Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Freitag, 10. September 2010
Ich werde später darüber lachen
nnier | 10. September 2010 | Topic Fernseh
Zunächst hieß es, der Junge muss Talent haben. Aber ich meinte: Der Junge muss überhaupt kein Talent haben, sondern muss über 120 Drehtage am Set sein, ohne dass ihm die Lust vergeht.
Ich muss meine Ergriffenheit kompensieren. Zugegebenermaßen ist es nämlich so, dass ich beim Ansehen der Serie Timm Thaler überhaupt nicht über das klaffende Loch in der Handlung nachdenke und mich auch nicht über die aus heutiger Sicht hölzern, umständlich und übertrieben ernsthaft artikulierten Worte des Erzählers zu Beginn jeder Folge amüsiere ("Timm Thaler, die Hauptperson unserer Geschichte, ..."). Mir geht auch nicht durch den Kopf, ob Tommi Ohrner eigentlich jemals ein guter Schauspieler war oder ob er, wie es jemand doch sehr böse ausdrückte, hauptsächlich dafür ausgesucht wurde, dass er "stur 120 Tage drehen konnte".

Irgendwie war ich, möglicherweise durch die Lektüre der Kinder­fernseh­zeitschrift Siehste, die ich zwar blöd fand, aber manchmal kaufte, weil sie deutlich billiger als ein Mickymausheft war, auf die Serie aufmerksam geworden und konnte den Start kaum erwarten. Man lernt in der ersten Folge einen hübschen, lustigen Jungen kennen, der mit dem Skateboard Omas über den Haufen fährt und sehr viel, dabei manchmal ganz schön künstlich, lacht. Es ist mir schon beim ersten Ansehen damals ein wenig auf die Nerven gegangen, wie dick hier aufgetragen wird: Geradezu aufdringlich wird immer wieder gezeigt, dass man dem Timmi einfach nicht böse sein kann, weil er ja so herzlich lacht, und dass er bei allen aber sowas von beliebt ist. Und was für ein dufter Kumpel sein Vater ist, auch so ein Luftikus, hat man auch bald verstanden, so dass man innerlich langsam mit den Fingern zu trommeln beginnt, wenn er - genau wie der Sohn! - die Schuhe achtlos in die Ecke feuert.

Der finstere Baron! Ist es nicht lächerlich, wie Horst Frank im schwarzen Bademantel herumläuft? Albern und übertrieben, dass er mit einer schwarzen Gangsterlimousine vorfährt? Eine schwarze Nelke im Knopfloch hat? Mit Anatol über den typischen bösen und manchmal tollpatschigen Sidekick verfügt? Auf einer Vulkaninsel wohnt? Wo sich die Türen automatisch öffnen wie bei Star Trek? Von wo aus er "die ganze Welt" auf einem riesigen Bildschirm überwacht? Und irgendwie beeinflusst? Und ist es nicht geradezu holzhammerhaft, wie immer wieder gezeigt wird, dass die ehrbaren Kaufleute sich trotzdem nicht auf ihn einlassen? Weil er nie lacht? So dass ihm also nur ein sympathisches Lachen fehlt? Wodurch er endlich auch mit den "guten" Menschen ins Geschäft käme?

Und sieht man nicht nach so vielen Jahren vollkommen distanziert auf die späten 70er zurück, in denen die Kinder noch wie richtige Kinder aussahen? Und zwar auch die, die in Fernsehserien mitspielten? Timm Thalers Mitschüler! Die Kinder auf dem Rummelplatz! Mit ihren dicken Brillen und Zahnlücken! Mit stumpfem Haar im Topfschnitt! Mit engen T-shirts über dicken Bäuchen! Achtet man da mit seinem Museumsblick nicht vor allem auf die Jugendzimmereinrichtung, auf Autos und Klamotten? Da! Ein Poster von Wum! Schau mal! Ein Cassettenrecorder, so riesig waren die! Und so einen Schulranzen hatte ich auch! Und solche Turnschuhe hätte ich gerne gehabt! Diese Blumen klebten auch bei uns in der Küche! Die übrigens auch orange war! Schau! Die wetten um Schlümpfe! Schlümpfe waren damals das Größte! Und jetzt bestellt er sich eine "Limo", das sagte man damals so! Guck mal - die Mutter geht um den Tisch herum und bedient alle, zuerst gibt sie natürlich dem Vater! Ja, sicher, das ist das Mittagessen - ach, weil da eine Flasche Bier steht, hm? Damals war das ganz normal!



So könnte man endlos weitermachen. Man könnte aber auch bekennen, dass man doch wieder diesen Kloß im Hals hat, wenn der Vater mit seinem Flugzeug abstürzt und zum ersten Mal die traurige Titelmelodie ertönt, damals haben sie die zweite Folge direkt im Anschluss gezeigt, damit man besser darüber hinwegkommt, und man könnte feststellen, dass kaum jemals bessere Musik für eine TV-Serie komponiert wurde, nein, eben nicht nur die Titelmelodie, sondern einfach alles, und dass man die schon wieder dauernd summt, Ehre sei Christian Bruhn, dass Horst Frank ein grandioser Schauspieler war und Richard Lauffen gleich noch einer, und dass man sich vor dem Bildschirm doch ziemlich zusammenreißen muss, nicht alle Dialoge mitzusprechen, die Cassetten waren irgendwann ja total abgenudelt, denn schließlich will man auch die nächsten Folgen noch mit seinem Kind ansehen dürfen.

Das folgende dient also, das sei hiermit offen eingestanden, nur der Kompensation meiner Ergriffenheit.



"Ich habe generell den Eindruck, er versäumt einen anderen Beruf", lästert der Drehbuchautor, und bevor ich über diese bedenkenswerten Worte zu lange nachdenke, rufe ich lieber: "Sänger jedenfalls nicht!"

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Donnerstag, 9. September 2010
Wird sich das wieder legen?
nnier | 09. September 2010 | Topic Sprak


Gnihi. Perlentaucher.

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Mittwoch, 8. September 2010
Die Morgenröte der Genesung
nnier | 08. September 2010 | Topic In echt


"Eigentlich nichts" habe das Labor gefunden, spricht er, seltsam, nun, dann zapfen wir noch mal frisch, noch ein paar andere Tests will er machen. Vielleicht liegt es auch einfach auch an den Panzern, die nachts über mich fahren, ich muss das denen mal sagen.

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Dienstag, 7. September 2010
Gewalt Bremen e.V.
nnier | 07. September 2010 | Topic Sprak
"Mit Bindestrich wäre das nicht passiert", lautete vor einigen Jahren das Motto einer dieser Anrufsendungen im Radio, und einige Hörer steuerten wirklich komische Verleser bei, so z.B. Erstimpfung ("Schatz! Die wollen unser Baby erschtimpfen!") oder Elektrodengel ("Was für ein Dengel?").

Das kleine Strichlein, so könnte man also meinen, kostet kaum etwas und macht Wort-Ungetüme überschaubar, warum auch nicht, schlimmsten-falls wirkt es etwas alt-modisch - und dann wieder ...



Ich weiß ja nicht, wie's Ihnen geht - aber die Ähnlichkeit zwischen Binde- und Gedankenstrich geht mir manchmal doch zu weit.

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Sonntag, 5. September 2010
Fassbinder und das Steinobst
nnier | 05. September 2010 | Topic In echt
"Die Zwetschen gehören der Firma M.!", keifte es vom Balkon eines nahegelegenen Hauses, und wäre ich auf dem Posten gewesen, dann hätte ich der kittelbeschürzten Dame entgegnet, dass man mit mir erstens, wenn überhaupt, gefälligst über Zwetschgen, mit "g", spreche, und zweitens aber ganz bestimmt nicht in diesem Ton. Leider fiel mir die passende Erwiderung wie so oft erst später ein, und außerdem war ich erst neun.



Mein Freund A., dessen Vater - ein weiteres, verpasstes Argument! - übrigens Hausmeister der Firma M. war, und ich duckten uns statt dessen weg, warteten kurz ab und aßen dann gierig weiter diese süßsauren, prallreifen Dinger, die sowieso niemand pflückte. So zweifelhaft wie diese moralisch doch etwas dünne Rechtfertigung unseres Handelns war dabei der Untergrund, auf dem wir uns bewegten, ein welliges Dach aus Kunststoff, unter dem Fahrräder abgestellt wurden. Es trug uns insgesamt sicher, ausgenommen an den Stellen, die so komisch knackten. So lernten wir im Lauf der Zeit, wohin wir besser keinen Fuß setzten, schoben vorsichtig die mitgebrachten Eimer voran und sahen uns gelegentlich um, denn einen gab es, dem wir nicht begegnen wollten: den Böttcher.



Unter den Kindern kursierten schlimme Geschichten über ihn: er sei ganz böse und habe schon mal jemanden geschnappt, festgehalten und schimpfend bis nach Hause gezerrt, wo es dann großen Ärger gegeben habe. Darauf waren wir nun doch nicht versessen - keifende Schürzenfrauen waren eine Sache, ein Mann, der einem hinterherrennt und einen packt, war eine andere. Und doch stand er plötzlich da, unten, am Fuße des Baumes, der Böttcher.



In Süddeutschland hätte man ihn Küfer geheißen, denn er hatte das altehrwürdige Handwerk der Fassbinderei gelernt. Man sah das an den schönen und auch an den kitschigen Stücken, die um sein Haus herum verteilt standen, allerlei Fässchen und andere Holzgefäße - man macht sich ja gar nicht klar, was für ein wichtiger Beruf das mal gewesen ist - und nun stand er da unten, sah zu uns herauf, stemmte die Hände in die Hüften und rief: "Was macht ihr da!?"



Wären wir nur zur Zwetschgenallee gegangen, dachte ich! Dort war es zwar insgesamt etwas schwieriger, an die Ernte zu kommen, es war weiter weg und man musste umständlich mit Räuberleiter auf den Baum klettern, aber dort war das Obst zweifelsfrei öffentlich, dort konnte niemand schimpfen, das hatten uns die Eltern ausdrücklich versichert! Wenn uns zwischendurch dennoch manchmal finstere Blicke zugeworfen wurden, hielten wir diese tapfer aus und schoben sie auf den heimlichen Neid derjenigen, die am Abend nicht mit zwei Wassereimern voller Zwetschgen versorgt waren und die nächsten Tage massenweise Kuchen und Kompott würden essen können.



Leugnen ist zwecklos, überlegte ich, der Böttcher steht da und alle Fluchtwege sind versperrt. Mit allem verfügbaren Mut antwortete ich: "Wir pflücken Zwetschgen. Die pflückt ja sonst keiner."



"So. Die schmecken euch wohl, was!", meinte der Böttcher und ging wieder weg. Einfach so! Wir konnten unser Glück kaum fassen, langsam kam das Blut zurück in die blassen Gesichter, wir erzählten uns gegenseitig, wie sehr wir erschrocken seien, dann atmeten wir noch mal befreit durch und begannen zu lachen, immer lauter, vor Erleichterung begannen wir, uns mit Zwetschgen zu bewerfen und trampelten dabei übermütig auf dem brüchigen Dach herum, sogar aus meinem Eimer nahm ich Zwetschgen, um A. damit abzuwerfen, als plötzlich eine dunkle Männerstimme von unten rief: "He! Ihr beiden da oben!"



Diesmal erschrak ich noch heftiger. Schuldbewusst sah ich herunter. Der Böttcher stand wieder da.



In der Hand hielt er einen Eimer.

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