Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Montag, 4. Januar 2010
Dreckwüler
nnier | 04. Januar 2010 | Topic In echt
Ein anthroposophischer Kinderarzt sprach neulich zu mir, dass ein Kind bereits mit, wenn ich mich nicht irre, sieben Jahren seinen Körper einmal "komplett erneuert" habe.

Es stand dahinter vermutlich vor allem das gute alte "Man ist, was man isst", und auch ich bin der Ansicht, dass man, sobald das Kerlchen nicht mehr an der Brust hängt, sicherlich auch mal einen Gedanken daran verschwenden sollte, ob man ein Kind aus Farb- und Geschmacksstoffen haben möchte oder eines aus heimischer Erde (Gemüse der Saison bzw. Gutes aus der Region), ungeachtet dessen, ob man nun der wortwörtlichen Anthroposophenlehre vom "mitgegebrachten" Körper anhängt, der dann irgendwie umgeformt wird, oder ob man sich nur schon mal über den künftigen Ritalinverbrauch informieren will:
Die Erwachsenen wollten, dass sich die anstrengenden Kinder nicht durch anhaltendes Rumzappeln entspannen, sondern lieber leise, mit Pille, wenn schon sonst nichts half, um die Ruhigsitzernorm zu erfüllen. Seinerzeit haben auch Fachleute vor Missbrauch gewarnt, diese Psychomedizin sei in ihren Nebenwirkungen nicht gut erforscht, und ob es nicht klüger wäre, den Kindern mehr Auslauf im Freien zu lassen, einen geregelten Tag einzurichten und sie mit weniger Lärm-, Zucker- und Medienmüll zu bewerfen.
Wenn also "ich" meine, "mich" an etwas zu erinnern, das "ich" mal getan oder gedacht habe, dann muss "mir" klar sein, dass von dem, der das mal getan oder gedacht hat, womöglich kaum noch etwas oder evtl. auch rein gar nichts mehr übrig ist. Das gilt natürlich auch für den Bodensee, auch der ist nur so ein Fließgleichgewicht, sein Wasser ist auch zum großen Teil ausgetauscht, wenn man nach Jahren mal wieder vorbeischaut, und als Fünfzigjähriger ist man durchschnittlich erst zehn Jahre alt - ja, auch deine Knochen, Baby.

Welche Folgerungen daraus nun für das Strafrecht (wer sitzt da eigentlich im Knast), das Urheberrecht (wer hat eigentlich "Yesterday" geschrieben), oder nehmen wir einfach unser Menschenbild insgesamt, zu ziehen sind, das überlasse ich gerne Ihnen. Es ist alles wacklig, alles fließt, und glauben Sie nicht, dass Sie mir jetzt mit den Alpen kommen müssen, und die Kontinente bewegen sich, das gibt noch üble Grenzstreitigkeiten: Was können wir denn dafür, dass die Grenze in eure Richtung rutscht - ich hör's schon. Oder: Was wollt ihr dauernd mit dem blöden Salzstock, erstens haben wir keine Unterlagen darüber, wo wir den ganzen Mist damals eingelagert haben, das ist ja nun auch schon 40 Jahre her, und zweitens habe ich meinen gesamten Körper seither mehrfach ausgetauscht und gedenke das auch weiterhin zu tun. Es war demnach nicht diese Hand, die damals den Stift geführt hat, junger Mann, ich glaube, wir verstehen uns. Ich meine, bruhaha, von mir aus unterschreibe ich auch, dass das 100 000 Jahre hält, haha, dann macht mich doch haftbar! Ihr Zellhaufen! Huch, ihr habt euch ja schon wieder um 2 Promille gewandelt, und das Jahr ist noch nicht alt. Mit wem rede ich da eigentlich. Eure Halbwertzeit ist ja geradezu lächerlich - so, ich muss dann, tschö mit "Ö". Wie naiv kann man eigentlich sein!

Während Sie jetzt natürlich überlegen: Ist es überhaupt dieser Finger, an den damals der Ring ...? Oder auch: Warum ist dann das blöde Tattoo immer noch auf meinem ...?, mache ich ("ich"! Hö hö!) mir noch mal ein paar gebrauchte Gedanken zum Thema "ich", Moment, hab's gleich, das mit dem Identitätsgefühl - es ist schon seltsam, wenn man auf etwas stößt, das man selber (?) mal hervorgebracht hat, und man weiß noch, dass "man" (?) das fabriziert hat, und doch ist "man" inzwischen ein anderer, oder vielleicht nicht?



- Jetzt lass mal langsam gut sein. Es haben auch schon andere Leute ein altes Bild wiedergefunden.

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Sonntag, 3. Januar 2010
Bei Kräften bleiben
nnier | 03. Januar 2010 | Topic In echt


Bete Beete Rote Bete! Du Glücksgewächs!

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Sehen Sie?
nnier | 02. Januar 2010 | Topic Ja nee
Die haben mich bald.



Die haben mich bald.

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Freitag, 1. Januar 2010
Die sind hinter mir her
nnier | 01. Januar 2010 | Topic In echt


Man muss sich mal vorstellen, dass das die Kneipe war, in der die ganz Coolen verkehrten. Man musste schon zur Szene gehören. Da konntest du nicht einfach so reingehen. Der Name von dem Laden, der war auch so cool, und, scheiße, der Inhaber, fuck, ich habe mal jemanden sagen hören, dass der einen Namen hat, der wie ein Künstlername klingt, wie hieß der noch gleich.

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Donnerstag, 31. Dezember 2009
Give Me Your Heart Tonight
nnier | 31. Dezember 2009 | Topic In echt


Ganz so viel hat sich eigentlich nicht verändert. Er hier z.B. ist immer noch da, am Fuße der Kirche, die gerade eingerüstet ist und von deren Dach sie im vergangenen Jahr irgendwas Goldenes gestohlen haben. Dann hat's jemand gemerkt, nach ein paar Wochen, und hoppla, wir dachten, dass ihr die abgeschraubt habt!? Nein, warum sollten wir? Das ist doch eure ...? Na, und dann stand es in der Zeitung, und dann haben Scherzbolde zugegeben, dass sie es waren, in einer trunkenen Nacht.



Ein paar Jahre zuvor, an einer anderen Kirche in der Stadt, haben Jugendliche gezündelt. Der Turm war gerade renoviert worden, das Gerüst stand noch da, sie haben das wohl nicht ganz richtig eingeschätzt mit ihren Feuerzeugen, und ich musste mir immer vorstellen, wie es so ist, wenn man ankommen muss: Papa, mir ist da was ganz Blödes ...



Mir wäre ja auch mal fast was ganz Blödes. Die ganze Sache fing damit an, dass ich auf den Gedanken verfiel, mit den Knallkörpern nicht immer nur akustische, sondern auch mal ballistische Experimente zu veranstalten. Ich überlegte also, womit bzw. worin man den nötigen Druck erzeugen könnte, und welches Projektil sinnvoll zu verwenden wäre.



Eine alte Fußballpumpe erwies sich dann als brauchbar. Man stopfte den Böller hinein, und dort, wo sonst der Metallstab heraustrat, fummelte man die Zündschnur hindurch. Ein dicker Korken, mit Kreppband umwickelt, verschloss das Rohr von der anderen Seite. Das metallene Pumpengehäuse hatten wir noch schnell auf eine Holzplatte geschraubt, bevor die Zündung erfolgte und all unsere Erwartungen übertraf.



Wohin das alles im weiteren führte, können Sie sich ja denken. Trotzdem muss ich sagen, dass ich recht froh über den geistigen Impuls war, der mich eines Sylvesterabends durchzuckte. Denn eine Sache ist es, eine leere Sektflasche mit gezündetem Böller zu bestücken, schnell den Plastikkorken draufzuprügeln und sich über die erreichte Flughöhe des Objekts zu freuen, das eine Minute später wieder den Boden erreicht. Eine weitere Sache ist es, das alles immer souveräner und quasi mit links abzuhandeln, Böller anzünden, reinfallen lassen, Korken abschießen. Aber eine ganz andere Sache ist es, die Flasche in die Hand zu nehmen, um damit eine ballistisch besonders beeindruckende Flugbahn hinzulegen. Die Zündschnur brannte, ich freute mich auf den Abschuss, doch irgendwas, irgendwas flüsterte in mir: Stell sie doch lieber noch mal hin. Und so kommt es, dass ich zwei Hände habe und sehen kann.

Also, passen Sie auf sich auf, kommen Sie gut ins neue Jahr, und wir alle müssen vielleicht nur ein wenig Geduld aufbringen, dann klappt das schon und es kommt jemand, der unsere Shakin-Stevens-Buttons kauft.

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Dienstag, 22. Dezember 2009
Kapri Sepfini
nnier | 22. Dezember 2009 | Topic Musiq
Wir werdön niemalls ssurückkehren da'in
Wo du miesch gesagt: Iesch liebe diesch
Wir werdön niemals ssurückkehren da'in
Wie die andörön Jahrö
Wir werdön niemalls ssurückkehren da'in
'eute abend iest niesch nötiesch
Wir werdön niemals ssurückkehren da'in
Wie die andörön Jahrö

Capri, das iest vorbei
Und ssu sagön das iest die Stadt meinör erstön Liebö
Capri, das iest vorbei
Iesch glaubö niescht, dass iesch norr einmal ssurückkehren werde da'in

Wir werdön niemalls ssurückkehren da'in
Wo du miesch gesagt: Iesch liebe diesch
Wir werdön niemalls ssurückkehren da'in
Wie die andörön Jahrö
Manschmal würde iesch gern
Ssu dir sagön fangön wir norr einmal an
Aber iesch verlier den Mutt
Wiessönd dass du nein sagön wierst

Capri, das iest vorbei
Und ssu sagön das iest die Stadt meinör erstön Liebö
Capri, das iest vorbei
Iesch glaubö niescht, dass iesch norr einmal ssurückkehren werde da'in

Wir werdön niemalls ssurückkehren
Abbör iesch werdö miesch erinnörn
An das erstö Rendez-Vous
Das du mir gegebön 'ast
Wir werdön niemalls ssurückkehren
Wie die andörön Jahrö
Wir werdön niemalls ssurückkehren
Niemalls mehr
Niemalls mehr.
Bei diesem Lied handelt es sich um eine meiner allerfrühesten musikalischen Erinnerungen. Sie ist eng verknüpft mit dem faszinierenden Spulentonbandgerät von Uher, das ich, obschon die Technik nicht unkompliziert war, bald blind zu bedienen wusste. Mein Lieblingstonband begann mit diesem Lied. Von dem ich natürlich kein Wort verstand. Und doch riefen schon die eröffnenden Töne der Bassgitarre in mir die Empfindung großer Einsamkeit hervor. Und wie verzweifelt diese Stimme klang! Jemand, der sich gerade noch beherrschen kann, der gegen den traurigen Hintergrundchor ansingt, gegen die scheppernden Gitarrenakkorde, und dem beim letzten "Plus jamais" doch die Stimme wegbricht. Eigentlich hätte es keinen Text gebraucht.

Ich habe dieses Lied bestimmt 30 Jahre nicht gehört, aber die rein phonetische Erinnerung half mir, als ich mal kurz Französisch konnte, dabei, den Sinn im nachhinein zu erfassen, und erst jetzt kam ich auf die Idee, in den unendlichen Weiten mal danach zu suchen. Ich erfuhr nicht nur, dass der Interpret Hervé Villard heißt ("Gekennzeichnet durch ein künstlerischer Leiter er 1965 speichert seine erste fünfundvierzig Tricks: 'Capri ist Schluss.'") und dass ich den Text ganz gut verstanden hatte. Sondern ich fand auch dieses beeindruckende Video. Und erinnerte mich an jeden Ton.

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