Goethe spielt FlöteZwar komme ich aus einer Stadt, in der Professor zu werden sein "sehnlichster Wunsch" war; zwar gab es dort die bundesweit höchste Quote an GÖ-TE-Autokennzeichen (von Goethe-Apotheken und -alleen mal ganz zu schweigen); zwar stand der oben zitierte Sinnspruch leuchtendrosa auf einem Denkmalsockel am Wall. Und doch weiß ich nicht mal, ob auf dem Sockel ein Goethe und/oder ein Schiller stand oder ob das nicht ein Gauß, ein Weber, ein Lichtenberg oder ein Bismarck war, ja, ich weiß nicht mal, ob es in dieser Stadt ein Goethedenkmal überhaupt gibt, ich weiß nicht (ohne nachzuschlagen), wann der gelebt hat und wann er gestorben ist, und der Assoziativspeicher meines Hirns ist nur äußerst lose mit "Geheimrat" und "Weimar" und "Farbenlehre", am Rand evtl. mit einer "Lotte" verknüpft, das war's dann aber auch.
auf Schiller sein Piller
Das Thema kam hier und hier auf, und da ich dort gefragt wurde, was ich denn stattdessen (in der Schule) gelesen hätte, krame ich mal ein wenig in der Erinnerung. Vorausschicken muss ich wohl, dass ich kein klassisches oder auch nur "normales" Gymnasium, sondern eine "Integrierte Gesamtschule" mit angeschlossener gymnasialer Oberstufe besuchte, an der ich dann auch mein Abitur erwarb. Nach einer ganz normalen Grundschule besuchte ich also ab Klasse 5 eine Lehranstalt, in der vieles anders war als anderswo; aus diesem Nähkästchen werd' ich vermutlich irgendwann auch mal plaudern, für heute soll es als Hintergrundinfo genügen und den ersten Hinweis darauf liefern, dass ich vermutlich nicht "den Zauberlehrling oder den Werther verpasst" habe, sondern dass sie nicht drankamen. Und das mit dem Vergessen, Frau loreley, können wir auch vergessen, denn ich habe in den letzten Jahren einige ehemalige Mitschüler und -innen danach gefragt; die einhellige Antwort lautete: Nein, nie! Um Restzweifel auszuräumen, werde ich aber demnächst noch meine alten Zeugnisse (die dort nicht so hießen) durchsehen, denn an einen "individuellen Teil", in dem einem z.B. erzählt wurde, dass man sich da und da ja ganz gut Mühe gebe, dort hingegen des öfteren den Lehrer ganz traurig mache, einen Teil also, den manche Eltern halbjährlich und verzweifelt in Noten zu übersetzen versuchten, schloss sich ein "allgemeiner Teil" an, in dem recht detailliert aufgeführt wurde, was die Klasse (die dort nicht so hieß) im abgelaufenen Halbjahr pro Fach denn so durchgenommen hatte.
Bis dahin muss die Erinnerung herhalten, und ich nenne mal ganz spontan Ingeborg Drewitz: Gestern war heute, Wolfgang Borchert: Das Brot, Hans Peter Richter: Damals war es Friedrich, Frank Wedekind: Frühlings Erwachen, Georg Büchner: Woyzeck, ohne hier eine chronologische oder irgendwie wertende Reihenfolge zu wählen, und vermutlich wild zwischen Ober- und Mittelstufe hin- und herspringend. In meiner Erinnerung sind das ja durchaus lesenswerte Werke, und ich will auch gar nicht mit Günter Jauch anfangen; es irritiert mich allerdings schon, und mir wird auch selten auf Anhieb geglaubt, dass ich von einem, der, wie mir Wikipedia verraten muss, da ich es ja selbst nicht gelernt habe, als bedeutendster deutscher Dichter und "herausragende Persönlichkeit der Weltliteratur" gilt, in der gesamten Schulzeit nie auch nur eine Zeile gelesen habe.
Was das nun alles heißen mag und wie ich das finde, darauf komme ich evtl. noch mal zurück, wenn ich mir eine Tasse frisch aufgebrühten Kaffee(s, wer den Genitiv will) über die Füße gegossen habe und dafür der Schädel nicht mehr so dampft.
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loreley,
Montag, 1. Dezember 2008, 20:31
Göttingen. Lou Andreas-Salomé hat dort gelebt.
Ich würde mir keine grauen Haare wegen Goethe wachsen lassen. Seine Bücher laufen schliesslich nicht weg.
Ich würde mir keine grauen Haare wegen Goethe wachsen lassen. Seine Bücher laufen schliesslich nicht weg.
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nnier,
Montag, 1. Dezember 2008, 21:06
Graue Haare - sicher nicht! Ich komme klar. Und lese gerne; warum also nicht irgendwann auch den? Was ich mich allerdings frage, ist, ob es nicht ganz sinnvoll ist, im Laufe der Schulzeit eben auch mal was vom Johann Wolfgang kennenzulernen - Nationalheiligtum hin oder her. Und ich vermute, (nicht nur) dieses Kind haben sie damals mit dem Bade ausgeschüttet: weg mit dem ollen Kram, wir machen jetzt Reformpädagogik.
jean stubenzweig,
Mittwoch, 3. Dezember 2008, 04:49
«weg mit dem ollen Kram, wir machen jetzt Reformpädagogik» – das wird's wohl gewesen sein. Ich rate jetzt mal, daß Sie in den Siebzigern zur Schule gegangen sind, in denen die «Integrierte Gesamtschule» angeschoben worden ist. Ohne gegen dieses Schulsystem argumentieren zu wollen – aber da wurde in den Anfängen wohl der eine oder andere alte Zopf etwas zu radikal abgeschnitten; manchmal hing der eine oder andere Kopf noch mit dran. Das war eben der revolutionäre Geist. Aber auch der hat erfahren müssen, daß so ganz ohne Blick in die Vergangenheit Geschichte sich nicht schreiben läßt.
nnier,
Mittwoch, 3. Dezember 2008, 10:30
Es würde mich mal interessieren, wie sie's inzwischen machen. Man muss diese Klassiker ja nicht unhinterfragt auf einen Sockel stellen bzw. dort stehen lassen; aber sie einfach zu ignorieren, finde ich falsch.
vert,
Mittwoch, 3. Dezember 2008, 22:20
ich bin jetzt auch nicht gerade der superfan, aber den faust, diese alte zitateschleuder, habe ich schon damals gern gelesen und so manchmal herzhaft gelacht - total durchgedrehte fantasygeschichte. und das auch noch in reimen. das kann man sich wohl auch heute noch antun (vergessen sie den depressiven werther, nur vor zeithistorischem hintergrund der damaligen jugendkultur interessant...)
nnier,
Donnerstag, 4. Dezember 2008, 11:07
Durchgedrehte Fantasygeschichte? Danke für den Tipp! Depressives und Deprimierendes lese ich eh dauernd (Heinz Strunk usw.), gut, nehm' ich also erst mal das Buch, das so heißt wie mein Akkuschrauber. Aber, Frage an Superfans: Was nimmt man denn da? Gibt's da eine definitive Fassung? Faust 1? 2? Ur? Oder wie? (Nicht, dass ich mich da auskennen täte, das ist so Gerümpel aus dem Assoziativspeicher).
jean stubenzweig,
Donnerstag, 4. Dezember 2008, 11:32
Habe nun, ach! Philosophie,
Juristerei und Medizin,
Und leider auch Theologie
Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
Da steh ich nun, ich armer Tor!
Und bin so klug als wie zuvor;
Heiße Magister, heiße Doktor gar
Und ziehe schon an die zehen Jahr
Herauf, herab und quer und krumm
Meine Schüler an der Nase herum –
Versuchen Sie's doch einfach erstmal damit. Ansonsten: Am angenehmsten liest sich die Hamburger Ausgabe, weil gut gedruckt und ebenso gebunden. Die wird wahrscheinlich preisgünstig angeboten.
Juristerei und Medizin,
Und leider auch Theologie
Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
Da steh ich nun, ich armer Tor!
Und bin so klug als wie zuvor;
Heiße Magister, heiße Doktor gar
Und ziehe schon an die zehen Jahr
Herauf, herab und quer und krumm
Meine Schüler an der Nase herum –
Versuchen Sie's doch einfach erstmal damit. Ansonsten: Am angenehmsten liest sich die Hamburger Ausgabe, weil gut gedruckt und ebenso gebunden. Die wird wahrscheinlich preisgünstig angeboten.
jean stubenzweig,
Donnerstag, 4. Dezember 2008, 11:47
Mit Hamburger Ausgabe meine ich selbstverständlich nicht die als Taschenbuch erschienene (vermutlich in neuer Rechtschreibung, für mich unlesbar). Am besten die aus den siebziger Jahren. Das ist die solideste (von meinen dreien, die ich habe). Die gibt es antiquarisch auch schonmal in Einzelbänden.
Oder so.
Oder so.
nnier,
Dienstag, 2. Dezember 2008, 09:41
Man lese bey Herrn Stubenzweyck weyther.
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