Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Dienstag, 5. Januar 2016
Mein G-Punkt
nnier | 05. Januar 2016 | Topic Musiq
Es gibt Dinge, die wird man anscheinend nicht los. Bei mir gehört dazu eine gewisse Empfänglichkeit für die Musik einer weithin mit Inbrunst gehassten Band. Coolnesspunkte sammelt man damit keine, aber wir sind ja nicht zum Spaß hier; und da es mich regelmäßig überkommt, muss ich mich dem Thema schließlich und endlich einmal stellen.

Fangen wir so an: Als alles längst vorbei war, auch für mich persönlich, kamen sie wiedervereint und gewohnt bombastisch für eine letzte Tour zurück. 2007 war das und mithin gute 15 Jahre nach der letzten gemeinsamen Platte. Da stand ich in Hamburg im Regen mit meiner Skepsis gegenüber der Maschinerie und dachte über den Zynismus nach, der auf dieser Veranstaltung zu liegen schien. Denn gerade der Sänger machte auf mich einen wirklich abgewichsten Eindruck: Ich ertappte mich jedenfalls zweidreimal bei dem Gedanken, dass der seine Zuschauer verachtet und seine Bandkollegen nicht mehr leiden kann, aber einmal noch Heu einfahren und vielleicht auch das gefledderte Ego des ehemaligen Superstars gestreichelt haben wollte, dessen Namen zu dem Zeitpunkt schon keiner mehr aussprechen mochte.

Ich stand da aber auch mit meinem lieben Sohn, und der erzählt mir bis heute, wie froh er ist, dass er dabeisein konnte und wie sehr er bedauert, dass dies das einzige Mal geblieben ist, denn, so seine Wahrnehmung, das war eins seiner besten Konzerte.

Ein bestimmtes Album habe ich gar nicht auf CD, sagte ich ihm neulich, und das war die Scheibe, mit der es für mich so richtig losgegangen ist: Mama, dieser totgespielte Song, hat bei mir damals etwas in Gang gesetzt, jahrelange Obsession und wildes Sammeln. Noch kam einem der Phil-Collins-Drumsound ja nicht zu den Ohren raus, und die dunkle Stimmung des Songs mit der leicht irren Lache war mir ein willkommener Gegenpol zur sonstigen Hitparadenmusik. (Dass sie die Hitparaden bald und für Jahre komplett kapern würden, bis alle nur noch kotzten, war noch nicht unbedingt abzusehen.)

Jetzt hat er mir das Album zu Weihnachten geschenkt und mich getriggert: Durchaus skeptisch legte ich es ins Abspielgerät. Erschreckend, dachte ich, wie nahe das nach über 30 Jahren noch ist, schon klebte ich fest und ließ die Scheibe nicht mehr aus dem Gerät. Und dann geht es wieder los, dann muss ich noch mehr Lieder anhören und endlos in den Fanforen herumlesen, eine sehr ambivalente Geschichte, da ich mich in diesem erstarrten Universum zwar sofort wieder heimisch, aber nie lange glücklich fühle.

Dennoch, ich war jetzt wieder ein paar Tage da drinnen und habe Ihnen etwas mitgebracht:

10 Gründe, diese verdammte Band zu mögen, die immerhin sechs Studioalben aufnehmen musste, bevor zum ersten Mal die Worte "I love you" in einem Lied vorkamen (und dann auch nur als Zitat!) Uff. Und ich bin für die nächsten Monate vielleicht erst mal wieder darüber hinweg.

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Samstag, 2. Januar 2016
Immer diese Abschiede
nnier | 02. Januar 2016 | Topic In echt
Das Jahr hat nicht mal richtig begonnen, da steht der erste Abschied an: Unsere liebe Brasilianerin wechselt planmäßig in die nächste Familie.

Mensch, L.! Das ist doch gar nicht lange her, dass du zu uns gekommen bist und erst mal über die vielen Fahrräder am Flughafen gestaunt hast. Du hast mächtig viel Gepäck dabeigehabt, mir hat es halb den Rücken gebrochen, aber auf die niedrigen Temperaturen warst du nicht wirklich eingestellt mit all deinen Kleidchen und Ballerinas, oder?

Wir sind noch am selben Tag mit dir Essen gegangen, Flammkuchen, und du warst über die großen Portionen sichtlich erleichtert: Essen ist wichtig für dich, das sagst du selber und ist mir sehr sympathisch!

Dass du dich auf dem Fahrrad anfangs unsicher gefühlt hast, habe ich nicht gleich gemerkt, denn du hattest vorher so von Fahrrädern geschwärmt und dich auf dein Gastfahrrad gefreut. Aber da, wo du herkommst, kann man einfach nicht fahren, das habe ich erst später verstanden, und jetzt flitzt du durch die Stadt wie alle anderen. Busse und Bahnen benutzt du genau so selbstverständlich und hast dir in der kurzen Zeit ein richtiges Sozialleben hier aufgebaut mit Tanztraining, Volleyball, Theater und vielen Freunden.

"Ja, habt ihr überhaupt was von ihr, wenn sie so viel unterwegs ist", wurden wir manchmal gefragt, und ich würde sagen: Auf jeden Fall! Das hat, so empfinde ich es, einfach gut gepasst für beide Seiten, denn wir müssen arbeiten und können nicht jeden Tag eine Rundumbetreuung organisieren, und du bist keine, die den ganzen Tag zu Hause sitzt und unterhalten werden will. Wenn wir trotzdem oft zusammen gekocht, Plätzchen gebacken, die Spülmaschine ausgeräumt, Skull King gespielt oder einfach geredet haben, hat mir das immer großen Spaß gemacht, und wie einfach das inzwischen geworden ist, kann ich kaum glauben!

Schließlich bist du mit nicht mehr als ein paar Brocken Deutsch hier angekommen, und die ersten Wochen haben wir Englisch miteinander gesprochen, wobei du deine neu gelernten Wörter immer gleich eingebaut hast: "On the next Wochenende, I would like to ...", das fand ich toll und ist doch kein Vergleich mit den langen, komplizierten Sätzen, die du jetzt so selbstverständlich sprichst, Zeitformen und Konjugationen inbegriffen.

Wichtiger als das finde ich, dass man zusammen lachen kann, das haben wir oft getan und werden wir morgen früh bestimmt noch mal tun, wenn die Gäste zu deinem Abschiedsfrühstück kommen, aber davon weißt du ja noch nichts!



Du musst immer lächeln, wenn ich deinen Namen aussprechen will, dabei denke ich, ich mache es richtig: Liebe L., bleib, wie du bist, und sei immer so glücklich wie im brasilianischen Restaurant in Berlin (wo du unglaubliche Mengen Fleisch verdrückt hast) oder beim Kochen von 2,5 kg Rinderhack in einem großen Topf, genieß den Rest von deinem Austauschjahr und besuch uns, OK?

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Dienstag, 29. Dezember 2015
Damit ich dich besser kochen kann
nnier | 29. Dezember 2015 | Topic Gulp


Jedes Jahr bekommt die Firma einige Flaschen geschenkt, ich nehme dann auch eine und habe schon einiges damit gekocht. Auf die Idee, ihn zu trinken, bin ich bisher nie gekommen; so ein Forschungsprojekt erfordert aber eine hinreichende empirische Basis, also her damit.

Der Name Rotkäppchen lässt erahnen, dass es sich um einen Gebrauchswein handelt, die typische Fünfeuroflasche, und das muss nichts Schlechtes heißen. Herr Dornfelder, so vermute ich, wohnt neben Eduard Zimmermann im ZDF der frühen 80er. Pfälzisch-saumägisch klingt das, nicht eben verlockend, aber vielleicht trügt das Vorurteil?

Ursprünglich ein "Deckwein", lese ich, denn sein dunkles Rot eigne sich gut dazu, andere Sorten aufzuhübschen. Und tatsächlich, im Glas sieht das gar nicht verkehrt aus, der Geruch allerdings lässt sich nicht gut fotografieren, und da haben Sie Glück: Muffig wie ein schlechter Calvados kommt es einem da entgegen, nichts gegen Eichenfässer, aber das war wohl eher eine veralgte Schiffsplanke.

Neulich sollte es Sauerbraten geben, da goss ich schon mal die Lake weg, um besser an das schöne Stück Rindfleisch zu gelangen. "WAS. HAST! DU? GEMACHT!?", wurde ich angefunkelt, dann gab es hektische Telefonate mit der Rezeptmutter und eine Eins-A-Soße aus im wesentlichen einer Flasche Rotwein, also ich habe selten einen so guten Sauerbraten gegessen, sagten auch die Gäste, und speziell die Soße: Fantastisch, genau das richtige Verhältnis von Sauer zu Süß, nicht so eine Essigplörre.

"Halbtrocken", das kann nichts werden, und was ich nicht verstehe: "Die Säureausprägung [...] ist eher moderat, was säureempfindlichen Verbrauchern entgegenkommt", behauptet man, aber außer Säure und roter Farbe ist da nicht viel, nur diese Algenbeplankung.



Rotkäppchen Dornfelder halbtrocken von 2011, 12%. Firmengeschenk, bei Rewe ungefähr 5.- EUR. Zum Trinken für mich nichts, riecht muffig, schmeckt sauer, aber überzeugend als Sauerbratensoße (mit Preiselbeeren usw., Rezept kann erfragt werden).

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Sonntag, 27. Dezember 2015
71@71:#27
nnier | 27. Dezember 2015 | Topic Musiq
Man kann das Lied gut 30 Jahre später, wenn man also deutlich über 70 ist, natürlich einfach live spielen: Nach den hohen Tönen muss man sich gesanglich inzwischen strecken, aber der knackige Bass und das funkige Gitarrenriff bringen den Song ganz locker nach Hause. Echt nicht schlecht, sage ich da, und auch deutlich besser als die mit Samples und Drum-Gepose aufgeblasene 89/90er-Version, an der ich mich auf dieser Tour bald überhörte: So klingt das doch nach einem brauchbaren Stück Rockmusik!

Dabei ist das ganze Stück ein Witz, eine dieser Heimstudiospielereien ohne jede ernstzunehmende Produktion: Mikrophon einstöpseln und einen monotonen Schlagzeugtakt aufnehmen - klingt wie ein Schuhkarton, aber man weiß ja, wie es gemeint ist. Dann diese eine Idee, das gute Riff, mit der E-Gitarre einspielen: Es wird schon ein Song draus werden, am Bass ist man ja ohnehin Weltklasse, also den gleich hinterher und ein wenig dünnes Gedudel auf dem "Synthesizer", das ist so ein neuartiges Gerät zur künstlichen Klangerzeugung. Jetzt mit Kopfstimme und VariSpeed-Bandmaschine einen möglichst unscharfen, körperlosen und verhallten Gesang darüber, fertig ist das Mondgesicht.

Es ist eine lustige Idee, ausgerechnet zu diesem Song ein professionelles Video State of the art drehen zu lassen - muss man sich mal vorstellen, das sieht aus wie ganz viele Menschen und dabei ist es immer ein- und derselbe! Was da inzwischen elektronisch möglich ist: Der Hammer, ich hab mir sagen lassen, die machen das irgendwie mit einer blauen Wand.

Auch das natürlich ein Witz: Als bräuchte man zehn Personen, um diesen dünnen Sound hervorzubringen! Allein vier virtuelle Blechbläser stehen da und pusten leer in ihre Saxo- und sonstigen Phone, während doch nur kläglich das Keyboard klimpert.

Angeblich war es dieser Song, der Lennon sagen ließ: Wenn Paul jetzt wieder gute Musik macht, dann fange ich auch wieder an. Das Lied ist ein Witz, aber ein guter.

Platz 27: Coming Up (1980)

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Freitag, 25. Dezember 2015
Der mit den zwei ^
nnier | 25. Dezember 2015 | Topic Gulp


Ach, so ist das! Wenn man Côtes du Rhône heißt, dann besteht man automatisch aus "aus mindestens 40 % Grenache Noir und mind. 15 % Syrah und/oder Mourvèdre" [Q]. Nicht, dass mir das besonders viel sagen würde, aber immerhin klärt das teilweise meine Frage, warum auf den Flaschen oft keine Rebsorten angegeben sind. Ich dachte immer, schön und gut, wenn man weiß, woher der Wein kommt - aber woraus er besteht, das würde einen doch auch interessieren!? Verschnitt also, mhm, und wenn man die geschützten Gegenden kennt, dann weiß man zumindest grob, was drin ist. Mhm.

Natürlich kann man das dann noch bis zum einzelnen Weingut und zur Bodenbeschaffenheit und zum Jahrgang herunterbrechen, das ist klar, und dieser hier ist also mehr so allgemein, mhm, aus dem Rhonetal und mit mindestens soundsoviel Prozent von irgendwas, mhm.

Schmeckt nicht schlecht - auf Anhieb sogar sehr entgegenkommend, trocken mit ordentlich Frucht, so dass man sich schon freuen will und die Flasche sehr schnell leer ist. Allerdings fehlt für die langfristige Begeisterung ein wenig Widerstand, etwas zum dran Kauen, die kleine Irritation in Mund oder Rachen: So ist er nicht mehr und nicht weniger als ein nettes Tröpfchen, das man gut trinken kann, ohne dass er bleibende Spuren im Gedächtnis hinterlässt.



Côtes du Rhône von 2011, 13,5%. Irgendwas mit Bio, vermutlich von Aldi, Preis unbekannt. Die Richtung stimmt, ganz nett, aber eher harmlos.

Ihnen allen frohe Weihnachten, übrigens!

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