Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
71@71:#04
nnier | 06. September 2020 | Topic Musiq
Man weist in meiner Gegenwart penetrant darauf hin, dass ja "immerhin schon 2020" sei. Ach! Als würde ich das nicht ständig bei meiner Arbeit zu hören kriegen, erst letztens wieder: Ist ja nun schon 2020, wird der BER jetzt irgendwann fertig, die Einrichtung sieht schon so retro aus. Ja, was weiß denn ich! Bin ich Jesus? Kann ich in die Zukunft sehen!? Pff, Projektleiter, pff. Baut ihr mal einen Flughafen!

Man fragt sich zwischendurch auch mal nach dem Sinn des Ganzen. Ihr nicht, schon klar: Arbeiten, schlafen, dazwischen essen und fernsehen. Wacht mal auf, Leute! Wenn ich in den Sternenhimmel schaue oder ganz tief in einen Brunnen, wenn ich nachts unbeleuchtet auf der falschen Straßenseite fahre und erst im letzten Moment nach rechts ziehe - da kommen mir manchmal ganz andere Fragen. Ist das alles, wofür ich hier bin. Ist da sonst nichts. Wozu noch ein Flughafen, Deutschland ist doch auch schön. Oder: Interessiert das die Leute wirklich, welches dein viertliebstes Lied von Paul McCartney ist.

Also ich hab mir einen Garten angeschafft, kleine Scholle, und erst mal umgegraben. Kartoffeln, Mangold, Squashy, Kürbisse - wie bitte, ach, Squashy oder auch Gem Squash, das ist so zwischen Kürbis und Zucchini, wird wohl in Südafrika viel gegessen und das sind Riesendinger, die du grün erntest und bei der Lagerung verfärben sie sich mit der Zeit orange. Kannst du im Prinzip wie Kürbis oder Zucchini verarbeiten, so als Auflauf zum Beispiel oder püriert in einer Suppe, musst halt gut würzen, so viel Eigengeschmack wie ein Hokkaido z.B. hat der Squash jetzt nicht, aber eine interessante Konsistenz. Kartoffeln konnte ich mir nie vorstellen, aber die Belana ist schon super, und dann hab ich noch die Blaue Anneliese ausprobiert, nicht nur wegen der Farbe: Als Backofenkartoffel sagenhaft gut! Kann sein, weil's die eigenen sind, dass man sagt: Die schmeckt aber noch mal besser als die vom Markt - Autosuggestion in dem Sinn - aber ist am Ende ja egal, warum es einem so gut schmeckt, Hauptsache, dass es einem so gut schmeckt! Was ist dagegen z.B. ein Flughafen, ich mein die Frage ernst: Muss man vielleicht selbst erlebt haben, aber ich seh das wirklich so inzwischen.

Jetzt McCartney - ich habe die Fotos mit den grauen Haaren gesehen, finde ich super, dass er das jetzt so hat rauswachsen lassen, hab mir persönlich ja fest vorgenommen, gar nicht erst zu färben, aber das soll jeder machen, wie er will. Ich mag ihn ja vor allem wegen seiner Musik, aber dann ist er auch noch so sympathisch, hat kaum je etwas Dummes gesagt in all der Zeit, muss man auch erst mal schaffen in roundabout 60 Jahren öffentlichem Leben. Und wenn man drauf gestoßen wird, muss man auch noch zugeben, dass er oft ganz schön coole Klamotten trägt. Mit reicht ja mein Gärtnerhut zu Latzhose und Gummistiefeln. Und da gibt's doch auch so ein Foto von ihm auf seiner Farm in Schottland, meine ich.

Platz 4, was soll ich sagen, es wird jetzt nicht origineller, vielleicht komme ich deswegen auch so langsam voran, weil ich diesen Erwartungsdruck spüre, wie bei dem Flughafen, also nicht nur, dass er fertig wird, sondern auch, dass er irgendwie besonders toll wird. Und ich mag halt die einfachen Stücke, habe ja nie behauptet, hier nach irgendwelchen objektiven Kriterien die Liste der größten Hits zu präsentieren, das können andere gerne tun, ich wollte ja immer nur meine 71 liebsten Stücke aus seiner Zeit nach den Beatles vorstellen. 71 - ach, das war, weil er damals gerade 71 Jahre alt geworden war, und da dachte ich noch, ein Jahr reicht locker, deswegen der Titel "71@71".

Ich habe hin und her überlegt, ob das Platz 4 oder Platz 3 ist, jetzt ist es die 4 geworden, und es ist ein Stück von 2005, das er komplett alleine aufgenommen hat. Ich mag diese Beiläufigkeit, es ist kein wahnsinnig originelles Stück Musik, und trotzdem macht es mich augenblicklich glücklich, das meine ich ernst! Kann der blödeste Tag bei der Arbeit gewesen sein, ich mache das Lied an, ich kriege sofort gute Laune. Ich freue mich über den Start, der einen mit seiner Gegentaktung gleich mal aufs Glatteis führt; über die einfachen Rock-Akkorde auf der Gitarre; die Kopfstimme ("oohoo-oohoo, oohoo-oohoo!") mittendrin, sogar den etwas geisterhaften Chor am Schluss, der dann ja nicht ausgeblendet wird, sondern schön zu Ende tickert.

Oh, und die Lyrics!

There once was a time when I thought if I had a house, I'd be happy
There once was a time when I thought if I had a car, I'd be made
One by one I achieved my ambitions
But it didn't feel like I wanted to feel
Didn't feel like I wanted it to feel
I didn't feel like I wanted to feel


Denkt mal drüber nach! Morgen bleib ich zu Hause.

Platz 4: Comfort of Love (2005)

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c17h19no3, Montag, 7. September 2020, 20:05
die welt schenk ich dir, aber ich will auch einen garten. hier wartet man gerne mal 10-15 jahre auf einen kleingarten. wird ja alles plattgemacht und in triste wohnblocks verwandelt.

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nnier, Montag, 7. September 2020, 23:53
Hab wohl Glück gehabt, nicht weit weg und alles recht unkompliziert bisher. Man wundert sich, dass es so was (noch) gibt für die eher symbolische Pacht. Ganz hinten im Kopf fürchte ich manchmal auch schon die Plattmacher, brr.

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schneck, Dienstag, 13. Oktober 2020, 23:55
Das mit der falschen Strassenseite nachts ohne Gegenverkehr unbeleuchtet kenn ich. Kurz mal in diese Parallelwelt im Selbst und in die eigene andere Seite gespiegelt. Um kurz danach wieder im Hier zu landen. Super subversiv und dann auch ein bisschen froh, jedenfalls ich. Aber erholsam in Sekunden!

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nnier, Sonntag, 13. Dezember 2020, 22:03
Super, dann gibt es überhaupt kein Problem, wenn wir uns entgegenkommen!

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klagefall, Sonntag, 13. Dezember 2020, 17:26
Wirklich ein hübsches Stück. Entdeckt, als ich mir mal alle Singles zu Chaos and Creation in the Backyard zugelegt hatte, ganz fabelhaft.

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nnier, Sonntag, 13. Dezember 2020, 22:09
Das Album klang durch die Produktion von Nigel Godrich wie aus einem Guss, Streicher nicht zu knapp bemessen - und doch nicht als Zuckerguss wie zuweilen in den 70ern. Trotzdem als Opener gleich ein Song wie Fine Line, auf dem er sämtliche Instrumente selber spielt. Comfort of Love habe ich Jahre später entdeckt, Beiläufigkeit at its best, ich mag es wirklich sehr.

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