fangen. Wir hatten aus alten Tennisschlägern vom Sperrmüll und ein paar Orangennetzen Kescher gebastelt.

Natürlich war A. geschickter als ich, das war bei diesen praktischen Dingen oft so. Aber auch ich erwischte ab und zu einen Fisch, und nach einer Stunde balancierten wir vorsichtig unsere Plastikbecher nach Hause und setzten die Fische in ein Becken.

Im flachen, klaren Wasser standen die Fische oft still, und einmal sah ich einen Stichling, dem ein Wurm aus der Flanke ragte. Der Parasit war im Verhältnis zum Fisch erschreckend groß, und der Anblick quälte mich umgehend. Aber ich konnte auch nicht wegsehen. Immer wieder musste ich hinschauen in der Hoffnung, dass ich mich getäuscht hätte. Aber da ringelte sich immer noch und immer wieder dieser Fremdkörper wie ein dunkler Tentakel.

Mich überkam ein tiefes Grauen. Der Fisch schien vom Parasit schon so weit vereinnahmt, dass man durch den Versuch, den Wurm herauszuziehen, wohl beide töten würde, so dachte ich zumindest, und dass ich das sowieso nicht könnte. Aber den Fisch so stumm und hilflos herumschwimmen zu sehen, während er von seinem Eindringling von innen aufgefressen wurde, ertrug ich auch nicht.

Zuerst wollte ich den Fisch fangen und ans Wehr bringen, wo die Strömung so stark war, dass sie den Wurm doch wohl herausziehen musste. Der Fisch würde still an einer Stelle stehen, ich würde dableiben und zuschauen, wie der obszöne Gast gezwungen würde, seinen Wirt zu verlassen, dann würde er weit weggespült werden und der Fisch seinem neuen, freien Leben entgegenschwimmen. Aber ich erwischte ihn nicht. Und im Hinterkopf wusste ich auch, dass meine Idee physikalisch nicht ganz plausibel war.

Wir gingen nach Hause. Ich bekam das Bild nicht aus dem Kopf. Im Keller stand die Werkbank. Nach dem Abendessen legte ich die Kombizange zurecht. Vielleicht würde ich das Vieh doch herausziehen können - oder wenigstens so viel wie möglich abkneifen. Es wurde dunkel, da lief ich alleine zurück an den Kanal. Aber der Fisch war nicht mehr da.

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Mittwoch, 6. Juni 2012
Spül, Führer! Mein Leben mit Anton S.
nnier | 06. Juni 2012 | Topic In echt


Was das da oben ist, werde ich Ihnen gleich verraten, zuerst aber muss ich etwas loswerden: Kürzlich stand ich vor der geöffneten Kühlschranktür und war mit einem echten Problem konfrontiert. Ich wusste einfach nicht, was aus der Handvoll Pellkartoffeln und dem bissfest gekochten Rest Spargel werden sollte!

Unentschlossen schälte ich die Kartöffelchen, brachte ein ordentliches Stück Butter zum Schmelzen und schmiss einige Prisen Salz hinterher. Den Spargel wollte ich kalt dazuessen.

Plötzlich kam eine kühne Idee über mich:





Ich briet den Spargel mit!



Eine ähnlich mutige Entscheidung traf ich vor mittlerweile 15 Jahren. Ich betrat einen Schlecker-Markt in der Absicht, dort Spülmaschinenreiniger in Pulverform zu erwerben. Das war schon damals keine Kleinigkeit mehr, denn die Hersteller hatten längst damit begonnen, das Pulver durch die sogenannten Tabs zu ersetzen, die man zwar viel schlechter (bzw. gar nicht) dosieren kann, dafür aber einzeln in Folie eingeschweißt und wesentlich teurer sind.

Inzwischen wird, wie Sie sicherlich wissen, auch Waschmittel in Tab-Form angeboten, irgendeinen Fortschritt muss es ja geben. Oh, bitte - das glaube ich schon, dass das für manche gar nicht so leicht ist, eine so komplexe Entscheidungsmatrix zu durchblicken, schließlich muss man die Pulvermenge abhängig von Wasserhärte, Verschmutzungsgrad und Waschtemperatur dosieren und dazu mehrdimensionale Gleichungen lösen. Und dann soll man sich noch dran erinnern, dass ein halber großer Becher etwas anderes ist als ein haber kleiner Becher, nämlich da ist unterschiedlich viel drin! Zuviel Denki-Denki, und deshalb gibt es Tabs.



Es standen damals die billigen Kartons der Schlecker-Eigenmarke "AS" im Regal, wie ich erfreut feststellte, doch auf dem Weg zur Kasse begegnete ich dem hier abgebildeten, stabilen Hybrid-Kunststoffbehälter: Ein Markenprodukt verkuppelte sich mit dem düsteren Billigheimer, so etwas hatte ich davor noch nicht und habe ich danach nie wieder gesehen! Der Mehrpreis war zu verschmerzen, vor allem aber sah ich auf Anhieb: Dieser Behälter hat die richtige Form und Größe, er ist stabil und dicht, lässt sich mit Hilfe eines Trichters problemlos wiederbefüllen und verfügt über eine klug positionierte Schüttöffnung, mit der das Befüllen des Spülmaschinendosierfachs zum Kinderspiel wird. Nie wieder verstreutes Pulver! Und obwohl die Spülmaschine mindestens zweimal am Tag läuft, muss ich nur alle paar Monate los und ein billiges Nachfüllpack kaufen. Nehmt das, Somat-Tabs mit der Sofort-Aktiv-Formel zum Preis eines gebrauchten Kleinwagens!

Aus Nostalgie, Dankbarkeit, Treue und einer perversen Schaulust betrat ich heute noch einmal die aufwendig umgestaltete Filiale in meiner Nähe. Ich wollte zum Abschied wirklich etwas kaufen. Aber es gab nichts.



Na gut: Fast nichts.

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