Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Donnerstag, 24. Juli 2014
Topcraft
nnier | 24. Juli 2014 | Topic In echt


Ich habe einen Bohrhammer der Handelsmarke Topcraft und einen Nachbarn. Der ist ebenfalls Eigentümer eines Bohrhammers vom Discounter, ein gelbes Ding, das er mir vor acht Jahren geliehen hat und einfach nicht zurückhaben will. Manchmal sage ich: Ich habe noch deinen Bohrhammer! Und er: Lass mal bei dir, dann weiß ich wenigstens, wo er ist.

Millimeterweise musste ich die lila Fliesen aus dem Zementbett schälen, zweifelte kurz an meinem Gerät, holte den gelben Kollegen aus dem Keller und setzte ihn an. Das vibrierte dermaßen mickrig, dass ich schnell wieder zu Mr. Topcraft zurückkehrte und die heißesten Tage des Sommers mit Abbrucharbeiten und Schuttschleppen verbrachte, wie es Tradition hat.



Ich konnte immer gut Löcher in die Wand bohren mit der Maschine, so ein Bohrhammer ist da ein ganz anderes Kaliber als eine Schlagbohrmaschine, da der Bohrer in axialer Richtung beweglich gelagert ist und mit viel höherer Schlagenergie bei geringerer Schlagfrequenz (aber das weiß man ja) betrieben wird. Auch mit dem Meißelaufsatz im reinen Schlagbetrieb ging es zwar mühsam, aber doch stetig voran. Schließlich kann ich fürs Fliesenabschälen keinen Stemmhammer einsetzen, so ein Riesending, das man kaum hochheben kann und mit dem man - WUMMS! - mal eben durch die Wand zum Nachbarhaus ist, TACKA TACKA TACKA, ja, da staunst du, Blödmann, und wer ist hier zu laut, los, sag noch mal, wenn du dich traust!



Richtig schwierig wurde es gegen Ende, es war ja Dauereinsatz, der Staub setzt sich überall rein, auch in die Mechanik von so einer Machine, und die lief heiß, und die Drehzahlregulierung wollte nicht mehr, und ich konnte irgendwann nur noch mit dem Netzstecker an- und ausschalten. Und weiter, brrrrr, brrrrr, brrrrrr, brrrrrrr, brrrrrrr, brrrrrrr, brrrrr, brrrrr, brrrrrr, brrrrrrr, brrrrrrr, brrrrrrr, brrrrr, brrrrr, brrrrrr, brrrrrrr, brrrrrrrt-t-t-t, brrrrrrr, brrrrr-t, brrrrr, brrrrrr, brrrrrrr, brrrrrrr, brrrrrrrt-t, brrrrr, brrrrr-t, brrrrrr, brrrrrrr-t, brrrrrrr, brrrrrrr, wieder eine Fliese geschafft! Muss ja auch vorangehen, morgen kommt schon der Klempner.

Brrrrrr, brrrrrr, brrrr, b-r-r-r--- - - - -- rr -- r- -- -- -- -- -- -- -- .

Im Baumarkt tief geseufzt und noch tiefer in die Tasche gegriffen. Den Nachbarn getroffen: Mussa neu Bohrhamma kauf, der alte hat schlappgemacht! Ach, das war mein gelber, nech? Nee, meiner, aber deinen kann ich dir mal wiedergeben, der bringt es auch nicht so richtig. Nee, behalt mal, dann weiß ich wenigstens, wo er ist.



Ich habe dann doch schmunzeln müssen, wie die Fliesen plötzlich Respekt hatten, der hat eine ganz andere Ausstrahlung, dieser Herr Metabo, die haben sich freiwillig ergeben! Bloß dass ich leider schon fast fertig war, deshalb bin ich richtig froh, dass der Klempner gleich wieder weggegangen ist und gesagt hat: Da müssen sie die ganze Wand aufstemmen, bis obenhin, das muss alles raus, das ist alles rott, nächsten Donnerstag komme ich dann wieder!

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Samstag, 12. Juli 2014
Coal Roller der Herzen
nnier | 12. Juli 2014 | Topic In echt
Umwelt finde ich ja auch ganz OK, aber seit ich das bei fefe gelesen habe, muss ich dauernd grinsen. Tief drinnen bin ich wohl Redneck.



Die 70er sind endgültig vorüber, und das hat leider nicht einfach Klacklacklack gemacht, so wie ich mir das vorgestellt hatte, einmal mit dem Meißel kurz dahinter: Von wegen! Millimeterweise geht es voran, aus Fliesen wird Feinstaub. Der kleidet hervorragend die Lungen aus und knirscht zwischen den Zähnen, auch nachts noch, wenn die Nerven nachvibrieren. Fenster auf, Bohrhammer an: Nehmt das mit eurem blöden Prius!





Dann wieder muss man sagen, dass die 70er einfach super waren. Da ist doch eine schöner als die andere!



Ich bin vollkommen im Eimer.



(Das alles spielt, bevor ich die Wasserleitung erwischte.)

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Mittwoch, 30. April 2014
Post it
nnier | 30. April 2014 | Topic In echt
Dass ich derzeit kaum zu den wichtigen Dingen (Bloggen) komme, liegt daran, dass ich ständig Türverkleidungsclips verkaufen muss, Asterixfigürchen und Schwanenhalslampen. Es ist nämlich so, dass ich kürzlich einmal wieder zu der Erkenntnis gelangt bin, "nun aber wirklich" mal einen radikalen Schnitt zu machen und endlich zu entrümpeln, auszumisten, wegzubringen, fortzuschmeißen: Man kann sich ja kaum bewegen!

Damit das nicht zu schnell geht, fotografiere ich kleine bis mittlere Gegenstände, stecke meine lyrische Kraft in die Auktionsbeschreibung und lade die Bilder hoch zum Auktionshaus, das inzwischen satte 10% Provision nimmt und der angeschlossene Zahlungsdienstleister gleich noch was obendrauf: Was waren wir damals empört, als die mit vorsichtigen 3% anfingen! Skandal! Im Internet ist doch alles umsonst!

Aber ich habe meinen alten Account reaktiviert, will das Zeug endlich loswerden und mein Taschengeld aufbessern. Versandtaschen und -kartons stetige Begleiter, Klebestift und Flachkopfklemmen gute Bekannte: Abend für Abend knülle ich Zeitungen, wickle Blasenfolie, stopfe Päckchen und verschließe mit Paketband.

Kleine Brief- und Warensendungen werden übrigens nach wie vor mit Briefmarken frankiert, und das mit z.T. erstaunlich krummen Beträgen. Und immer fehlen die Ergänzungswerte! Investieren wir also den bisherigen Erlös und kaufen mal ein paar Marken mehr, dachte ich heute, "Hundert Zwanziger und Zweihundert Zehner, bitte", sprach ich unbefangen am Schalter und gebe die nachfolgenden Ereignisse nur deshalb nicht 1:1 wieder, weil Postgeschichten grundsätzlich langweilen. Eine wichtige Rolle (hö hö) spielte jedenfalls die Tatsache, dass es diese Werte nur auf Rollen gibt: Der Kampf des Schalterbeamten mit dieser komplexen Anforderung bestand dann u.a. aus mehrfachem Ausrechnen, Rausziehen, Aufeinanderlegen, Zusammenknicken und Abzählen, und während ich in eine zwanzigminütige Meditation verfiel, steigert er seine Versuche, die sich immer wieder aufrollenden Streifen irgendwie zu bändigen und mir die korrekte Anzahl einzutüten, ins Absurde. Am Ende verließ ich die Post mit einem vollgestopften A4-Umschlag völlig verdrehter und verhedderter Postwertzeichen, hinter dem Tresen ein nervliches Wrack.

Noch in Gedanken über Anachronismen wie Briefmarkenrollen zum Abschlecken erhielt ich die Nachricht über den nächsten Verkauf: Weitere zwei Euro waren gesichert, na ja: abzüglich PayPal-Gebühren, und freudig nutzte ich das Feature "Versandschein drucken" direkt aus der beendeten Auktion heraus. Irre praktisch finde ich das, denn die Daten sind ja alle vorhanden, meine Absenderadresse und die des Empfängers, online bezahlen kann man auch, und flupp!, hat man einen fertigen Paketschein, den man nur noch aufs Packerl kleben muss. Das ist mal ein Fortschritt, finde ich, und vor allem: Kein blödes Schlangestehen in der Post mit einem Paket unterm Arm, nur weil da vorne so ein Idiot hunderte von Briefmarken kauft! Man kannes nämlich einfch zur Packstation bringen.

Denkt man also und macht einen Abendspaziergang, "Scannen Sie den Barcode", verlangt das Gerät, Piep!, "Scannen Sie den zweiten Barcode", aber da ist keiner, und nach mehreren Versuchen bricht man frustriert ab und geht nach Hause.

Prüft den Auftrag. Sucht die pdf-Datei mit dem Paketschein. Kontrolliert alles genau: Doch, es ist dieser Schein und der kam da so raus.

Kundenservice DHL, und wussten Sie schon dies, und übrigens können Sie auch das, und wir haben SIE ausgewählt, um an unserer Umfrage zur Qualität des Kundenservice teilzunehmen. Legen Sie also am Ende des Gesprächs nicht auf, Sie werden dann umgehend zur Umfrage geleitet! Ihre Meinung ist uns wichtig! La la, wart wart, Verbinde hier, verbinde da, la la, wart wart, ja guten Abend. Ah, dann haben Sie bei der Eingabe was falsch gemacht, haben Sie mal die Auftragsnummer, ah, da sieht mans schon: Lüttingen ist ein Ortsteil von Xanten, die Postleitzahl ist aber von Xanten, da dürfen Sie nicht Xanten-Lüttingen schreiben, sonst kann er natürlich keinen Leitcode generieren!

Ah, und wenn ich das falsch mache, also wenn ich da die richtige Postleitzahl hinschreibe und den richtigen Ort und den richtigen Ortsteil, dann generiert "er" mir halt trotzdem einen Paketschein, und den bezahle ich auch, und dann merke ich an der Packstation, dass der nicht funktioniert?

Ja, also das hätte Ihnen schon auffallen müssen, dass da nur ein Barcode ist, das müssen ja zwei sein. Und er weist Sie bei der Eingabe auch schon drauf hin, dass mit der Schreibweise was nicht stimmt.

Ah, und wenn das alles schön automatisch aus dem ebay-System übertragen wird und aber der Empfänger seine Adresse nicht in der Form hinterlegt hat, die die Post gerne hätte, dann generiert "er" mir einen Paketschein, und den bezahle ich auch, und dann merke ich an der Packstation, dass der nicht funktioniert?

Ja, dann nennen Sie mir nur mal die Daten X und Y und ich lasse den neu generieren und sende Ihnen einen Link, damit können Sie den Schein neu drucken. Sie müssen den alten Paketschein aber vorher RÜCKSTANDSLOS ENTFERNEN.

Ja, und jetzt mache ich mir natürlich Sorgen, was passiert, wenn die merken, dass ich den neuen Schein einfach nur drübergeklebt habe, und heute Nacht träume ich von Krakenarmen aus Briefmarken, und die haben mich dann gar nicht zu der Umfrage mit der Kundenzufriedenheit weitergeleitet.

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Donnerstag, 24. April 2014
Gnadenbrot Gnadentod
nnier | 24. April 2014 | Topic In echt














Hier dagegen, gleich am ersten Tag, springen mir zwei Herren vors Auto, winken und fuchteln, deuten auf die Fahrbahn: Da liegen zwei Handys! Ich bremse und schaue fragend. Sie nehmen die Handys, ziehen eine Linie mit Kreide, sehen mich auffordernd an. Ich schaue fragend. Sie fuchteln und gestikulieren. Ich kurbele die Scheibe herunter.

Los, drüberfahren!, werde ich aufgefordert, Nee, sage ich, das ist doch Quatsch, Na los, rufen sie, fahr doch!, Nee, sage ich, das ist doch Blödsinn. Man stiert mich an, hinter mir staut es sich. Man legt die Handys genau auf die Linie, vor jeden Reifen eins, Nun fahr doch, rufen sie, das ist hier eine Wette, wir wollen wissen, was geiler ist, Samsung oder Apple.

Ach so, sage ich, na dann.

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Sonntag, 20. April 2014
Letzter
nnier | 20. April 2014 | Topic In echt






















Jetzt muss ich mal ganz unironisch schwärmen: Das hätte ich so nicht erwartet, die landschaftliche Schönheit, die Berge, die Düfte und Geschmäcker. "From my own production", überreichte der Vermieter bei Ankunft Olivenöl und Wein in gebrauchten Plastikflaschen. Es schmeckte grandios, und ich war der letzte Deutsche, der noch nie in Griechenland war, aber jetzt, jetzt weiß ich's auch.

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Freitag, 18. April 2014
Stasis
nnier | 18. April 2014 | Topic In echt
Man müsste eine Schleuse haben, ein Abklingbecken, einen Anlaufbegrenzer: Das verkrafte ich nicht mehr, morgens noch Zitronen pflücken, da bei den Schafen, sie in den Pfefferminztee drücken, da oben in den Hügeln, und nachmittags Bumsmusik und Taxi und "Moin" und Anrufbeantworter.

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Donnerstag, 6. März 2014
Generation P.
nnier | 06. März 2014 | Topic In echt
Es muss in der Oberstufe gewesen sein, da hatte ich aus irgendeinem Grund das Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie erwischt: Keine Ahnung, wie und warum ich da gelandet bin, aber in der Kantine gab's das leckerste vegetarische Schnitzel meines Lebens. Es war zart im Biss, paniert nach Wiener Art, und schmeckte dermaßen lecker nach Fleisch, dass ich mich heute noch frage, ob es vielleicht gar kein vegetarisches Schnitzel war.

Mit den Naturwissenschaften hatte ich in der Schule keinen Spaß. Es gab sie von der fünften bis zur zehnten Klasse kombiniert im Fach "NW", da ging es mal um Waschmittel und mal um Gabelschwanzraupen, außerdem ging man immer in den "NW-Raum" im "NW-Bereich", wo es allerlei lustige Schutzbrillen und wunderliche Geräte gab. Interessant waren aber vor allem die Stühle, denn es waren nicht die gewohnten stabilen Schulstühle, sondern Drehstühle auf fünfstrahligem Fuß. Das erschwerte das Kippeln extrem, machte es mithin zu einer echten Herausforderung, der ich mich auch regelmäßig stellte: Nur etwa einmal pro Doppelstunde wurde das empfindliche Gleichgewicht aus Neigungswinkel und Drehposition für einen Sekundenbruchteil gestört, so dass jemand mit lautem Knall auf dem Boden landete und sich mit hochrotem Kopf wieder an seinen Platz setzte, begleitet von mahnenden Worten über die hohe Verletzungsgefahr und ausuferndem Gelächter, womit meine schönste Erinnerung an den NW-Unterricht auch schon beschrieben ist.

Wir kamen in die Oberstufe und mussten zum ersten Mal die getrennten naturwissenschaftlichen Fächer Biologie, Chemie und Physik belegen - bzw. mindestens zwei davon, und so wählte ich Biologie und Chemie. Im vermeintlichen Blümchen- und Schmetterlingsfach lernte ich dann erstaunlicherweise Dinge, die ich noch weiß: Mitose und Meiose, vor der Klausur schrieb ich IPMAT auf meine Hand und kann deshalb heute noch die Phasen der Zellteilung runterbeten, selbst wenn Sie mich nachts wecken: Interphase - Prophase - Metaphase - Anaphase - Telophase. Es ging um Zellorganellen, Mitochondrien und Ribonukleinsäure, und ich weiß noch, wie geschockt ich war, als wir nicht nur in der ersten Stunde die Aufgabe bekamen, die wichtigsten Zellbestandteile benennen und zuordnen zu können, sondern in der nächsten Stunde auch tatsächlich abgefragt wurden.

Ich akzeptierte das und besorgte mir in einem Anflug von Fatalismus ein Buch mit "Abiwissen Biologie". Das Fach Chemie derweil kommt Mathetypen wie mir angeblich entgegen (genauso angeblich auch Physik, das ich aus einer Abneigung gegen Physiktypen gar nicht erst anwählte). Es ist mir aber bis heute nicht gelungen, den Zugang zu finden: Klar kann ich irgendwelche "Wertigkeiten" raussuchen und schauen, welche Atome zueinander passen sollen, um ein Molekül zu ergeben. Da vorne wurde auch immer so getan, als gebe es eine vollkommen logische Systematik, diese aber blieb mir zeitlebens verborgen, so dass ich mit dem Zweifel leben muss, ob das zu schlecht erklärt oder die geistige Anforderung zu hoch war: Meine theoretischen Moleküle gab es jedenfalls nicht, sonst wäre unsere Welt eine andere.

Es ist typisch für mich und meinen Lebensweg, dass ich in der 12. Klasse dann ausgerechnet bei Max Planck mein Praktikum gemacht habe, und wenn ich gefragt wurde, ob ich denn später mal was in der Richtung machen wolle, schaute ich völlig überrascht und sagte: Nee! Aber immerhin saß ich drei Wochen in einem leeren Zimmer und gab den Befehl time in das Unix-Terminal ein, und eines Tages schaffte ich das mit der "Wiederholen"-Taste elfmal in nur einer Sekunde. Einmal schließlich wurden wir durchs Institut geführt, da gab es kleine Affen mit Drähten im Kopf und ein Wissenschaftler erhitzte gerade seine Dosenspaghetti auf einer Kochplatte neben den ganzen Hirnpräparaten.

Einige Jahre davor mussten wir schon mal ein Praktikum machen, da war mir auch nichts eingefallen und ich landete in einem großen Metallbetrieb. Am ersten Tag sollte ich um 7:00 in der Lehrwerkstatt sein, fand mich früh am Werkstor ein und musste auf meine Papiere warten, so dass ich erst um 7:02 am Eingang der Lehrwerkstatt auf meinen Praktikumsbetreuer traf, einen kurz vor der Verrentung stehenden Zuchtmeister, der mich wegen der Verspätung gründlich zusammenfaltete. Ich musste dann den ganzen Vormittag 1-cm-Stücke von einem Metallklotz absägen, "Gerade, herrgottnochmal!", aber sie wurden krumm und schief. Als die Lehrlinge sich nach einigen Stunden ausgefeixt hatten, zwinkerte mir einer zu und verriet mir, dass man mit dieser Säge auch gar nicht gerade sägen konnte: Die bekam jeder Neue am Anfang.

Die Zeit schien endlos, wie ich da im Graumann herumstand und an einem Metallstück herumfeilte und -sägte. Dann musste ich die Kanten schlichten und ein paar Löcher bohren, am Rand senken und schließlich Gewinde schneiden, und ich wurde das Gefühl nicht los, dass mein Lehrer bei seinem Besuch äußerst schadenfroh reagiert hatte: Schließlich kam ich in der Schule ganz ungerührt zu spät, und hier im Werkzeugbau wurde mir wegen zwei Minuten endlich mal gezeigt, wo es langgeht.

Es folgten zwei Wochen in der Elektrowerkstatt, an die ich keine große Erinnerung habe, aber der Meister sprach zu mir: Wenn du von morgens bis abends durch die Kabelschächte gekrochen bist, dann weißt du, was du gemacht hast.

Ich ging durch die lärmenden Produktionshallen, wo man vor allem "Aluminiumhalbfertigprodukte" herstellte, zur riesigen Kantine, wo es ungewöhnlich still war. Auf dem Rückweg erfuhr ich, dass gerade ein Kollege gestorben war, den hatte es in eine der großen Maschinen gezogen.

In meine polierte Metallplatte sollte ich zum Schluss noch meinen Namen und das Datum mit Einschlagbuchstaben schreiben. Das sind lange, eckige Stahlstängchen, die man vorsichtig ansetzt, bevor man mit einem präzisen Schlag kräftig draufhämmert. "Aber hau dir nicht auf die Finger", raunzte der Meister, und ich hieb mir den Daumen blutig. Irgendwie freue ich mich immer, wenn ich die Platte wiederfinde, eingehüllt in Ölpapier, und an die Worte des Vorkriegsmeisters denken muss: "Ich hab doch gesagt, du sollst dir nicht auf die Finger hauen, du Esel!"

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Donnerstag, 13. Februar 2014
Bahr jeder Vernunft
nnier | 13. Februar 2014 | Topic In echt
Demnächst brauchst du garantiert einen ganz bestimmten Bohrer, Kleber oder Metallbeschlag, und dann hat natürlich gerade kein Baumarkt pleitegemacht, dann zahlst du und rufst: Hätte ich nur!

So meine Nachtgedanken, also bin ich noch mal hingefahren: Schrauben für die nächsten Jahre, ein paar Pinsel, Feuchtraumsteckdosen, gute Ringschlüssel (natürlich war kein 13er mehr da, dafür bräuchte ich ein Abo): Das alles ist generisch und gut und gibt für wenig Geld eine Tüte voll. Richtig arm machen einen aber ganz andere Sachen, die man ganz plötzlich braucht, das Siebdübelset, die Dampfbremsfolie, der Zweikomponentenlack, und all diese hochpreisige Apothekenware wird jetzt mitverramscht: Handgemalte Schilder werben gezielt um "Postenhändler", die sich bitte an der Information melden sollen.

Gewühle, Geschacher, Endzeitstimmung, und die Angestellten mit der gelben Oberbekleidung zeigen bewundernswerte Geduld: Es muss schon eine seltsame Erfahrung sein, wenn das teure Zeug plötzlich nichts mehr wert ist.



Die junge Frau steht zum ersten Mal an der Kasse und muss Rabatte auf Rabatte eintippen. Die erfahrene Kollegin steht bald zum letzten Mal dort und erklärt dennoch so gründlich, als habe das alles noch irgendeine Zukunft. 90% auf alle Weihnachtsartikel! Vor mir tatsächlich ein Ehepaar, den Schiebewagen bis obenhin voll Goldlametta. Und auch der Mann vom Anhängerverleih scheint sich einen langgehegten Wunsch zu erfüllen: Endlich mal pampig zu den blöden Kunden sein, endlich mal ein "Bitte" einfordern. Und wenn es nicht kommt, achselzuckend weggehen.

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Sonntag, 9. Februar 2014
Meisje
nnier | 09. Februar 2014 | Topic In echt


1 Konzert + 1 gute Band = Wieviel Spaß?
4 Zigaretten + 5 Bier = Wieviel Aspirin?









Bei diesen Veranstaltungen gehe ich als junger Spund durch, und man soll den Alkoholismus nicht verherrlichen. Rührend aber, wie selbstvergessen der alte Herr mit Großvatergesicht zu der druckvoll hingewummsten Musik tanzt: Lederweste, das weiße Haar schulterlang lächelt er mit geschlossenen Augen und strahlt in dem Komaschuppen mehr Würde aus als ein Banker, Bundespräsident oder Bischof.

Ich vertrage wirklich nichts mehr, da folgt der Bademanteltag auf dem Fuße. Am Tresen verdiente Altrocker, irgendwas zwischen traurigem Suff und Die Kleine Kneipe, auch wenn Uriah Heep aus der Konserve schallen. Man ahnt, das ist auch nicht immer schön. Trotzdem auf dem Heimweg viel gelächelt.

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Dienstag, 4. Februar 2014
Räumet das Feld
nnier | 04. Februar 2014 | Topic In echt








Das vergesse ich manchmal, dass man sich nur aufs Fahrrad setzen muss und ein paar Minuten treten. Ich vergesse auch manchmal, dass es schon eine neue Bundesregierung gibt. (Pofalla zur Bahn / Schavan in' Vatikan, das immerhin kann ich mir merken.)

Auch ganz vergessen, dass Max Bahr pleite ist und sein Zeug verramscht. Ein Gefühl von Fledderei und längst keine Stehleiter mehr bekommen, aber einen guten 1000-g-Fäustel und drei anständige Schraubenzieher. Drinnen traurige Mitarbeiter, die im Internet rumsurfen und hoffentlich die guten Sachen beiseiteschaffen.

Man könnte natürlich und müsste eigentlich. Dann immerhin habe ich mein Bett tiefergelegt.

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