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nnier | 11. August 2009
Sunday night, Mr Farmer called, said:Der Job bei der zentralen universitären Möbelverwaltung hatte seine guten Seiten. Morgens zum Appell antreten, in Zweier- oder gelegentlich größeren Teams eine Liste von Arbeitsaufträgen entgegennehmen, inkl. Aufklärung darüber, welcher der zu Beliefernden ein "Arschloch" sei und wer ein "fieser Hund", wer total pingelig sei und wem man ruhig verschrammtes Gebrauchtmobiliar hinstellen könne, wer schon seit einem halben Jahr ungeduldig auf seinen neuen High-Tech-Drehstuhl warte und in welche Gebäude man auf gar keinen Fall neue oder auch nur gute gebrauchte Stühle bringen dürfe ("sonst wollen die da alle welche") - dann lässig zum Möbellager schlendern, um Rollwagen oder Hunde mit den erforderlichen Möbelstücken zu beladen, diese an ihren Bestimmungsort bringen, defekte Möbel abholen, ggf. einlagern (für andere Fachbereiche können sie noch gut genug sein) oder entsorgen - es war ein insgesamt gemütlicher Job, auch wenn man gelegentlich große und schwere Schränke schleppen oder das Gezeter einer Angestellten ertragen musste, deren eingeschalteten Computer man versehentlich vom Stromnetz getrennt hatte.
"Listen, son, you're wasting time; there's a future for you
In the fire escape trade. Come up to town!"
But I remebered a voice from the past:
"Gambling only plays when you're winning"
(Genesis, "I Know What I Like", 1973)
Die vorherrschende Farbe der ersten Möbelgeneration, welche da so nach und nach abgelöst bzw. von den natur- in die geisteswissenschaftlichen Fachbereiche verbracht wurde, war Orange, auch Grün und Gelb waren vertreten, und man möge sich selbst die beißenden Farbkombinationen vorstellen, die im Lauf der Zeit entstanden, wenn ein defekter Schrankteil durch einen nicht ganz so defekten und dafür andersfarbigen aus dem Möbellager ersetzt wurde. Ein Fernsehteam aus Niedersachsen jedenfalls schlug angesichts der Farbenpracht sowie der insgesamt sperrmüllhaften Anmutung eines Wissenschaftlerquartiers völlig entgeistert vor, das geplante Interview lieber in einem anderen Raum durchzuführen.
Einige der belieferten Akademiker (wir waren natürlich als Proletarier verkleidet und fühlten uns mit Akkuschrauber und 7,5-Tonner mindestens so männlich wie die Jungs vom Bau) begegneten uns mit unverhohlenem Dünkel, sie taten genervt, wo sie dankbar zu sein hatten, beschwerten sich über Lärm oder Schmutz, zogen die Brauen hoch, näselten: "Heute ist es aber ganz schlecht", rollten die Augen und fragten: "Wie lange dauert das denn noch?"
Nur zum Teil wurden diese Widrigkeiten aufgewogen durch die tiefe Dankbarkeit jener, die endlich einen neuen Tisch, einen funktionierenden Drehstuhl oder einen abschließbaren Aktenschrank bekamen; der Rest des inneren Kontos musste auf andere Weise ausgeglichen werden. So begab es sich etwa, dass ein ganzer Fachbereich umgezogen wurde, und wenn Sie gerade zusammengezuckt sind, dann gehören Sie zu den wenigen Aufrechten im Lande, die noch merken, ob ein Verb transitiv oder intransitiv gebraucht wird - "jemanden umziehen", ich meine, das geht doch nun wirklich nicht. (Ja, ja, es sei denn, es geht um Kleidung, Sie Witzbold.) Seit "Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft" gruselt mich das. Und er hier: "Wie unsere Eliten uns sprachlich verblöden", nein, keine Widerrede. Und nun stellen Sie sich bitte vor, man hätte das erst noch klar und deutlich mit denen abgesprochen: Hier sind Ihre 300 Umzugskartons, es sind die großen, bitte befüllen Sie diese nicht gar so brutal, denn sie werden dann viel zu schwer, man käme dann am Umzugstag hin und stellte fest, dass die Kartons randvoll mit Büchern und deshalb grabsteinschwer sind, man müsste sich dann noch stundenlang dumme Bemerkungen der herumstehenden Institutsmitarbeiter anhören, Bemerkungen wie "Das habe ich aber schon schneller gesehen", "Stellen Sie sich nicht so an" usw. - was würden Sie tun? Exakt! Sie würden die Kartons an ihrem Zielort vollkommen irre verteilen, senkrecht hinter den Schrank z.B. oder vor die Zimmertür, so dass man diese nicht mehr öffnen kann (einen Sprung aus dem Fenster ist das allemal wert), Sie würden wacklige Türme von knapp vier Metern Höhe aufstapeln, die schwersten Kisten - falsch herum - ganz oben, sie würden Ihre Kreativität endlich wieder einmal ausleben, die Sache wäre ganz schön anstrengend, würde sich aber definitiv lohnen.
Man kam herum in der Universität, traf auf die arroganten und verwöhnten Drittmitteleinholer, in deren edel eingerichteten Büros über die "dreckigen Bremer Studenten" gesprochen wurde, man sah das Zimmer, in welches sich ein Professor auf Universitätskosten einen Kamin aus Marmor hatte einbauen lassen, man traf auf Mitarbeiter, die offenbar seit Jahrzehnten nur noch mit ihren Pflanzen geredet hatten - und manchmal (Generalschlüssel!) fand man nach mehrmaligem, erfolglosen Klopfen auch jemanden schlafend auf dem Boden vor.
Gelegentlich fiel auch etwas extra für uns ab: Ein kleines Trinkgeld, eine Flasche Cola, kleine Aufmerksamkeiten, die viel bedeuten können - und dann gab es da ja auch noch die Sachen, die weggeworfen werden sollten. So fand manche alte Schreibtischlampe, staubige Topfpflanze oder merkwürdige Fachzeitschrift ein neues Zuhause.
Einmal mussten hunderte prall gefüllter Leitz-Aktenordner entsorgt werden. Und schon während ich diese schwitzend in den großen Container warf, arbeitete ich meinen Plan aus: Ich würde die Ordner zum Schluss mit einer Lage Altpapier bedecken und im Schutze der Dunkelheit zurückkehren, um mit einem geliehenen Auto einen solchen Vorrat beiseitezuschaffen, dass ich mein Lebtag keinen Aktenordner mehr würde kaufen müssen, und meine nahe und ferne Verwandtschaft gleich dazu.
Gegen Mitternacht fuhr ich nervös heran, parkte das Auto etwas entfernt, sah mich gründlich um und stieg vorsichtig in den Müllcontainer, dessen Umgebung von einer riesigen Straßenlaterne grell beleuchtet wurde. Obwohl das Institutsgebäude leer schien, schlug mein Herz doch heftig, während ich versuchte, möglichst geräuscharm die Aktenordner zu leeren. Denn so schnell geht das nicht: Erst den Verschluss lösen, dann den Hebelmechanismus öffnen, die eingehefteten Blätter und Registerkarten herausschütteln, das geht in der Hektik schwerer, als Sie denken, den Verschluss erneut betätigen und schließlich den Ordner wieder zuklappen. Ab und zu hörte ich Motorengeräusche und duckte mich tiefer in den großen Container. Etwa dreißig Ordner hatte ich beisammen, als meine Nerven nicht mehr mitmachten, ich warf die Ordner über den Rand des Containers, was wiederum entsetzlichen Lärm machte, kletterte hinaus, nun war eh alles egal, fuhr das Auto rückwärts heran, ließ den Motor laufen, öffnete den Kofferraumdeckel, warf die Ordner hinein und raste mit quietschenden Reifen zurück ins Studentenwohnheim.
Natürlich waren, wie ich am nächsten Morgen feststellte, die Ordnerrücken beschriftet, und so druckte ich auf zufällig bereitliegendes, rotes Papier die gewünschte Beschriftung, schnitt es im Format der Rückenetiketten zurecht und überklebte die vorhandenen damit. Somit hatte ich für die nächsten 15 Jahre richtig hässliche Ordner im Regal stehen.
Diese, und deshalb erzähle ich Ihnen das alles, habe ich nun durchgesehen und radikal ausgemistet.
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