Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Überstumpfes Dreieck
nnier | 13. Dezember 2011 | Topic Brainphuq
Auf meinem Taschenrechner gab es diese merkwürdigen Tasten: sin | cos | tan. Ich drückte drauf und freute mich über die lustigen Ergebnisse, die mir so zufällig erschienen, und daran hat sich bis heute nichts geändert. Es ist der blinde Fleck, der Bruch in meiner Mathebiografie, ich weiß nicht, ob es das Halbjahr war, in dem mir der Blinddarm rausgenommen wurde und ich insgesamt viel fehlte, aber auch später hat keine dieser schönen Visualisierungen mit dem rotierenden Radius mir dauerhaft geholfen, den nagenden Komplex gegenüber diesen fucking Winkelverhältnissen zu überwinden.

Es ist ein seltsames Gefühl von Eingeschränktheit, manchmal geradezu von geistiger Behinderung, und eine Zeitlang meinte ich, das habe mit meiner generell nur schwach ausgeprägten Begeisterung für Geometrie zu tun. Mit dem Zirkel so Dinge konstruieren, das Geodreieck exakt anlegen und dann doch damit kämpfen müssen, dass der Zirkel während einer Umdrehung die Schenkel langsam spreizt oder der Druckbleistift ein Loch ins Millimeterpapier knackt - nein, danke, dieses hoffnungslose Gewische mit dem abgebrochenen Radiergummi auf knüllig werdendem Untergrund war meine Sache nicht, ein Reinzeichner war ich sowieso nie und fühlte mich in der Zahlenwelt viel wohler.

Ja, ich weiß, und ich spüre es beim Fahrradfahren, ich kann mir diese Sinuskurve auch wunderbar vorstellen, schon klar!, bloß welche Seite da mit welcher in Beziehung gesetzt wird und wann 1 rauskommt und wann 0, und dass der cos bloß ein phasenverschobener sin ist, all das muss ich mir jedes Mal mühevoll herleiten und bin dann trotzdem noch so unsicher, dass ich lieber nachschaue, so als hätte ich nie das Einmaleins gelernt und müsste jede kleine Multiplikation immer neu durchführen. Ein Graus.

Es war ein schlimmes Gefühl, damals, als ich so viel verpasst hatte und wiederkam und unser eigentlicher Mathelehrer für längere Zeit ausfiel: Da stand die Deutschlehrerin und wollte die Grundlagen für Gleichungen und Umformungen vermitteln, ich saß da wie in einem fremden Universum, in dem gewohnte Regeln nicht mehr galten, da waren plötzlich so senkrechte Striche neben den Gleichungen, daneben stand "-3" oder ":2", ich fragte dann immer wieder: Ist das so was wie Plus und Minus, und mit herablassendem Lächeln erzählte sie mir zum fünften Mal von der Waage, bei der man auch rechts drei Äpfel herunternehmen muss, wenn man man das links getan hat. Ich hätte verzweifeln können und merkte zum ersten Mal, wie es ist, wenn man ein ganzes Thema nicht versteht, bei Mathe ist das schlimm, denn es kommt alles wieder, alles baut ja aufeinander auf, und das Gefühl, dass plötzlich ein Zug ohne mich abfährt, quälte mich lange, bis endlich der Mathelehrer wiederkam und mir sagte: Na, das ist doch einfach das, was du auf beiden Seiten der Gleichung machst, so etwas Einfaches!, ich hätte laut auflachen können.

Der zauberhafte Thaleskreis, Onkel Pythagoras, Innenkreise, Außenkreise, Schwerpunkte: Ich kann das runterrattern, ich sehe das vor mir, ich plaudere charmant über Mittelsenkrechte, Winkel- und Seitenhalbierende, kaum dass eine Zwölfjährige "Dreieck" sagt, BLOSS DASS ICH TRIGONOMETRIE VOLL BLÖD FINDE, WEILS HALT EBEN BLÖD IST, UND WOZU SOLL DAS ÜBERHAUPT GUT SEIN, und ich habe mir fest vorgenommen: Diesmal will ich gut aufpassen, wenn sie das Thema bekommen.

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hora sexta, Dienstag, 13. Dezember 2011, 23:27
Ich kann Sie beruhigen: Sinus und Cosinus und die mit ihnen verschworenen Sätze sind in Wirklichkeit Charaktertests. Gezeigt werden soll, ob einer in der Lage ist, zu sagen "das ist doch alles ein Scheiß, was soll der Quatsch" oder ob er aus Sorge, es könnte ihn entgegen aller Gewohnheit irgendwer für einen Depp halten, so tut, als ob der ganze Krampf normalen mathematischen Sinn macht und sich nahtlos einreiht in alles andere, das so geschmeidig zu verstehen ist. Ich muss zugeben, ich habe aus Angst auch erst mitgemacht. Heute beobachte ich die mir bekannten Schüler im Sin-cos-Alter unauffällig und passe nur noch auf, dass keiner ganz verzweifelt an dem Thema und womöglich persönlichen Schaden nimmt.

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g., Mittwoch, 14. Dezember 2011, 05:22
Ich krame gerade in meinem Gedächtnis. Wenn ich mich recht erinnere, erklärte uns unser Mathe- und Physiklehrer den Sinus- und Cosinus-Kram anhand von Geschossbahnen der Artillerie. Seine Absicht war wohl die Relevanz der Sinusse zu zeigen. Das hat uns Jugendliche nicht wirklich begeistert, aber so hatte es unser Lehrer wohl gelernt. Er war in einem früherer Leben Obersturmführer gewesen. Dafür und für vieles Andere haben wir ihn gehasst.

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venice_wolf, Mittwoch, 14. Dezember 2011, 10:23
Die Geschichten sind ja immer unterhaltsam und geben ausserdem reichlich Denkanstösse, wichtiger scheint es meiner Wenigkeit aber zu diesem Zeitpunkt, zeitgemässere Argumente su entfalten:

z.B:
Dieser Tage stehen sie wieder an, die Firmen-Weihnachtsfeiern. Viele sehen diesen mit gemischten Gefühlen entgegen, denn: Wer zu tief ins Glas schaut, die falsche Frau anbrät – oder den Chef duzt, kann sich nachhaltig die Karriere verbauen.

Damit Sie heuer auch wirklich nichts falsch machen, verrät Benimm-Papst ThoXXX SchXXX-XXXayer 10 goldene Regeln für die Firmen-Fete. Darauf achten – und genießen

1.Keine private Feier: Offiziell. SchXX-XXyers wichtigste Regel: Führen Sie sich bei der Firmen-Weihnachtsfeier immer vor Augen: Es handelt sich um keine private Feier!
2. Bitte keine Untergriffe: Nicht tratschen. Auf bissigen Klatsch und Tratsch verzichten. Begegnen Sie sich weihnachtlich!
3.Vorsicht mit Du-Wort: Day after. Der Chef bietet Ihnen im angeheiterten Zustand das Du-Wort an? Dann warten Sie am besten ab, wie Sie vom Boss am „Day after“ angesprochen werden.
4.Mäßig Alkohol: Nicht saufen. Anstoßen ist erlaubt. Faustregel: Nie mehr trinken als der Chef!
5.Gehaltserhöhung tabu: Tabuzone. Auch wenn der Chef Ihnen so nahe ist, wie schon lange nicht – ja nicht auf die Gehaltserhöhung ansprechen. Das nervt.
6.Dancing Star mit Stil: Abstand halten. Tanzen ist erlaubt, aber halten Sie Abstand, begrapschen geht gar nicht!
7. Dresscode elegant: Kein Büro-Bunny. Ein Cocktailkleid ist okay, aber nicht zu kurz und bitte nicht zu tief dekolletiert. Ansonsten bleiben Sie den Kollegen nachhaltig als Büro-Bunny in Erinnerung.
8.8. Küssen ist tabu: No Kisses. Auch hier gilt das unter Punkt 1 Gesagte: Eine Weihnachtsfeier ist keine private Feier!
9.Flirts sind okay: Mit Anstand. Flirts sind okay, sofern die Anstandsregeln eingehalten werden. Achtung: Vorgesetzte dürfen nie das Autoritätsverhältnis missbrauchen!
10.Gute Laune: Alles happy. Last but not least: Bringen Sie bei diesem Event gute Laune mit, wer mieselsüchtig herumhängt, fällt beim Chef unangenehm auf.

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nnier, Mittwoch, 14. Dezember 2011, 16:51
Zu meinem Glück habe ich mir die Karriere so nachhaltig verbaut, dass ich tief dekolletiert und mieselsüchtig auf der heurigen Weihnachtsfeier jede Menge Untergriffe vornehmen kann, bis alle Büro-Bunnys das Autoritätsverhältnis missbrauchen und mir eine Gehaltserhöhung anbieten werden. Im Jänner weiß das eh keiner mehr!

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venice_wolf, Mittwoch, 14. Dezember 2011, 18:21
Ich habe heuer einer Stimme gefolgt die mich im Wachzustand auf 7 Chistkindlmärkte gebracht hat - ohne was zu kaufen, ist doch nur Ramsch und teuer auch noch. Höchstens einen Glühwein ab und zu, welcher bei Temperaturen von 8-10 °C ganz komisch schmeckte. Jetzt habe ich vom ganzen genug und ziehe den Kopf bis 9/1/2012 ein. Heuer werden alle Feiern abgesagt. Bis auf den 23/12 aber das ist was anderes.

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jean stubenzweig, Mittwoch, 14. Dezember 2011, 11:29
Mit fällt, wenn das Wort Geometrie gechrieben steht, immer nur dieser Don Juan ein.

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nnier, Mittwoch, 14. Dezember 2011, 23:29
Den kenne ich genausowenig wie die Vorlage(n) oder Mozarts Oper, deshalb habe ich gerade einmal nachgelesen - und immerhin habe ich (nach mieselsüchtig und Untergriff) schon wieder ein neues Wort gelernt: "Don Juan ist ein Intellektueller, wenn auch von gutem Wuchs und ohne alles Brillenhafte."

Finden Sie es denn lesenswert?

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jean stubenzweig, Donnerstag, 15. Dezember 2011, 11:38
Der Frisch birgt Überraschungen – berücksichtigt man die Zeit seiner Entstehung und das Thema Don Juan an sich, das heutzutage möglicherweise so alt daherkommt wie der Herr selbst. Besonders gefallen hat mir die (Selbst?)Ironie, mit der Frisch operiert. Besser gefallen als die von mir gesehenen Theaterinszenierungen hat mir das Buch. Nach meinem Prinzip des Kopfkinos hat die Dramaturgie dabei mehr die Freiheit des assoziativ gedanklichen Gestaltens.

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