Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Dienstag, 20. November 2012
Geschlechtergerechter
nnier | 20. November 2012 | Topic Sprak
Mann, Mann, dô. Generisches Femininum, das klingt wie eine exotische Vogelart. Ach nein! Das war ja die äolische Kadenz. Man verwechselt das so leicht! Ouh. Man soll ja nicht man sagen. Meine Bekannte z.B. hat Bürokaufmann gelernt, die sagte neulich: Menno. Man muss echt aufpassen! Ich habe aus Versehen "Chefsessel" zu dem Sessel von meiner Chefin gesagt. Sie natürlich gleich: Chefinnensessel, Fräulein Rührig, das hatten wir doch besprochen, da war doch extra die Coach da, und wissen Sie, was das, also die, gekostet hat. Jedenfalls war der Chefinnensessel kaputt und meine Bekannte konnte ihn nicht reparieren. Sagt die Chefin: Dann holen Sie eben einen Handwerker, mein Gott! Meine Bekannte natürlich gleich so: Eine Handwerkerin, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, und meine Göttin - was übrigens das Thema die Coach angeht, bin ich immer noch nicht überzeugt, es war zwar durchaus eine Frau (wenn wir mal kurz die archaische Geschlechterdichotomie heranziehen wollen), und Coachin verstößt auch gegen mein Sprachgefühl, aber wie wäre es denn, wenn man, äh, wenn jeder, äh, also wenn wir (alle), also nicht wir beide jetzt, sondern jeder - im Sinne von "man" - solche Anglizismen lieber vermeiden oder auf Alternativen ausweichen: Trainer bzw. Trainerin bzw. Trainerperson (wobei man dann eigentlich auch bei der Coachperson - warum eigentlich nicht?), und da wurde sie rausgeschmissen. Sie ist aber gar nicht so unglücklich darüber, im Büro lief immer dieselbe Musik: Söhne Mannheims und Manfred Mann, das hält ja keine Sau aus. Also Säuin.

Aber was ich eigentlich erzählen wollte: Ist das nicht ein wunderschönes Wort! Geschlechtergerechter! Als Adjektiv schon nicht schlecht, geschlechtergerecht, aber erst zum Dativobjekt hingebeugt ("zu geschlechtergerechter Sprache") entfaltet es seinen ganzen Charme. Ein kompaktes Gedicht entbirgt ich da, man beachte die Rhythmik: Geschlechtergerechter, wie Hebungen und Senkungen sich fügen! Wie Zisch- und Reibelaute flutschen, man möchte es von Berti Vogts, ach was: Helmut Kohl deklamieren lassen: Gechlechtergerechter! Rammstein raunt dunkel vor harten Riffs: "Geschlechterrrr! Gerrrrechterrrr!", und man muss das erst mal schaffen, sechsmal den gleichen Vokal und keinen anderen!

Dazu diese zauberhafte Symmetrie, man kann es leicht in eine Formel packen: {Ge[schl,r]echter}, und wenn man sich mal auf die Suche macht, was da alles drin lebt: Geschlecht, gerecht, schlecht, Lech (wie in: Walesa), echt, echter, er, gerechter, Geschlechter - oder rückwärts: rethceregrethcelhcseg, dann sieht man förmlich die DNA unserer Zukunft vor sich.

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Sonntag, 18. November 2012
Scheibchenweise im Dienste des Spitzkohls
nnier | 18. November 2012 | Topic In echt
Mein Frohsinn, mein Frohsinn
Der Gemütlichkeit
Mein Frohsinn, mein Froh-oh-sinn
Der Gemüt-lich-keit




Am nächsten Tag ging ich doch mal in die Chirurgie. Fast wäre ich auch drangekommen, da kam dieses Teenagermädchen und hatte ein dunkelrotes Geschirrtuch um die Hand gewickelt. "Ich hab mir die Fingerkuppe abgeschnitten, ein ganzes Stück", und sie durfte zuerst rein.

Später, ich hatte es mir auf der Liege bereits gemütlich gemacht, kamen die beiden Frauen in Grün. "Eine Defektwunde, was willst du da nähen - ist ja nix da! Gemüseraspel ist ganz typisch", belehrte die ältere ihre junge Kollegin, "trotzdem hätten Sie gleich kommen müssen! Wir können nur in den ersten sechs Stunden etwas machen. Spitzkohl, eh?"



Dann säuberte und wickelte sie mich. "Keine Wasserspiele die nächste Zeit", wurde ich noch ermahnt, hüpfte dankend von der Liege, wünschte einen schönen Sonntag und summte schon wieder dieses Lied.

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Donnerstag, 15. November 2012
Da hat man einmal magische Kräfte und dann ist es auch wieder nicht richtig.
nnier | 15. November 2012 | Topic In echt
Erster Akt.

Seid mal bitte still. Wir machen zum Aufwärmen ein neues Spiel. Das Spiel heißt Peter Pan.

Das kenne ich! Das kenne ich!, schreit der Junge begeistert. Ich will Peter Pan sein!

Warte mal. Ich muss das doch erst allen erklären. Das Spiel geht so: Es gibt drei Fänger.

Aber ich will Peter Pan sein! Darf ich Peter Pan sein!, schreit der Junge.

Du musst warten. Ich habe noch nicht alles erklärt. Also. Es gibt drei Fänger. Die kriegen Bänder. Die müssen dann versuchen, die anderen Kinder zu berühren.

Und ich bin Peter Pan!, schreit der Junge. Ich will Peter Pan sein!

Warte doch mal! Wenn die Fänger jemanden getroffen haben, muss der sofort stehen bleiben. Der darf nicht weiterlaufen! Man muss vor den Fängern immer weglaufen. Aber wenn man getroffen ist, bleibt man stehen und bewegt sich nicht mehr vom Fleck. OK?

Und ich bin Peter Pan!, ruft der Junge.

Sei doch mal kurz still. Wenn alle stehen und keiner mehr laufen darf, haben die Fänger gewonnen. Also man muss versuchen, sich nicht fangen zu lassen. Aber es gibt noch einen besonderen Mitspieler, das ist Peter Pan.

Das bin ich!, ruft der Junge, das will ich sein!

Lass mich mal zu Ende erklären. Die Fänger müssen vor dem Spiel kurz raus aus der Halle. Dann bestimmen die anderen heimlich einen, der Peter Pan sein soll.

Darf ich? Darf ich Peter Pan sein?, ruft der Junge.

Hör doch mal zu. Die Fänger dürfen gar nicht wissen, wer Peter Pan ist. Nämlich Peter Pan hat magische Kräfte und kann die getroffenen Kinder, die stillstehen müssen, wieder befreien. Wenn Peter Pan die berührt, dann dürfen sie wieder weiterlaufen.

Das mache ich!, schreit der Junge, können wir jetzt anfangen!

Also die Fänger sollen nicht wissen, wer das ist, also der Peter Pan muss ganz unauffällig bleiben und wie alle anderen weglaufen. Aber er muss die befreien, die sich nicht mehr bewegen dürfen, und zwar so, dass die Fänger das nicht merken, wer er ist! Nämlich wenn sie ihn treffen, dann haben sie schon fast gewonnen, dann kann er ja niemanden mehr befreien, weil er selber stehenbleiben muss!

Ja!, Ich weiß!, ruft der Junge, können wir jetzt endlich anfangen, und ich will Peter Pan sein!

Also wer will Fänger sein. Du, du, und du. OK. Ihr nimmt euch jeder ein Band und geht mal kurz raus. Wir rufen euch dann rein. So! Also, was meint ihr, wer ist Peter Pan?

Ich! Ich! Ich will das sein!, ruft der Junge.

Ja, das ist jetzt ein bisschen blöd, du hast das so oft gesagt, da denken sich die Fänger das ja gleich. Du darfst später. Jetzt erst mal jemand anders.


Zweiter Akt.

Ein Spiel findet statt. Fänger fangen Kinder, "Peter Pan" befreit sie unauffällig.


Dritter Akt.

So, jetzt geht ihr drei mal raus, ihr seid diesmal die Fänger. Wir rufen euch dann rein. So. Wer soll denn diesmal Peter Pan sein?

Ich!, ruft der Junge, ich will Peter Pan sein!

Na gut, dann bist du es jetzt. Denk dran: Die sollen das nicht merken. Du musst ganz normal vor denen weglaufen. Und dann befreist du heimlich die, die schon getroffen worden sind.

Ja!, Ja!, ruft der Junge, diesmal bin ich Peter Pan!


Musikalisches Zwischenspiel.

La-la, lalala, la la, lalala, tidüü, tidüü.
La lalala, la la, lalala, tidüü, tidüü.
La la la laaa, la la la laaa.
La la la la-ha-ha, la la la laaa.
Tü tü, tütütü. Tü tü, tütütü. Tidüü, tidüü.
Tü tü, tütütü. Tü tü, tütütü. Tidüü, tidüü.

Hum, hum, hum, hum, huuuum:
La, la, lalala, la la, lalala, tidüü, tidüü.


Vierter Akt.

Die Fänger kommen herein, alle Kinder laufen vor ihnen weg. Die ersten werden getroffen und bleiben stehen.

Ich komme!, rennt der Junge hin, schlägt sie mit großer Geste ab und ruft dabei laut und begeistert: Wuuusch!

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Dienstag, 13. November 2012
Der Zustand bin ich
nnier | 13. November 2012 | Topic Klar jewesn


Sehe ich auch so: Tagsüber sind drei Euro ein fairer Preis, da gehört es sich nicht, den Grill mit über die Grenze zu nehmen.

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Samstag, 10. November 2012
Laptop und Lederhosen
nnier | 10. November 2012 | Topic Brainphuq
Bauernregel:
Verliert im Augustn der Bauer die Hose
War gewiss schon im Juli das Gummiband lose

(MAD wie es tönt und stöhnt, 1981)

Neulich, auf dem Rückweg, hatte ich schon ein ganzes Weilchen im Zug gesessen. Die Grenze nach Deutschland war noch nicht lange überschritten, da formte sich im Unbewussten ganz langsam eine Erinnerung. Ich war ja innerlich noch weit weg, ich hing dem allen ja noch ein wenig nach.



Zwar hatte ich bereits eine Nacht in der Zivilisation verbracht und mich mehr schlecht als recht an die Gegenwart anderer Menschen gewöhnt. Etwas aber irritierte mich zusehends, und das war nur zum Teil die Geräuschkulisse. Je länger ich in diesem Zug saß, je näher ich der großen Stadt kam, desto aufdringlicher wurden die Erinerungsfetzen. Woran lag das bloß?

"Alles voller Titten!", erkannte ich plötzlich, hatte es hoffentlich nur halblaut ausgesprochen und kam mit den Gedanken kaum hinterher.

Ich war zuvor noch nicht oft in München gewesen. Einmal 1989, im Oktober, da hatte ich zwar keine Tickets, war aber jung und hoffnungsvoll. Das andere Mal war ebenfalls kalt und grau. Ein paar Jahre waren vergangen, die Hoffnung auch. Wir waren innerdeutsch per Flugzeug angereist, ein Schwachsinn, dann fuhren wir mit U-Bahn oder Taxi nach Neuperlach und zogen unsere albernen Rollkoffer hinter uns her, deren Rädchen auf dem vereisten und mit Split gestreuten Bürgersteig ständig blockierten. All das war völlig hoffnungslos, und wir betraten ein riesiges Zweckgebäude, bekamen Zugangskärtchen und fuhren hoch, schlossen unsere Laptops an und warteten, bis die Zeit verging.

Meist fuhren wir gar nicht in diese, sondern in eine andere Stadt, aber die geklonten Businessmenschen aus Neuperlach waren trotzdem immer dabei, und zwischen allem Kick-Off und Code Walk-Through und Hot Spot Compiler begann ich mich an der Vorstellung zu wärmen, dass die smarten Softwareentwickler und Projektmanager mit ihren Anzügen und Mobiltelefonen plötzlich zur Brotzeit riefen. In diesen deprimierenden Momenten mit Telkos und Travel Arrangements zog ich immer öfter die Phantasie heran, dass der dynamische Dr. Sowieso mit dem stahlgrauen Maßanzug und den gelaserten Koteletten einen Tirolerhut aufsetzt, mit den Händen vor den Knien hin- und herwischt oder im Besprechungsraum um eine kurze Pause zum Platteln bittet.

Zur Chiffre für diese bis zum Exzess ausgereizten Szenarien wurde ein ganz bestimmtes Melodiefragment, und zwar dieses:

Ta - ta - ta - taaaaaa, ta - ta, ta-ta-ta-ta-ta, ta-ta-ta-ta-ta-ta, ta-ta-ta-ta-ta-ta, taaaaaa ta - ta, ta-ta-ta-ta-ta, ta-ta-ta-ta-ta-ta ta,

das kennen Sie bestimmt auch.

Wenn die Zeit nicht vergehen wollte, oder im Taxi, oder im Aufzug, oder auf dem Weg ins Meeting, linderte es zuverlässig den Schmerz, die ersten Töne dieses wunderbaren Liedchens so leise wie möglich zu summen, so dass bloß der Leidensgenosse es hören sollte: Ta - ta - ta - taaaaa ...

Das reichte ja schon, denn der tröstende Film im Kopf lief sofort an, wenn sie einen ins distinguierte Whisky-Lokal führten, damit man nicht mal abends seine Ruhe hatte: Guten Abend, Herr Sowieso, darf ich Ihren Mantel nehmen, der Clubbereich ist selbstverständlich reserviert, zum Einstieg empfehle ich den 98er Ardbeg, und für Ihre Gäste mach ma zerst amoi a zünftige Musi, nehmen'S Ihre Tuba bittschön, oans, zwoa: Ta - ta - ta - taaa ...

"Was man nicht alles mit ansehen muss!", empörte ich mich in meinem Bahnsitz, als das nächste erschütternde Dekolleté an mir vorbeigetragen wurde und mich aus meinen Erinnerungen riss. Und immer stieß ich mir den Kopf! Die Dirndl-Dichte nahm zu, das ließ sich nicht leugnen und wirkte durchaus seltsam im ICE zwischen all den Laptops und Anzügen - und dazu drängte sich immer stärker dieses Ta - ta - ta - taaa in mein Bewusstsein, fast unwiderstehlich.

Ich musste mich regelrecht zur Ordnung rufen: Nein, das versteht die junge Frau mit dem zu engen Oberteil vermutlich nicht auf Anhieb, wenn du jetzt aufstehst und dieses Lied anstimmst. Sie kennt womöglich nicht einmal die MAD-Cassette! Außerdem ist der Gang zwischen den Sitzen viel zu eng, um die Knie gegeneinander­zuschlagen und mit den Händen darauf hin- und herzufahren. Und ihr Gefährte mit dem kurzen Hals, dieser Stämmige, mit den Kniestrümpfen und der Lederhose, der so ein rotes Gesicht hat, ob der ein kompatibles Humorverständnis aufweist, wenn du in Pseudobayerisch deine "Bauernregeln" aufsagst? All das ist im übrigen ein dummes Klischee, schau dich um, das sind ein paar Prozent!, wahrscheinlich Zufall!, die meisten hier sehen doch völlig normal aus.

Ich verdrängte also die albernen, kindischen und klischeehaften Gedanken, räusperte mich innerlich mehrmals kräftig und nahm mir vor, die zwei Stunden Umsteigezeit zu nutzen, um ein wenig die Stadt zu erkunden. Ich hatte sie ja kaum noch in Erinnerung, und was sollte ich im Bahnhof, und jetzt benimmst du dich gefälligst erwachsen und gehst ein paar Eindrücke sammeln, gerade um den Bahnhof herum kann man eine Stadt ja sehr gut kennenlernen.

Dann stieg ich aus.











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