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nnier | 11. Januar 2013 | Topic Klar jewesn
ein bösz weib ist ... ein gewixter wettermantel, in dem das wasser der ermahnung nicht eingehet [Q]
Ich sag ja nicht. Ich mein ja nur.
Ich sag ja nicht. Ich mein ja nur.
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Mir war das manchmal zuviel, dieses ehrfürchtige: Bowie, dieses: Er hat sich immer wieder neu erfunden, und als wäre es ein Bestandteil des Weltwissens der Siebenjährigen: Der Thin White Duke! Und: Ziggy!
Natürlich hatten die wichtigen Ereignisse vor meiner Zeit stattgefunden. Ich lernte ihn dann als kreuzbeliebigen Popstar der 80er kennen, mit Poppertolle und Schulterpolstern im Video zu "Let's dance", einem Lied, das ich damals nicht besonders mochte (was sich inzwischen geändert hat), und bevorzugte das schön geradeausgerockte "Modern Love" von derselben LP. Gekotzt habe ich über "Dancing in the Street" mit Mick Jagger, die Schultern gezuckt über "This is not America" mit Pat Metheny, dann kam die Zeit der teuren CDs, als ich mir die Hitsammlung Changesbowie besorgte, woraufhin ich natürlich Major Tom ins Herz schloss ("Can you heeere - am I sitting in my tin can ...") und auch "Heroes" zu schätzen lernte.
Er war mir durchaus sympathisch und als einer von den Guten verbucht, trotzdem wurde ich kein Bowie-Jünger. Ich sah das ja alles irgendwie ein, war aber vielleicht ein paar Jahre zu spät dran, um das Einzigartig-Neue wirklich zu spüren, es war mehr Lexikonwissen: Ein wichtiger Künstler aus dem und dem Grund, und vielleicht sollte man mal die ganzen alten Platten hören.
Gefreut habe ich mich im Kino: "I'm deranged", eröffnete (und schloss) Bowies Bariton den phantastischen Lost Highway von David Lynch, den ich jahrelang als Lieblingsfilm in alle Freundschaftsbücher eintrug. Ein tolles Lied, das mich in der Folge dazu brachte, irgendwann in den 90ern muss das gewesen sein, die CD Earthling zu erwerben, die ich noch heute gerne hervorkrame. Mit diesem Drum-and-Bass-Album mag er für manchen Fan gqr zu peinlich auf den Zeitgeist-Markt abgezielt zu haben (an diese Kritik meine ich mich zu erinnern: Jetzt rennt er der Mode hinterher!), ich aber mag viele dieser dicht strukturierten Stücke* und bin historisch völlig unbelastet.
Und das war's schon! Ich weiß nichts über Tin Machine und warum Glass Spiders so eine schreckliche Tour gewesen sein soll. Aber ich war doch ein wenig neugierig, als es heute von überall her scholl: Es gibt ein neues Lied von Bowie! [Alternativer Link]
Wer muss da nicht an David Lynch denken, an die Hasen bei Inland Empire z.B., einem Film, bei dem ich am Ende eingeschlafen bin, oder an das alte Ehepaar am Beginn von Mulholland Drive, einem Film, für den ich Lost Highway aus den Freundschaftsbüchern wieder herausradierte: Bowie als seltsames Plüschdoppelwesen auf dem Sessel singt mit einer Stimme, die sich entweder bewusst zurücknimmt oder nicht anders kann, einer Stimme, die man eindeutig erkennt und die so altersschwach klingt, dass es mich mal wieder richtig anrührt. Schon schön.
--
*Leider nur als Liveversion mit minderer Tonqualität gefunden
Natürlich hatten die wichtigen Ereignisse vor meiner Zeit stattgefunden. Ich lernte ihn dann als kreuzbeliebigen Popstar der 80er kennen, mit Poppertolle und Schulterpolstern im Video zu "Let's dance", einem Lied, das ich damals nicht besonders mochte (was sich inzwischen geändert hat), und bevorzugte das schön geradeausgerockte "Modern Love" von derselben LP. Gekotzt habe ich über "Dancing in the Street" mit Mick Jagger, die Schultern gezuckt über "This is not America" mit Pat Metheny, dann kam die Zeit der teuren CDs, als ich mir die Hitsammlung Changesbowie besorgte, woraufhin ich natürlich Major Tom ins Herz schloss ("Can you heeere - am I sitting in my tin can ...") und auch "Heroes" zu schätzen lernte.
Er war mir durchaus sympathisch und als einer von den Guten verbucht, trotzdem wurde ich kein Bowie-Jünger. Ich sah das ja alles irgendwie ein, war aber vielleicht ein paar Jahre zu spät dran, um das Einzigartig-Neue wirklich zu spüren, es war mehr Lexikonwissen: Ein wichtiger Künstler aus dem und dem Grund, und vielleicht sollte man mal die ganzen alten Platten hören.
Gefreut habe ich mich im Kino: "I'm deranged", eröffnete (und schloss) Bowies Bariton den phantastischen Lost Highway von David Lynch, den ich jahrelang als Lieblingsfilm in alle Freundschaftsbücher eintrug. Ein tolles Lied, das mich in der Folge dazu brachte, irgendwann in den 90ern muss das gewesen sein, die CD Earthling zu erwerben, die ich noch heute gerne hervorkrame. Mit diesem Drum-and-Bass-Album mag er für manchen Fan gqr zu peinlich auf den Zeitgeist-Markt abgezielt zu haben (an diese Kritik meine ich mich zu erinnern: Jetzt rennt er der Mode hinterher!), ich aber mag viele dieser dicht strukturierten Stücke* und bin historisch völlig unbelastet.
Und das war's schon! Ich weiß nichts über Tin Machine und warum Glass Spiders so eine schreckliche Tour gewesen sein soll. Aber ich war doch ein wenig neugierig, als es heute von überall her scholl: Es gibt ein neues Lied von Bowie! [Alternativer Link]
Wer muss da nicht an David Lynch denken, an die Hasen bei Inland Empire z.B., einem Film, bei dem ich am Ende eingeschlafen bin, oder an das alte Ehepaar am Beginn von Mulholland Drive, einem Film, für den ich Lost Highway aus den Freundschaftsbüchern wieder herausradierte: Bowie als seltsames Plüschdoppelwesen auf dem Sessel singt mit einer Stimme, die sich entweder bewusst zurücknimmt oder nicht anders kann, einer Stimme, die man eindeutig erkennt und die so altersschwach klingt, dass es mich mal wieder richtig anrührt. Schon schön.
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*Leider nur als Liveversion mit minderer Tonqualität gefunden
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nnier | 07. Januar 2013 | Topic Klar jewesn
[ ] ARD-Fernsehlotterie (Hauptgewinn)
[ ] REAL Musterhaus
[ ] Champignonzucht
[ ] Elbphilharmonie
Christian Wulff [...] habe sich unlängst darüber beklagt, wie schwer es sei, das bundesweit bekannte Gelbklinker-Eigenheim in Großburgwedel zu veräußern. [Q]
[ ] REAL Musterhaus
[ ] Champignonzucht
[ ] Elbphilharmonie
Christian Wulff [...] habe sich unlängst darüber beklagt, wie schwer es sei, das bundesweit bekannte Gelbklinker-Eigenheim in Großburgwedel zu veräußern. [Q]
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Das ist ja nicht von mir, das hat ja der seltsame Mann gesagt, der da seit ein paar Monaten durch die Gegend rennt und sagt: Ist doch meine Sache, womit ich mein Geld verdiene, ihr Loser, und ich will Helmut Schmidt sein, und als Kanzler verdienst du ja praktisch kaum was, und der Kubicki z.B. ist eine coole Sau trotz rosa Hemden und disst ständig seine Partei und der verdient aber hallo, und wenn ich jetzt trotzdem nicht gewählt werde: Ich kann mir schließlich keine Titten wachsen lassen, selber Schuld, werde ich eben Sparkassendirektor. Mir ist übrigens soziale Gerechtigkeit sehr wichtig und speziell die Rechte der Frauen.
Manchmal erinnere ich mich an die Zeit, in der Franz Josef Strauß in Gestalt eines Fernsehers in der Bonner Runde saß. In dieser beigebraunen Umgebung saßen Vertreter der drei Parteien und aus München zugeschaltet FJS, man hätte den Fernseher eigentlich noch auf eine Puppe montieren können, aber auch so war es eindrucksvoll genug. Ich habe mir das immer sehr gerne angesehen. Meine Freunde fanden Politik langweilig, ich aber schaute mir jede Wahlberichterstattung an und fieberte bei den Prognosen mit und bei den Hochrechnungen und Gewinnen und Verlusten und Mandatsverteilungen und vorläufigen Endergebnissen und erdrutschartigen Verlusten und Wählerwanderungen und alten und wohl auch neuen Ministerpräsidenten, die dann Blumen überreicht bekamen und das ist eine bittere Stunde für die Sozialdemokratie.
Das alles ist natürlich passé, und ich weiß nie so richtig, ob mein Kinderkopf die Welt damals bloß einfacher gestrickt hat oder ob wirklich alles komplizierter geworden ist. Vielleicht sind es ja nur rückblickende Vereindeutigungen: Aber es schien tatsächlich um sozialkulturelle Richtungsentscheidungen zu gehen, das machte die Wahlen ja so spannend, Dregger erzählt vom Krieg, Börner muss mit den Grünen, Lambsdorff schwingt die Wirtschaftspeitsche, die Gewerkschaften sind entsetzt, da boten sich bei allem Geheule über "die Politiker" und bei allem Frust über die Grenzen der repräsentativen Demokratie doch deutlich unterschiedliche Ideen, Ziele und Gesellschaftsentwürfe zur Wahl.
Kann natürlich sein, dass ich im Lauf des Lebens schlicht abstumpfe: Fußball interessiert mich schließlich auch nicht mehr. Und so laufen junge Herren in bunten Hosen hin und her, und so findet auch auf der politischen Bühne eine Castingshow statt: Schon lustig, wie die Merkel den adligen Blender losgeworden ist, und wie die Schavan so triumphierend auf das Handy geschaut hat, und nun zerlegt es sie selber, und wie sie den Röttgen abgesäbelt hat: Respekt, und wie sie sich das Lachen verbeißt, wenn die anderen mit einem "Kanzlerkandidaten" ankommen, chrr-hrr-hrr, und wie sie ihre Zweit- und Drittkarrieren vorbereiten, man will ja schließlich Heu einfahren und einen Beraterposten ergattern oder Vortragsreisender werden. Entscheidungen werden anderswo getroffen, verstehen kann man sie eh kaum noch, also bin ich hauptsächlich gespannt, ob sie diese junge Familienministerin drinlassen oder rausschreiben, die kommt immer so ein bisschen different rüber, aber ich stehe ja auf sowas.
Manchmal erinnere ich mich an die Zeit, in der Franz Josef Strauß in Gestalt eines Fernsehers in der Bonner Runde saß. In dieser beigebraunen Umgebung saßen Vertreter der drei Parteien und aus München zugeschaltet FJS, man hätte den Fernseher eigentlich noch auf eine Puppe montieren können, aber auch so war es eindrucksvoll genug. Ich habe mir das immer sehr gerne angesehen. Meine Freunde fanden Politik langweilig, ich aber schaute mir jede Wahlberichterstattung an und fieberte bei den Prognosen mit und bei den Hochrechnungen und Gewinnen und Verlusten und Mandatsverteilungen und vorläufigen Endergebnissen und erdrutschartigen Verlusten und Wählerwanderungen und alten und wohl auch neuen Ministerpräsidenten, die dann Blumen überreicht bekamen und das ist eine bittere Stunde für die Sozialdemokratie.
Das alles ist natürlich passé, und ich weiß nie so richtig, ob mein Kinderkopf die Welt damals bloß einfacher gestrickt hat oder ob wirklich alles komplizierter geworden ist. Vielleicht sind es ja nur rückblickende Vereindeutigungen: Aber es schien tatsächlich um sozialkulturelle Richtungsentscheidungen zu gehen, das machte die Wahlen ja so spannend, Dregger erzählt vom Krieg, Börner muss mit den Grünen, Lambsdorff schwingt die Wirtschaftspeitsche, die Gewerkschaften sind entsetzt, da boten sich bei allem Geheule über "die Politiker" und bei allem Frust über die Grenzen der repräsentativen Demokratie doch deutlich unterschiedliche Ideen, Ziele und Gesellschaftsentwürfe zur Wahl.
Kann natürlich sein, dass ich im Lauf des Lebens schlicht abstumpfe: Fußball interessiert mich schließlich auch nicht mehr. Und so laufen junge Herren in bunten Hosen hin und her, und so findet auch auf der politischen Bühne eine Castingshow statt: Schon lustig, wie die Merkel den adligen Blender losgeworden ist, und wie die Schavan so triumphierend auf das Handy geschaut hat, und nun zerlegt es sie selber, und wie sie den Röttgen abgesäbelt hat: Respekt, und wie sie sich das Lachen verbeißt, wenn die anderen mit einem "Kanzlerkandidaten" ankommen, chrr-hrr-hrr, und wie sie ihre Zweit- und Drittkarrieren vorbereiten, man will ja schließlich Heu einfahren und einen Beraterposten ergattern oder Vortragsreisender werden. Entscheidungen werden anderswo getroffen, verstehen kann man sie eh kaum noch, also bin ich hauptsächlich gespannt, ob sie diese junge Familienministerin drinlassen oder rausschreiben, die kommt immer so ein bisschen different rüber, aber ich stehe ja auf sowas.
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2013 werden ja diese Schockfotos auf den Verpackungen eingeführt: Gammlige Zähne auf der Cola, gelbe Augen auf dem Schnaps, Furunkel auf der Bratwurst. An der Karussellkasse grüßen abgerissene Gliedmaßen, an der Tankstelle Verbrennungsopfer: It could happen to you!
Ich möchte mal einen Film drehen, herkömmliche Handlung, zwei Männer gehen essen, Kommissare vielleicht oder zwei Ausbrecher aus einem psychiatrischen Krankenhaus, die sich als viel "normaler" entpuppen als die sogenannten Normalen und unheimlich viel Herz haben, weil mit Liebe kann man alles lösen: Für mich bitte einen kleinen Salat. Ich nehme die Zucchinitarte. Und ein Wasser, bitte. Kein Kommentar dazu, keine homophoben Untertöne, kein Tusch, kein Zoom: Einfach, dass die das bestellen und essen, die Handlung soll ganz normal weiterlaufen.
Später dann, und es ist keine Männer- und Frauenklamotte mit Thomas Heinze, gehen ein paar Frauen zusammen essen, es ist aber kein Junggesellinenabschied und es sind auch nicht so Serienmörderinnen, die aber moralisch im Recht sind, weil man ja weiß, dass eigentlich das Patriarchat schuld ist: Sondern einfach, dass die zusammen essen, Boah!, Habe ich einen Hunger!, Ich könnte einen Bären fressen!, Ein Bier bitte und das Jägerschnitzel mit Pommes. Und ich nehme den Grillteller mit extra Zwiebeln.
Dazu ist es wichtig, dass das ein konventioneller Film ist, ein Tatort vielleicht oder sowas wie Rosamunde Pilcher, also man müsste konsequent vermeiden, irgendwelche Mehrdeutigkeiten oder zusätzliche Ebenen hineinzunehmen: Ich stelle hier die Fragen!, müsste es ganz normal heißen, oder: Du darfst mich nie wieder verlassen, Jeremy, versprich es mir!
Unsere Welt wird immer sicherer und gesünder. Das ist schon ein paar Jahre her, da sagte Kollege Sportskanone in die Runde: Ich sehe das nicht ein, dass ich für die Raucher mitbezahle, ich meine ich reiße mir hier den Arsch auf und mache Sport und versuche, unser Gesundheitssystem zu retten - und was tun die! Sollen sie doch sterben! Hätten ja nicht rauchen müssen! Und das lässt sich bestimmt per App ganz wunderbar quantifizieren: Die Höhenmeter mit dem Rennrad im Urlaub und die Low-Carb-Diät von 1996-2003, dann immer ausreichend Nachtschlaf und keine riskanten Sexualkontakte. Energiesparlampen nachweislich seit '98 und damit weit vor der Zwangseinführung, und der Quecksilberunfall mit der runtergefallenen Lampe wirkt sich auch nicht auf den Health-Index aus: Weil wenn du bis Ende 2012 mindestens 50% Energiesparlampen im Haushalt nachweisen kannst (Quittungen beim Energieversorger einreichen und bestätigen lassen), hast du einmal Quecksilberlunge frei oder halt 500 km mit dem Elektroauto.
Es gibt in der Zeit jede Woche eine Seite mit dem Titel Zeit der Leser, die mich auf perverse Weise fasziniert. Hier fasst sich das Bürgertum auf so schamlose Weise gegenseitig an die Pfeife, dass ich vor Rührung weinen muss. Da werden klassische Werke auf öko umgedichtet, auf dass der Bildungsbürger (hört!, hört!) kennerhaft schmunzele, bevor er das Altglas in den Allradvolvo packt und zum Recyclinghof bringt. Belanglose Kritzeleien werden auf eitelste Weise präsentiert (... entstanden während eines Seminars zur philosophischen Phraseologie bei Kierkegaard), die ewiggleichen "Wort-Schätzchen" (oder so) wiedergekäut, all das ist schon eine schwer erträgliche schwarzgrüne Gefühlssoße - das nackte Grauen aber kommt über mich, wenn ich zum Schluss mit Angstlust die Spalte "Was mein Leben reicher macht" lese.
Der Rauhreif am Morgen beim Waldspaziergang! Das freundliche Wort der Bäckereifachverkäuferin! Die Dankbarkeit in den Augen des Ausländerkindes, dem ich (kostenlos) Sprachunterricht gebe! Die guten Gespräche mit meinem alten Studienfreund Günter am Kamin bei einem Glas Rotwein! Dass mir meine Schwester immer die guten Ingwerplätzchen schickt! Wullewulle, heiteitei, jetzt aber ins Kammerkonzert. Wichsen!, würde ich da gerne mal hinschreiben, oder: Soviel saufen, dass man sich in die Hose pisst, oder: Ein Dreier mit Kristina Schröder und Ursula von der Leyen, oder: Meine Mordphantasien.
Das würde natürlich meinen Mental-Health-Index negativ beeinflussen, ich höre es schon: Das sehe ich nicht ein, dass ich für den mitbezahle, ich meine: Wir bringen hier schön das Altglas zum Recyclinghof und wärmen uns gegenseitig, und der wichst einfach, ich meine: Da waren doch seit 2013 sogar diese Schockfotos drauf mit den blauen Genitalien, ich meine: Manchmal hilft wohl nur das drastische Bild, aber selbst das anscheinend nicht in jedem Fall. Noch ein Ingwerplätzchen?
Ich möchte mal einen Film drehen, herkömmliche Handlung, zwei Männer gehen essen, Kommissare vielleicht oder zwei Ausbrecher aus einem psychiatrischen Krankenhaus, die sich als viel "normaler" entpuppen als die sogenannten Normalen und unheimlich viel Herz haben, weil mit Liebe kann man alles lösen: Für mich bitte einen kleinen Salat. Ich nehme die Zucchinitarte. Und ein Wasser, bitte. Kein Kommentar dazu, keine homophoben Untertöne, kein Tusch, kein Zoom: Einfach, dass die das bestellen und essen, die Handlung soll ganz normal weiterlaufen.
Später dann, und es ist keine Männer- und Frauenklamotte mit Thomas Heinze, gehen ein paar Frauen zusammen essen, es ist aber kein Junggesellinenabschied und es sind auch nicht so Serienmörderinnen, die aber moralisch im Recht sind, weil man ja weiß, dass eigentlich das Patriarchat schuld ist: Sondern einfach, dass die zusammen essen, Boah!, Habe ich einen Hunger!, Ich könnte einen Bären fressen!, Ein Bier bitte und das Jägerschnitzel mit Pommes. Und ich nehme den Grillteller mit extra Zwiebeln.
Dazu ist es wichtig, dass das ein konventioneller Film ist, ein Tatort vielleicht oder sowas wie Rosamunde Pilcher, also man müsste konsequent vermeiden, irgendwelche Mehrdeutigkeiten oder zusätzliche Ebenen hineinzunehmen: Ich stelle hier die Fragen!, müsste es ganz normal heißen, oder: Du darfst mich nie wieder verlassen, Jeremy, versprich es mir!
Unsere Welt wird immer sicherer und gesünder. Das ist schon ein paar Jahre her, da sagte Kollege Sportskanone in die Runde: Ich sehe das nicht ein, dass ich für die Raucher mitbezahle, ich meine ich reiße mir hier den Arsch auf und mache Sport und versuche, unser Gesundheitssystem zu retten - und was tun die! Sollen sie doch sterben! Hätten ja nicht rauchen müssen! Und das lässt sich bestimmt per App ganz wunderbar quantifizieren: Die Höhenmeter mit dem Rennrad im Urlaub und die Low-Carb-Diät von 1996-2003, dann immer ausreichend Nachtschlaf und keine riskanten Sexualkontakte. Energiesparlampen nachweislich seit '98 und damit weit vor der Zwangseinführung, und der Quecksilberunfall mit der runtergefallenen Lampe wirkt sich auch nicht auf den Health-Index aus: Weil wenn du bis Ende 2012 mindestens 50% Energiesparlampen im Haushalt nachweisen kannst (Quittungen beim Energieversorger einreichen und bestätigen lassen), hast du einmal Quecksilberlunge frei oder halt 500 km mit dem Elektroauto.
Es gibt in der Zeit jede Woche eine Seite mit dem Titel Zeit der Leser, die mich auf perverse Weise fasziniert. Hier fasst sich das Bürgertum auf so schamlose Weise gegenseitig an die Pfeife, dass ich vor Rührung weinen muss. Da werden klassische Werke auf öko umgedichtet, auf dass der Bildungsbürger (hört!, hört!) kennerhaft schmunzele, bevor er das Altglas in den Allradvolvo packt und zum Recyclinghof bringt. Belanglose Kritzeleien werden auf eitelste Weise präsentiert (... entstanden während eines Seminars zur philosophischen Phraseologie bei Kierkegaard), die ewiggleichen "Wort-Schätzchen" (oder so) wiedergekäut, all das ist schon eine schwer erträgliche schwarzgrüne Gefühlssoße - das nackte Grauen aber kommt über mich, wenn ich zum Schluss mit Angstlust die Spalte "Was mein Leben reicher macht" lese.
Der Rauhreif am Morgen beim Waldspaziergang! Das freundliche Wort der Bäckereifachverkäuferin! Die Dankbarkeit in den Augen des Ausländerkindes, dem ich (kostenlos) Sprachunterricht gebe! Die guten Gespräche mit meinem alten Studienfreund Günter am Kamin bei einem Glas Rotwein! Dass mir meine Schwester immer die guten Ingwerplätzchen schickt! Wullewulle, heiteitei, jetzt aber ins Kammerkonzert. Wichsen!, würde ich da gerne mal hinschreiben, oder: Soviel saufen, dass man sich in die Hose pisst, oder: Ein Dreier mit Kristina Schröder und Ursula von der Leyen, oder: Meine Mordphantasien.
Das würde natürlich meinen Mental-Health-Index negativ beeinflussen, ich höre es schon: Das sehe ich nicht ein, dass ich für den mitbezahle, ich meine: Wir bringen hier schön das Altglas zum Recyclinghof und wärmen uns gegenseitig, und der wichst einfach, ich meine: Da waren doch seit 2013 sogar diese Schockfotos drauf mit den blauen Genitalien, ich meine: Manchmal hilft wohl nur das drastische Bild, aber selbst das anscheinend nicht in jedem Fall. Noch ein Ingwerplätzchen?
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