Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Montag, 26. Januar 2015
Unplugged
nnier | 26. Januar 2015 | Topic Ja nee
Irgendwie muss ich ins neue Jahr gekommen sein, dann saß ich an meinem Arbeitsplatz und konnte plötzlich nicht mehr denken. Ein Glas Wasser wäre nett, versuchte ich zu krächzen, bloß dass ich alleine im Büro saß und die im Flur dachten, der schläft halt ne Runde. Man bettete mich auf den Boden und fuhr mich nach Hause. Ich muss schlafen, sprach ich zu mir und schritt noch in der Jacke zur Tat.



Das war vor ein paar Tagen. Seither habe ich die Wand eingehend studiert, fühle mich von dieser Tätigkeit geradezu erfüllt und habe sie auch noch nicht abgeschlossen, das wurde mir hinreichend klar, als ich sie heute unterbrechen musste. Der Ärztin sollte ich kräftig die Hand drücken ("Fester!" - "Trau mich nicht" - "Los" - "OK, auf Ihre Verantwortung" - "Wie, mehr geht nicht?"), dann die Backen aufblasen, Stirn runzeln, blöd grinsen, Augen rollen, fast wie auf der Arbeit war das, und ich soll mal richtig abschalten.

Stecker raus, Zitronentee ans Bett! Zinksargnagel und letzter Pfennig liegen ohnehin bereit. Irgendwann, wenn keiner guckt, baue ich daraus eine Notbatterie und höre heimlich Musik.

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Donnerstag, 8. Januar 2015
Vive
nnier | 08. Januar 2015 | Topic 'umor & more
Sie vertreten eine todernste, einzige ewige Wahrheit, und der Witz [...] bedroht diese Wahrheit. Religion (und so manch andere Weltanschauung) ist Wahnsinn im Kleide der Rationalität, Satire und Komik Rationalität im Kleide des Wahnsinns. Das eine muß das andere mißverstehen. Deshalb werden Vertreter des heiligen Ernstes der Komik stets mit Zorn begegnen. Und es ist ihr gutes Recht. Solange sie dies mit denselben Waffen wie Satiriker tun: mit Wort und Bild. Und nicht mit Maschinenpistolen.

[Tim Wolff: Es lebe der Witz!]

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Sonntag, 4. Januar 2015
Nicht jede Klassenfahrt
nnier | 04. Januar 2015 | Topic Gelesn
Es gibt sehr schöne Passagen, in denen wir tief eintauchen können in's MV [Märkische Viertel; nnier] und die seltsame Schule und die späten 70er, frühen 80er... aber manches bleibt sehr kalauerhaft, zerdehnt, bemüht. Manche Teile wirken auf eine Art geschrieben, daß sie vorlesetechnisch gut von Fil performt werden könnten - beim Selberlesen macht das auch nicht soviel Spaß.
[Eine Am*zon-Rezension, nicht von mir]

Ich schreib jetzt nicht jede Klassenfahrt, die ich gemacht habe.
[Fil im Deutschlandfunk-Interview bei ca. 2:40]



Das ist dann schon schade, wenn ein Lesezeichen beiliegt und man schaut sich das an und freut sich über diesen typischen Fil-Humor: "Spielen Sie nicht mit mir, ich liebe Vampirlyrik!", das alles ist ganz toll, und so oft sagt man im Leben ja nicht: Super Lesezeichen schon mal!

Ich habe da oben geschrieben: "Nicht von mir", denn das könnte fast von mir sein. Ich bekam Die ulkigsten Kommmix fon Phil in der originalen Packpapierausgabe von einem Westberliner Freund geschenkt und bin seitdem Fanboy. Ewig später, als er die komische Inselstadt endlich mal verließ, war ich vor Freude ganz außer mir über die ersten Auftritte, denen ich beiwohnen durfte: Eine solche Humordichte auf allen Ebenen, ständig unterlaufene und übertroffene Erwartungen, Meta ohne Besserwisserattitüde, Selbstverarschung ohne Anbiederei, fröhliches Dilettieren bei großer Genauigkeit im Detail, das kannte ich aus seinen Comics und war völlig baff, dass das auf der Bühne auch möglich ist. Da könnte man 25 Fun-Freitage kondensieren und würde nicht ansatzweise so intensiv an den Synapsen gekitzelt.



Ich hätte über die Lande fahren und seinen Namen noch viel vehementer preisen mögen als mit solchen zarten Andeutungen, bloß dass dann diese alte Eifersucht zum Tragen kommt, man will den für sich alleine haben, auch wenn das schon mit den Beatles nicht geklappt hat. Die ganze Nummer: Der soll bloß nicht zu erfolgreich werden, am Ende finden ihn die Honks plötzlich auch toll und tragen Baseballkäppis, auf denen Schiggenfaggä steht, und so sitzt man missgünstig in der Falle, will immer erzählen, wie toll der ist, und ihn gleichzeitig in Zellophan wickeln, damit er bloß nie bei 7 Tage, 7 Köpfe eingeladen wird.

Schon der Umzug von der winzigen in die normalgroße Veranstaltungsstätte lässt einen da argwöhnen, missmutig starrt man auf die anderen Besucher und würde ihnen am liebsten ein Bein stellen, hier, kuck mal, Fil, ich bewahre dich davor, kommerziell zu werden!



Und man hat den ganzen Mist schon oft erlebt, wie Leute mit den falschen Sachen erfolgreich sind, ob das Penislesungen sind oder Fraktus-Konzerte, bei denen plötzlich die Massen johlen und tanzen, dabei will man doch bei solch seltener Gelegenheit von zerfurchten Grüblern und angsteinflößend Wahnsinnigen mit schwerer Kost versorgt werden, um den Alltag bis zum nächsten Mal durchzustehen: Mein Dasein wird durch Juwelen wie die Welt des Jürgen Dose bereichert, für die Massenversorgung ist die Humorindustrie mit ihrer genormten Häppchenproduktion zuständig, also geht doch bitte alle bei Bully Herbig ablachen und latscht nicht über die Trüffeln.

Dann noch die unglaublich langweilige Tastache, dass früher alles besser war: So schwer es mir fällt, das auszusprechen, aber auch meine Helden können das Niveau nicht immer halten, da lese ich gutwillig jedes neue Buch von Heinz Strunk und denke, ja, hm, ehrenwerter Versuch, aber am liebsten würde ich noch mal das Programm Mit Hass gekocht oder etwas Vergleichbares sehen.

Und damit zurück zu Fil, denn auch seine letzten Shows konnte ich ohne dunkle Flecken im Schritt verlassen und musste auch nicht mehr bei jedem neuen Didi&Stulle meine Umwelt tagelang mit debilem Grinsen und schlecht imitiertem Berliner Dialekt penetrieren, so wie das bei Höhepunkten wie Didis Höllenabenteuer einfach nicht zu vermeiden war.

Es ist vollkommen ungerecht, da erwartet man immer mehr und mehr ausgerechnet von den Leuten, die einem schon so viel gegeben haben, die sollen doch bitteschön auf eigene Kosten durchs Land reisen und vor kleinem (aber erlesenem!) Publikum Verluste erspielen, während irgendwelche Flachköpfe die Haribo-Millionen abgreifen.



Pullern im Stehn. Die Geschichte meiner Jugend ist nun nicht im Selbstverlag und nicht bei Reprodukt, sondern bei Rowohlt erschienen und zum Teil ganz interessant (genauer gesagt habe ich das Buch in einer durchwachten Nacht am Stück weggelesen). Für die nun anstehende Promotour wünsche ich ihm nicht nur weniger holprige Interviews als solche, sondern auch anständige Verkäufe, die hat er sich verdient. Vom eigentlichen Fil kommt für mich in der verdichteten Form, sei es im Comic oder auf der Bühne, deutlich mehr herüber als in den gesammelten Jugendschwänken, denn auch wenn ab und zu eine ernste Grundierung durchscheint, stehen die meisten Episoden für wenig mehr als für sich selbst. Etwas mehr Punk bzw. Entschlossenheit, dem Leser mal einen reinzuwürgen oder ansatzlos ins Absurde zu driften, hätte ich dem Buch gewünscht, in dem freundlich vor sich hingeplaudert wird und einmontierte Science-Fiction-Fantasien eher unmotiviert auftauchen (und abbrechen).

Man kann vielleicht kaum vermeiden, so ein Rowohlt-Publikum beim Schreiben immer mitzudenken. Fils Geschichte hätte ich deshalb lieber in einem Packpapierfanzine gelesen.

Trotzdem, Leute: Das Lesezeichen ist 1A!

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Mittwoch, 31. Dezember 2014
Uns geht's ja noch Gold
nnier | 31. Dezember 2014 | Topic Klar jewesn
Auch das Taschengeld von Niko (11) aus Cuxhaven ging drauf. Sein Vater Jörg: "Wir sind um 7 Uhr losgefahren, um seine 90 Euro in Raketen, Silberkreisel, Fontänen zu investieren." [Q]

Kommen Sie gut rüber und machen Sie das Beste draus!

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Dienstag, 30. Dezember 2014
Dickhead
nnier | 30. Dezember 2014 | Topic Brainphuq
Sekundärerer Krankheitsgewinn ist doch immer noch das Geilste. Diese Stille! Ein Teller Käsebrote, lauwarmer Tee, Weihnachtsplätzchen. Zucker hilft gegen Kopfschmerzen, Kaffee hilft gegen Kopfschmerzen, dazwischen Aspirin und in den schwarzen Tee einen guten Schuss Cognac. Krustenkandis braun.

Der Weihnachtsbaum war diesmal ein gekaufter, ich weiß gar nicht, wie sie den ins Auto bekommen hat, und jetzt Vorsicht, die Spitze!, nein, ich sag dir nicht, was der gekostet hat. Aufpassen mit der Spitze! Du, der sieht ganz schön groß aus.

Wir haben mit der Spitze eine dunkle Spur an der Zimmerdecke hinterlassen, den Baum wieder hingelegt, stundenlang am Stamm herumgesägt, bring noch mal raus, Obacht mit der Spitze!, dann kam die Trennscheibe zum Einsatz, die brannte das quasi weg, hinterher qualmte es noch ewig aus den Zweigen.

Wie sich alle plötzlich gestehen, dass sie Udo Jürgens mochten. Auf den beiden Wim-Thoelke-Platten waren mit Merci, Chérie und Siebzehn Jahr zum Glück auch die richtigen Lieder gewesen, das hob sich für mich schon als Kind deutlich ab von Chris Roberts und Rex Gildo. Einmal, viel später, hörte ich laut Udo Jürgens, da kam die Frau aus der unteren Wohnung und war merklich verunsichert: Ist das jetzt ernst oder ironisch, und ich sagte, nee, nee, das ist schon ernst.

Die Frisörin bietet mir ein Gläschen selbstgerührten Schokolikör an, dann prosten wir auf Udo und erzählen uns von dieser einen guten Dokumentation zu seinem 80. Geburtstag. Darin nur angedeutet die schaurige Begebenheit mit einem Hannoveraner Betonunternehmer, der zur Betriebsfeier Udo Jürgens samt Orchester aufspielen lässt: Das war den Leuten völlig wurscht, die quatschten weiter und ließen ihre Kinder herumrennen, und irgendwann, man sieht das gar nicht in dieser Fernsehsendung, muss der Betonmann sich das Mikrophon gegriffen und lautstark "die alten Hits" eingefordert haben.

Mit solchen Demütigungen muss man auch erst umgehen können, das hat er sicher früh gelernt, und am Ende sei man auch bei diesem Gig, so Udo, "als Sieger" von der Bühne gegangen. Und dieses eine Mal, muss ich immer denken, hätte er sein Ethos und Pflichtgefühl beiseitelassen dürfen: Kommt, wir gehen, lasst denen eine CD von Klaus & Klaus hier.

Einmal erzählte jemand etwas über asiatische Pianisten, die notengetreu und technisch perfekt Bach oder andere Europäer spielen, da sei eigentlich nichts auszusetzen, aber es bleibe ein Eindruck von fehlender seelischer Resonanz. Ich musste oft darüber nachdenken, gerade weil klassische Musik so gar nicht mein Fachgebiet ist, und weil man zwangsläufig auf das unsichere Gebiet von "irgendwie" und "fühlt sich an" gerät. Am besten erst mal Doppelblindtests durchführen und die Korrelationen auswerten!

Ich muss dran denken, weil ich ein Buch von Haruki Murakami geschenkt bekommen habe, über den ich gar nichts weiß. Und beim Lesen dieser Kurzgeschichten (die zum großen Teil gut sind) ging es mir manchmal so: Ah, jetzt will er den Kafka geben, es mag aber nicht so recht resonieren. Kann aber auch an mir liegen.

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