Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Dienstag, 30. September 2008
Egal.
nnier | 30. September 2008 | Topic 'umor & more
Gurki sang das Stück. Er war Klaus "Major" Heuser und Wolfgang Niedecken in Personalunion. Jetzt erst mal Strophe. Gurki versuchte sich lautmalerisch am rheinischen Idiom: "Met gro so da wi do fre ko mo sa ledem froto, lu to fo ro ta de ro tu gi fotu re."
Das ist eine meiner allerliebsten Lieblingsstellen übehaupt, und in der Nacht, als ich sie zum ersten Mal las, reagierte die Mitbenutzerin meines Bettes äußerst verstimmt. Nachdem ich sie schon lange durch ständiges, unterdrücktes Lachen am Einschlafen gehindert hatte (so eine Matratze kann ja wackeln! Meine Herren!), weckte ich sie nämlich gleich wieder auf, indem ich laut aufheulend herausplatzte und Lachtränen verspritzte. Es war die Nacht, in der ich Fleisch ist mein Gemüse las. Eine Initialzündung für mich, ich war begeistert, und wer hier gelegentlich vorbeischaut, weiß das auch schon.

Trotz düsterer Vorahnungen kaufte ich mir vor einigen Tagen Heinz Strunks neues Buch Die Zunge Europas. ("Ab Oktober", ha! Wäre ich am Samstag nicht zufällig im Buchladen gewesen!) Nun habe ich's durch; und, tapfer sein, es ist nicht so richtig gut.

Mir fehlt eine Geschichte, das ist das eine - hier wird eigentlich nur mal so in die Lebenssituation eines Ich-Erzählers hineingeschnuppert, mit Lebensgefährtin und Opa und Oma, es entwickelt sich aber nichts und die Hauptfigur bleibt einem auch reichlich egal. Dass Strunk gerade so etwas (eine Lebenssituation in aller Tiefe darstellen, ohne dass sich große Dinge ereignen) eigentlich sehr gut kann, zeigt sein Meisterwerk Trittschall im Kriechkeller, vor dem ich mich regelmäßig in Demut verneige (und aus dem er sich auch zweidreimal ganz direkt bedient hat, indem er Passagen in sein neues Buch eingebaut hat, wo sie leider seltsam fremd bleiben). Das traurige, banale, heldenhafte Leben des Jürgen Dose wird in diesem intensiven Hörwerk auf eine wirklich ergreifende Weise dargestellt. Man lernt ihn kennen, erschrickt vor und leidet mit ihm.

Mit dem Ich-Erzähler des neuen Romans (warum heißt das eigentlich Roman?) gelingt mir das nicht. Er ist mir egal. "Egal", das sagt er selbst auch ganz oft, reißt ständig neue Themen an, beendet sie aber auch gleich wieder mit dem Wort "egal", und man fragt sich: Wozu?
Fettschwarten am Rücken sehr dicker Menschen nennt man "Tannenbäume", die herunterhängende, schlaffe Haut des Bauches "Rollläden", und Fettansammlungen am Hals verursachen das sog. Treppenkinn. [...] Das schönste Wort, von dem ich leider nicht weiß, was genau es bedeutet: "Zigeuener des Körpers". Magisch. Zigeuner des Körpers, was mag wohl dahinterstecken? Egal.
Angekündigt hatte Herr Strunk sein neues Buch ja auch in dem Sinne, dass er sich darin die verachtenswerte deutsche Comedy-Szene vornehmen und diese erledigen werde; davon ist leider auch nicht viel geblieben, wenn man mal davon absieht, dass der Protagonist für einen Comedian Texte verfasst, die diesem dann nicht gefallen. Sehr schade, denn das wäre ein Thema, das sich wirklich lohnt und zu dem Heinz Strunk schon viel Kluges geäußert hat.*

Ich lese das ohne Schmerzen, kann mich über einzelne Formulierungen sehr freuen und muss immer wieder lächeln, wenn Strunk sich über seine Lieblingsthemen auslässt:
Erbrochenes. Spastiker des Witzes, die mit blutig gebissener Zunge die immer gleiche Fertigteilsprache ausspeien, Zombies, deren kaputtes, krankes, ausgezehrtes Vokabular zusammen mit den ausgeschlagenen Zähnen kraftlos aus dem Maul sappscht. [...] Eine Art von Gerechtigkeit gibt es allerdings, die Strafe für all die Schandtaten sitzt den Verbrechern gegenüber: das Publikum [...] halslose, zerfurchte, grenzdebile, schenkelklopfende Kretins, so weit das Auge reicht.
Und der Umschlag wird von einem sehr schönen Foto geziert, das muss man auch mal erwähnen. Aber dieses Buch konnte ich nachts lesen, ohne irgendein Risiko einzugehen, denn nicht nur, dass diesmal niemand neben mir lag - ich hätte auch niemanden aufgeweckt.

--
* "Die deutsche Comedy-Szene ist das Schlimmste und Furchtbarste, was mir je unter die Augen gekommen ist. Mein Lebensziel ist es, sie ein für allemal auszurotten. Die Fun-Freitage im Fernsehen sind für mich ein Hochverrat an der ehrenwerten Idee des deutschen Humors, die Persönlichkeiten wie Loriot oder Helge Schneider geprägt haben. Doch was Mario Barth und Konsorten unters Volk bringen, ist in meinen Augen eine niveaulose und arme Frechheit, die dazu beiträgt, damit wir alle noch mehr verdummen. Ich kann da keinen Funken von Originalität erkennen. Deshalb reagiere ich auch sehr empfindlich darauf, wenn ich als 'Comedian' bezeichnet werde, denn der Begriff ist eindeutig besetzt. Und zwar negativ."

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Was zum ... ?
nnier | 30. September 2008 | Topic Sprak


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Informationsabend
nnier | 30. September 2008 | Topic In echt
Gestern abend: Schulen, an denen man die Oberstufe verbringen kann, stellen sich vor. Schwerpunkt: Berufsorientierte Bildungsgänge (Technisches Gymnasium u.ä.)

Belauschter Dialog hinterher:
Tochter: Überall mit Mathe, da checke ich doch schon lange nichts mehr!
Mutter: Oder du machst doch den Sozialscheiß.
Tochter: Nee! Die gehorchen doch überhaupt nicht!

Es herrscht übrigens ein unglaublicher Frust unter den Schülern und Eltern. Vor allem, weil ein "Doppeljahrgang" ansteht, da der jetzige neunte Jahrgang zugleich mit dem jetzigen zehnten auf die Oberstufen losgelassen wird (Grund: Die Verkürzung auf das "zwölfjährige Abitur", d.h. der letzte "dreizehnjährige" und der erste "zwölfjährige" Jahrgang beginnen im nächsten Jahr zeitgleich die Oberstufen).

Nachdem es zu Beginn der fünften Klasse noch geheißen hatte, dass diese Schüler nach der neunten Klasse in jeder Hinsicht so "weit" sein sollten wie sonst nach der zehnten, zeigt sich jetzt natürlich, dass dies überhaupt nicht der Fall ist, weder inhaltlich noch formal. Sie haben zwar die Zugangsberechtigung zur Oberstufe, aber keinen Realschulabschluss. Dadurch fallen bestimmte Bildungsgänge, die diesen Realschulabschluss als Zugangsvoraussetzung haben, schon mal weg: "Dann müssen sie eben irgendwo ihre zehnte Klasse machen und dann wiederkommen."

Dass die Oberstufen räumlich und personell auf den Doppeljahrgang kaum vorbereitet sind, versteht sich von selbst. Dass die Schüler seit der fünften Klasse Druck bekommen ("ihr müsst schneller und besser sein, ihr müsst ein Jahr aufholen!"), ist auch klar. Kaum jemand wollte diese Verkürzung, und die, die vorher dafür waren, haben sich angesichts des jahrelangen Elends und der Aussicht auf noch drei Jahre Mangelverwaltung inzwischen auch böse die Augen gerieben.

Mit ein paar Containern und bis abends ausgedehnten Anwesenheitszeiten (hey, ein paar Freistunden dazwischen) kann man Schüler und Lehrer vermutlich doch auf irgendwelche Schulen an irgendwelchen Standorten so verteilen, dass es rechnerisch irgendwie hinkommt. Aber man möchte manchmal jemandem eine reinhauen.

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Montag, 29. September 2008
SOS! Kahlgeschorenes zerrinnt Runzel.
nnier | 29. September 2008 | Topic Gelesn
Ein echtes Gedränge ist das da gerade neben meinem Bett! Ich komme selbst schon ganz durcheinander; da lese ich Band drei des skandinavischen Reißers mit Kalle Blomqvist und seiner Pippi Langstrumpf Lisbeth, die Drei-Bücher-in-einem aus der südlicheren Hafenstadt warten auch schon, dann geht man zwischendurch zur Lesung des dritten Teils einer Trilogie (ach was), der aber eigentlich der zweite Teil ist, kauft das Buch also auch noch, und wie bitte was, das neue Buch von dem traurigen Lustigen liegt ja doch schon im Buchladen, das sollte doch Anfang Oktober erscheinen!? Her damit! Na, und dann noch der Report aus der Gosse. Und alles parallel. Da kann man schon mal durcheinanderkommen.

Fünf Bücher, fünf Autoren, fünf Anagramme.
(Drei deutsche, ein Franzose, ein Schwede.)

Naeherrueckens Zollnetz Grosshirns
Herzschlaege surrten zinslos Kronen
Nachgesehen rissen Trolle kurz Zorns
Erzaehlerischen Zorns gern kunstlos

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Freitag, 26. September 2008
Fiesta Mexicana
nnier | 26. September 2008 | Topic 'umor & more
Auch Leute, die in meinem Umfeld was medial Lustiges machen, zum Beispiel Rocko Schamoni und Heinz Strunk, sind traurig. Ich bin ja eine ganze Ecke jünger und dachte früher: Stellt euch nicht so an! Ihr findet es chic, privat depressiv zu sein. Heute kann ich dazu stehen: Ich mache mir den ganzen Tag nur Sorgen wie ein peinliches Hausmütterchen.
(Charlotte Roche)

Ich muss raus, die Fans warten!
(Rex Gildo)

Heinz Strunk hat endlich wieder mal ein neues Grußwort auf seiner Homepage. Darin verkündet er, vier Jahre nach Erscheinen des Buchs die Wertschöpfungskette von Fleisch ist mein Gemüse offiziell zu durchtrennen ("... ich will keine neuen Baumärkte, Einkaufszentren und Spielotheken mehr mit dem Spruch 'Swingtime is good time, good time is better time' eröffnen.")

Außerdem macht er sich Sorgen (s.o.), erniedrigt sich und bettelt darum, dass man, und zwar bitte sofort nach Erscheinen Anfang Oktober, sein neues Buch kaufen möge. Hab' ich auch vor; allerdings habe ich das bittere Ende ja schon vorweggeträumt, viel Hoffnung gibt's da also nicht, das muss klar sein.

Dann also Dorfpunks bis zum Abwinken? Och, mir hat das Stück sehr gut gefallen. Mit Rückenschmerzen allerdings ... ich habe sein (Strunks) Gesicht gesehen bei den ewigen Verbeugungen! Spaß sieht anders aus.

Hossa! Hossa! Und vielleicht wird's ja doch was mit dem Buch?

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Donnerstag, 25. September 2008
Hihi
nnier | 25. September 2008 | Topic 'umor & more
Das muss ich einfach verlinken.

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Dienstag, 23. September 2008
Connoisseure des Knalls
nnier | 23. September 2008 | Topic In echt
Als solche verstanden wir uns und waren immer auf der Suche nach weiterer Steigerung des Klangerlebnisses. So begab es sich, dass wir auf einem unserer Streifzüge hier den Eingang zur Unterwelt entdeckten. Rechts unten im Bild ein kuchenstückförmiges Kleingartengebiet, an dessen nordwestlicher Ecke man einen kleinen, krummen Graben erahnen kann, welcher in die Leine (das lange Blaue) mündet. Am anderen Ende des Gräbleins öffnet sich eine Kanalröhre, recht einladend eigentlich und nahezu mannshoch. Was also lag näher, als einen Feuerwerkskörper vor diesem Eingang zur Explosion zu bringen?
Ob des erstaunlichen Schalldrucks und der raffinierten Echo-Effekte vor Freude tanzend, sannen wir auf weitere Verfeinerung: Wenn man nun in die Röhre ginge und dort ... ? Etwa hundert Meter tief konnte man leicht gebückt gut vordringen; ein kurzer Blick, ein hochgereckter Daumen, ein enormer Knall - wir waren hingerissen!
In freudiger Erregung ging's noch einmal kurz nach Hause - Drecksklamotten anziehen, Kreide und ordentlich Feuerwerksnachschub besorgen - und eine größere Expedition nahm ihren Beginn. Schon bald wurde die Röhre etwas niedriger, so dass man nur noch stark gebückt vorankam. Die ersten Abzweigungen nahmen wir noch frohgemut, markierten den Rückweg mit Kreidepfeilen und standen bald vor einem Problem: Die Röhren wurden noch wesentlich enger. Nun also auf Knien gaben wir noch lange nicht auf, ignorierten das Rinnsal am Boden der Röhre und kämpften uns weiter voran. Als beim nächsten Abzweig eine weitere Röhrenverengung auf uns wartete, musste beratschlagt werden: Bäuchlings weiterrobben? Doch, wenn wir kurz hintereinander blieben, sollte es doch möglich sein, noch ein wenig weiter voranzukommen, um dann endlich den Knallkörper zu zünden. Hintereinander schoben wir uns vorwärts und konnten uns alle paar hundert Meter auch einmal aufrichten, wenn ein senkrechter, runder Schacht nach oben führte. Allerdings konnte sich immer nur einer hinstellen, der andere musste liegen bleiben, denn diese Schächte waren eng. Oben waren sie durch die runden Kanaldeckel verschlossen, deren Herstellung im übrigen um einiges aufwendiger ist, als man sich das so vorstellt - so sah ich's vor Jahren einmal bei N24 Wissen. Durch die typischen kleinen Löcher, die einen solchen Kanaldeckel rings umgeben, konnte man einmal den Himmel sehen, ein anderes Mal klonkerte ein Auto dermaßen laut darüber, dass ich, den Kopf nur einen halben Meter vom Deckel entfernt, tüchtig erschrak.

Was wir allerdings immer mehr vermissten, waren Orientierungspunkte - denn den Windungen der unterirdischen Röhren geistig noch zu folgen, hatte ich, ohnehin mit keinem guten Orientierungssinn gesegnet, längst aufgegeben; so blieb uns nichts als immer noch weiter zu kriechen, stets in der Hoffnung, durch nächsten Deckel ein bekanntes Gebäude oder ähnliche Orientierungshilfen erspähen zu können.
Als dies auch beim x-ten Kanaldeckel nicht gelingen wollte, entschied ich, zur Selbsthilfe zu greifen, mit aller Kraft den Deckel auf einer Seite hochzudrücken, und endlich in Erfahrung zu bringen, wo wir nun eigentlich waren. Nun geschah mehreres gleichzeitig: Der Deckel verkantete sich; ich erkannte das Schild der Süd Apotheke; mein Freund entschied, dass hier der geeignete Ort zur Zündung sei; es tat einen fürchterlichen Knall; jemand oben rief: "Da ist einer drin!"

Hätte mich dieser Knall schon unter normalen Umständen bis knapp vor den Herzinfarkt gebracht, so wurde das Entsetzen gesteigert durch die Tatsache, entdeckt worden und gekrönt durch die Erkenntnis, so weit* von der Einstiegsstelle entfernt gelandet zu sein. Wir entschieden, umgehend den Rückweg anzutreten, welcher sich um einiges unangenehmer als der Hinweg gestaltete. War jener noch von Entdeckerlust und Vorfreude beflügelt in enormem Tempo genommen worden, so schien dieser nämlich geradewegs ins Gefängnis zu führen, denn, dessen waren wir sicher, am Ausgang würde natürlich die Polizei auf uns warten. Müde und plötzlich von gewissen klaustrophobischen Gefühlen gepeinigt, robbten wir den langen Weg zurück und freuten uns angesichts der drohenden Strafe nur wenig über den langsam wieder steigenden Durchmesser der Kanalröhren. Düstere Vorahnungen, die von Gardinenpredigten, Polizeiautos und Taschengeldentzug handelten, vernebelten uns noch immer den Blick für die reale Gefahr, in der wir uns befanden und die ganze Zeit befunden hatten. Wir versicherten uns noch einmal unserer gegenseitigen Freundschaft, und dass das doch immerhin ein ganz toller Knall gewesen sei; dann rannten wir letzten hundert Meter - in die Freiheit!


(Ergänzung 1: Eine Woche darauf stand in der Zeitung, dass die Stadtwerke gerade das Rattengift in der Kanalisation systematisch erneuerten.
Ergänzung 2: Ein stärkerer Regenguss an diesem Tag wäre nicht so gut gewesen.
Ergänzung 3: Später las ich auch mal was über Methanverpuffungen.)


--
* Das Kleingartenkuchenstück und der Fluss sind nun links unterhalb der Bildmitte zu finden

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