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Es gibt Uhrzeiten, die den Blick trüben. Nicht nur meinen.
Einmal hatte ich Damenbesuch. Es waren drei liebenswerte und intelligente junge Frauen, die mich beehrt hatten und zu fortgeschrittener Stunde die Frage aufwarfen, was aus dem Abend denn noch werden könne. Natürlich hatte ich mir meine Gedanken schon gemacht und antwortete, dass man in dieser Kombination und so jung bestimmt nicht wieder zusammen "komme", ich sei da für dieses und jenes offen, und so kam eines zum anderen, man scherzte und lachte, machte Andeutungen, bis eine der Grazien mich herausfordernd ansah und ganz direkt fragte: "Hast du ein Monopoly-Spiel?"
Monopoly! Wie gerne hatte ich dieses Spiel als Kind gespielt. Zwar befand sich ein ansehnliches Repertoire an Brett- und sonstigen Spielen im Besitz der Familie - das Lernziel des Kapitalistenspiels allerdings widersprach, wenn auch nicht so radikal wie diese coolen Plastiksoldaten ("Für nur 1.- DM - viele, viele Soldaten!") oder das Spiel Stratego ("Vernichten Sie die blaue Armee!"), gewissen Erziehungsidealen und war somit nicht in der heimischen Sammlung vorzufinden; es anderswo zu spielen oder zu leihen allerdings war durchaus erlaubt, und so hatte ich viele, viele Nachmittage damit verbracht, meinen Freund A., der das Spiel besaß und mitbrachte, genussvoll in die Pleite zu treiben und das Spiel auch dann nicht zu beenden, wenn er sich bereits in aussichtsloser Position befand. Nein, ich bestand darauf, ein solches Spiel tatsächlich am nächsten Tag zu Ende zu führen, da ich mich nächtens an dem Bild der lilafarbenen 10000-Mark-Scheine sowie der riesigen, hell- und dunkelgelben Stapel 1000er und 2000er erfreuen wollte, die sich in meinem Besitz befanden, der langen Straßenreihen voller Häuser, der Schlossallee mit Hotel. Ich schrieb die sechsstelligen Summen auf, die ich erwirtschaftet hatte, listete daneben die Hypotheken meines armen Freundes und wollte das Gefühl, wieder einmal so verdammt clever gewesen zu sein, möglichst lange und vollständig auskosten. Die finale Pleite des Mitspielers gehörte unabdingbar dazu.
All das lag Jahre zurück, als die nächtliche Frage aufgeworfen ward. Hektisch überlegte ich, wie ich diese einmalige Gelegenheit nutzen konnte, als mir bewusst wurde, dass sich immer noch kein solches Spiel in meinem Besitz und Freund A. gerade nicht im Lande befand. Als ich mich offenbarte, war die Enttäuschung der erwartungsfrohen Damenschaft nicht zu übersehen, doch das Glück war mir hold: Sie habe da, sprach die eine, einen alten Schulkameraden, der wohne zwar in Dorf X und damit recht weit weg, außerdem sei es schon nach Mitternacht, doch traue sie sich durchaus zu, einen Anruf zu wagen, und dann könne man ja weitersehen.
Eine Dreiviertelstunde später stand ich mit laufendem Motor in einer dörflichen Hofeinfahrt, während genannte Begleiterin zur Tür schritt und klingelte. Freudig erregt erkannte ich den silbern leuchtenden Spielekarton, es war ein altes Monopoly, eines mit Holzhäusern und Holzhotels, eines mit dem alten Polizisten auf dem Spielplan, das erkannte ich sofort, und den Blick des irritierten Spieleverleihers ignorierte ich geflissentlich, der ans Auto getreten war, prüfend hineingespäht und dann misstrauisch "viel Spaß" gewünscht hatte.
Wenn ich ihm in den darauffolgenden Jahren einmal über den Weg lief, grüßte ich stets freundlich, erinnerte daran, dass ich sein Monopoly-Spiel noch hätte, und jedes Mal lautete die Antwort: "Bleib mir mit dem Spiel weg! Das kannst du behalten!", bis ich schließlich in die Ferne zog, einige Jahre lang uno spielte und noch ein paar andere Dinge tat, bevor ich jüngst endlich wieder einmal um eine Partie Monopoly angefragt wurde. Ich holte die zerschlissene Schachtel hervor, atmete den stockigen Duft der alten Ereigniskarten, ließ die Geldscheine durch meine Finger gleiten und spürte das alte Fieber.
Sie konnte mein Leid nicht mit ansehen, schenkte mir Geld, lieh mir noch mehr, verzog mitleidig das Gesicht, wenn ich auf ihre Hotels traf und erbarmte sich meiner so, wie ich es meinem Freund A. gegenüber nie getan hätte.
Dennoch verlor ich mit Pauken und Trompeten gegen eine Spielerin, die einige Jahrzehnte weniger auf dem Buckel und dafür ein liebes und warmherziges Wesen hat.
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