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Who am I to disagree?Dass beim Älterwerden die Zeit stetig schneller verfliegt, liegt bekanntermaßen an der Bruchrechnung: Entspricht ein Tag im Leben eines Dreijährigen immerhin einem groben Tausendstel seines bisherigen Lebens, ist es bei einem Dreißigjährigen halt nur noch ein Zehntausendstel und so weiter. Kennen wir alles - huch, schon wieder Winter, sagt man da höchstens noch, was mich jetzt doch an eine Stelle aus dem gewohnt routiniert geschriebenen Buch von Terry Pratchett denken lässt, das ich gerade lese, weil es mir empfohlen wurde. Mir sagte ein Buchhändler einst: Pratchett - das ist doch kein Autor, das ist ein Textverarbeitungssystem! Damals, als ein Tag noch etwa einem Siebentausendstel meines bis dahin angesammelten Lebens entsprach, hatte ich das Buch Good Omens von einem Freund aufgedrängt bekommen und mich sehr amüsiert, diese Art Humor war mir neu, und doch bin ich nie tiefer in die Pratchett-Textverarbeitungswelt eingestiegen. Im Lauf der folgenden Jahre hatte man mir dann immer mal einzelne Werke empfohlen und geschenkt und geliehen, die konnte ich als kleine Ablenkung auch weglesen wie eine Limonade am Strand, war aber nie hooked und bekam ganz im Gegenteil irgendwann das schale Gefühl, abgefüttert zu werden; äußerst profesionell hergestelltes Lesfutter zwar und nicht aus den billigsten Zutaten, dennoch war es derselbe Effekt wie nach 150 MAD-Heften, irgendwann hat man die Meta-Formel durchschaut, und wenn man sich Zusammenschauen vorangegangener Dekaden wie z.B. die Bücher MAD about the Sixties bzw. Seventies vornimmt, kann man erkennen, dass diese Formeln auch davor schon ziemlich lange angewendet worden waren. Trotzdem sollte jedes Kind Maurice der Kater lesen, das hilft bei der Synapsenverknüpfung und lehrt wichtige grundlegende, aber eben auch schon einige weiterführende Prinzipien der Humorkonstruktion.
Die Stelle aus dem von mir gerade gelesenen Buch Alles Sense!, auf die ich hinauswill, steht ziemlich zu Beginn, man erahnt gerade erst das über der Handlung schwebende Oberthema (Vergänglichkeit, das Bewusstsein ihrer, Vermutungen über das Danach), da wird eine Ansammlung von Bäumen beschrieben:
Die sechs Zählenden Kiefern lauschten der ältesten Kiefer weit und breit: Der knorrige Stamm verkündete ein Alter von einunddreißigtausendsiebenhundertvierunddreißig Jahren. Das Gespräch dauerte siebzehn Jahre und wird hier im Zeitraffer wiedergegeben.Ich wundere mich deshalb, dass ich im Kindergarten ganz fest überzeugt war, dass wir IMMER im Frühling was mit Blüten und IMMER im Spätsommer was mit Ernte gemacht haben. SCHON WIEDER! IMMER DAS GLEICHE!, rief ich jedenfalls, als es wieder einmal hieß: DAS BROT. Es war eine Geschichte, an die ich mich kaum erinnere, sie wurde uns IMMER vorgelesen und hatte natürlich mit Getreide zu tun und wie aus dem Korn Mehl und schließlich Brot wird, wir liefen dann herum und riefen bei jeder Gelegenheit: "Das Brot!", ehrlich gesagt finde ich es heute noch komisch, in einer beliebigen Situation plötzlich "Das Brot" zu verkünden. Sehr wahrscheinlich haben wir auch selber Korn gedroschen und gemahlen, denn wie Sie längst ahnen, spielt das alles in einem Waldorfkindergarten, das hat mir übrigens nicht geschadet (schiel sabber stöhn) und natürlich wurde am Ende eigenes Kindergartenbrot daraus gebacken, das wollte ich zu Hause auch unbedingt mal machen, nur meine Schwester meinte, dass ihr das "gebackene" Brot nicht so schmeckt, sie wollte lieber richtiges.
"Ich kann mich noch an die Zeit erinnern, als es hier nicht nur Felder gab."
Die Kiefern blickten über die mehr als anderthalbtausend Kilometer freies Land vor ihnen hinweg. Das Firmament flackerte wie der schlechte Spezialeffekt eines Zeitreisefilms. [...]
"Und was gab es statt dessen?" fragte die nächste Kiefer.
"Eis. Wenn diese Bezeichnung angemessen ist. Damals hatten wir richtige Gletscher. Nicht so ein Eis wie heute: plötzlich da und schon wieder weg. Es blieb eine Ewigkeit lang."
"Was ist damit passiert?"
"Es verschwand."
"Wohin?"
"Was weiß ich? Wohin die Dinge eben verschwinden. Alles hat's so eilig ..."
"Potzblitz! Der hatte es in sich."
"Was meinst du?"
"Den letzten Winter. War ziemlich streng."
"So etwas hältst du für einen strengen Winter? Als ich ein junger Baum war - da hatten wir richtige Winter. Aber heute ..."
Die Kiefer verschwand.
Nach einer schockierenden Pause, die mehrere Jahre dauerte, sagte ein anderer Baum der Gruppe: "An einem Tag war er noch da, und am nächsten nicht mehr. Wie ist so etwas möglich?"
Wenn die übrigen Bäume Menschen gewesen wären, hätten sie jetzt mit den Füßen gescharrt.
"So etwas kommt vor, Junge", erwiderte einer von ihnen behutsam. Bestimmt ist er jetzt an einem besseren Ort. Immerhin war er ein guter Baum."
Sie können ja zwischendurch mal überlegen, aus wie vielen Silben die Phrase "Who am I" besteht. Oder sich an die If-Sätze erinnern, da gab es ja zwei Arten: Präsens im Bedingungssatz - dann Will-Future im Hauptsatz, Vergangenheitsform im Bedingungssatz - dann would + Infinitiv im Hauptsatz. IMMER DAS GLEICHE, will man da denken und erinnert sich an ein furchtbar langweiliges Lied von Midge Ure, das man auch nur deshalb nicht vergessen hat, weil der Titel If I Was (wie viele Silben sind das?) einem so falsch vorkam. Hatten wir nicht gelernt, dass das nur Umgangssprache sei, man sage nämlich nicht: If I was a millionaire, man sage: If I were a millionaire, und so Töchter, die IMMER am Abend vor dem Englischtest ankommen und ihre Sachen nicht dabeihaben, denen sagt man lächelnd: Das erkläre ich dir gerne, denn auch damals, als hier noch richtige Gletscher waren, hieß es schon: If it rains today, I'll take my umbrella und If I had a lot of money, I'd buy a house, dann wird man angegrinst ("GENAU die gleichen Beispiele hatten wir an der Tafel!") und kann mit der wichtigsten Botschaft fortfahren: ES HEISST IF I WERE UND IF HE SHE IT WERE, das hört sich zuerst komisch an, aber If I was ist Umgangssprache, merk dir das gut!
Das mit dem Brot hat bei mir übrigens kein Trauma hinterlassen, ganz im Gegenteil esse ich Brot sehr gerne, ich habe geradezu Hochachtung vor Brot und würde auch gerne mal wieder so ein gebackenes essen. Bis dahin aber ernähre ich mich von den übriggebliebenen Schulbroten von Töchtern, die einem Englischtests zum Unterschreiben hinhalten, alles prima, bloß dieses "If I were" ist immer rot angestrichen und mit "If I was" korrigiert, da muss ich noch mal was nachlesen, in der englischen Grammatik und auch bei Wikipedia, was Midge Ure eigentlich inzwischen macht, vielleicht ist er ja Englischlehrer, und das Brot kaufe ich oft und gerne bei Gutes von gestern, weil so ein lächerlicher Tag einem kräftigen Sauerteigbrot wirklich nichts anhaben kann, und je älter ich werde, umso weniger - siehe oben!
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nnier | 19. Dezember 2011 | Topic Klar jewesn
Dutzi-dutzi. Eideidei. Wullewullewulle! Ja - wo will der DeejayDizze leben? Aha! Ja - und wo will der djpiccollo leben? Aha! Ja - und wo will die kleine Kruemelfrost leben? Ei! Ei! Da ist die kleine Kuhmuh! Da! Da! Ja - wo will denn die Kuhmuh leben? Oooh!

Till Schweiger ist schon unterwegs!

Till Schweiger ist schon unterwegs!
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In der vergangenen Zeit mag sich wohl der ein oder andere beim Blick in den Briefkasten gewundert haben. Wenn Dudelsack und Drehleier auf E-Gitarre und Schlagzeug treffen, mag der ein oder andere die Augen verdrehen. Beim VfL Wolfsburg wird Trainer Felix Magath im Vergleich zum 1:4 in Bremen vermutlich wieder die ein oder andere Änderung vornehmen. Er sagte, er wundere sich über die ein oder andere Äußerung (Bericht folgt). Aus der Ferne beobachtete er, dass „über die Jahre der ein oder andere Fehltritt“ bei den Freezers begangen wurde. Es gehört dazu, dem ein oder anderen mal einen Spruch reinzudrücken, um dessen Aggressivität und damit auch Fehlerquote zu steigern. Selbst wenn ein Test sehr gut ausfällt, wie in diesem Fall, bleibt die ein oder andere nicht nachvollziehbare Kritik nicht aus. Die Folge ist, dass der ein oder andere User erst im Nachhinein merkt, dass er Werbung statt Inhalt der Website gelesen hat. Den ein oder anderen Lichtblick hatte der Oberbürgermeister Andreas Hesky dennoch zu verkünden. Ein klein wenig mehr Struktur, die ein oder andere Zusammenfassung oder Checkliste würden den Ratgeber-Charakter des Ganzen noch etwas verstärken. Sicherlich hat der ein oder andere deutsche Unternehmer schon mal mit dem Gedanken gespielt, eine „Limited“ in Großbritannien zu gründen. Es ertönt eine Glocke, die konkurrierenden Sänger recken die Fäuste, der ein oder andere plustert sich ein bisschen auf. Verzweifelt ist der ein oder andere dieser Tage auf der Suche nach einem Weihnachtsgeschenk und gibt für etwas Besonderes auch gern mal ein bisschen mehr aus. Was ist denn jetzt los, wo bleibt der Chor, mag sich der ein oder andere Gast am Donnerstag beim Weihnachtskonzert in der Aula der Freiherr-vom-Stein-Schule in Hessisch Lichtenau gefragt haben, als Timo Lübeck die ersten Takte auf dem Klavier bereits gespielt hatte, das Podest vorn aber gänzlich leer blieb. Vielleicht kann so der ein oder andere Wunsch erfüllt werden. Immerhin singe sie 15 Lieder an einem Abend, dabei könne man schon einmal die ein oder andere Zeile vergessen. Der ein oder andere kehrt schmutzigen Fußes nach Hause zurück. Sie sind mindestens für Rundengewinne gut, auch der ein oder andere Sieg in der Endrunde ist ihnen zuzutrauen. Zumal der ein oder andere Derner zuletzt über sich hinauswuchs. Und wenn Gurzynski dann zu schwärmen anfing von Torfaromen und Honignoten, wenn er über das kristallklare Wasser der Highlands referierte und die Lagerung in Sherryfässern, dann nahm der ein oder andere mal eine Flasche mit. In seiner Rede spricht er den Wirbel um die eigene Person nicht an, zeigt sich mit freundlicher Miene und macht sogar den ein oder anderen Scherz.
Es macht mich fertig. Es macht mich richtig fertig. Was ist da plötzlich los? Kein Zeitungsartikel, kein Interview, kein Blogbeitrag mehr ohne diese Formulierung - das ist das eine. Das andere aber: Warum wird immer nur der andere gebeugt? WARUM NICHT DER EINE? Der andere Gast wundert sich, warum nicht der eine? Ich vergesse die andere Zeile, warum nicht die eine? Ich sehe den anderen Spieler, warum nicht den einen? Ich weiß jetzt, was ich mir zu Weihnachten wünsche.
Es macht mich fertig. Es macht mich richtig fertig. Was ist da plötzlich los? Kein Zeitungsartikel, kein Interview, kein Blogbeitrag mehr ohne diese Formulierung - das ist das eine. Das andere aber: Warum wird immer nur der andere gebeugt? WARUM NICHT DER EINE? Der andere Gast wundert sich, warum nicht der eine? Ich vergesse die andere Zeile, warum nicht die eine? Ich sehe den anderen Spieler, warum nicht den einen? Ich weiß jetzt, was ich mir zu Weihnachten wünsche.
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Sammeln hat nichts Heroisches an sich. In Filmen ist der Held nie ein Sammler. Sammler sind die pickeligen Typen, die daheim ihre Fundstücke bestaunen, während die anderen Jungs sich mit den Mädchen amüsieren. Aber egal: Jemand muss es machen! Ich habe oft das Gefühl: Ich rettete die Musikkultur, die auf diesen Schellacks bewahrt ist, vor dem Untergang. Damit leiste ich der Gesellschaft einen Dienst. Auf der anderen Seite erlebe ich das Sammeln als sehr selbstsüchtige Angelegenheit, die die niedersten Instinkte in mir zum Vorschein bringt: Neid, Gier! Ich verwandle mich in einen machiavellischen Schurken, wenn ich darüber nachdenke, wie ich an eine bestimmte Platte kommen könnte, von der ich weiss, dass sie jemand anderes besitzt. Ich überlege dann irgendeinen komplizierten Tausch, den ich demjenigen aufschwatzen könnte, nur um diese Scheibe in meinen Besitz zu bringen – ekelhaft!(Robert Crumb in einem interessanten Interview.)
Seit Jahren liegt meine Crumb-Sammlung auf dem Dachboden herum, bananenkistenweise. Ich kann deshalb gar nicht so schnell nachschauen, ob mich meine Erinnerung trügt: Denn ich meine, genau so ein Buch mit von ihm gestalteten Plattencovern gebe es seit langem. Vielleicht handelt es sich ja um eine erweiterte Neuausgabe?
Meine wahnsinnigen Sammeljahre sind längst vorbei, siehe Bananenkisten - wenn ich allerdings diese Zeichnungen sehe und ihn über Musik und Kultur reden höre, freue ich mich nach wie vor. Deshalb hier ausnahmsweise mal so etwas wie Werbung - ein Klick startet Bild und Ton:
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nnier | 15. Dezember 2011 | Topic Klar jewesn
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