Zäpfel Kern hatte, wie wir wissen, ein paar nette, sehr niedliche Ohren erhalten, und er war immer etwas eitel auf seine kleinen Öhrchen gewesen. Und nun, entsetzlich, erblickte er an deren Stelle zwei ungeheure haarige Ungetüme, von denen er nichts anderes sagen konnte, als daß es zwei ausgewachsene Eselsohren waren.Wie ja jeder weiß, erzählte der Schriftsteller Otto Julius Bierbaum zu Beginn des 20. Jahrhunderts mal eben die Abenteuer Pinocchios nach, änderte ein paar Namen und gab seinem Buch den Titel Zäpfel Kern. Als mir mein Freund A. eine Pinocchio-Hörspielcassette zum Geburtstag schenken wollte, dann aber Zäpfel Kern auf dem Tisch lag, war ich zunächst enttäuscht, denn ich hatte die Figuren und Stimmen aus der bekannten Zeichentrickserie erwartet. Später begann ich das Hörspiel dennoch zu mögen, in dem der alte Tischler statt Gepetto eben Väterchen Zorntiegel hieß, und besonders beeindruckt hat mich das Kapitel "Bei Dr. Schlaumeier im Spiel-Immer-Land": Da geht es um Kinder, denen ein sorgloses Leben in einer Art ewigem Freizeitpark versprochen wird, und um den hohen Preis, den sie eines Tages dafür zahlen müssen, indem sie sich zu Eseln verwandeln und als solche für Dr. Schlaumeier arbeiten müssen oder von ihm verkauft werden.
(Otto Julius Bierbaum, Zäpfel Kern)
Mich hat der Wind vor einigen Tagen nach Westen geweht, erst wunderte ich mich noch über die hohen Berge und tiefen Täler, Ennepetal, Neviges, Velbert, Wuppertal, das ist ein ewiges Auf und Ab und mit Rollator bestimmt noch anstrengender, und irgendwann fand ich mich in Düsseldorf wieder, einer Stadt, zu der ich jetzt immerhin sagen kann: Nu ja, und dann zeigte ein Pfeil zum Spiel-Immer-Land.
Mit ein paar anderen Kindern durfte ich schon vorher rein, als die Kapelle ein Stündchen probte. Vor Freude weinte ich auf meine Zuckerwatte, denn statt "Test-Test-1-2-3" wurden ganze Songs gespielt, und der Mann auf der Bühne war lieb zu uns und hatte sichtlich Freude an seinem Tun. Als er uns verabschiedete und viel Spaß für die Show am Abend wünschte, ging es noch mal raus ins Helle. Durch den Schleier sah ich den glücklichen Japaner, der neben mir gestanden und einen inneren Kulturkampf ausgefochten hatte: Man ist ja eher der zurückhaltende Typ und von außen betrachtet kein Kind mehr, aber, Herrgott, das kann doch gar nicht wahr sein, Konnichiwa Sayonara!
Einige Stunden träumte ich auf meinem Sitz vor mich hin, begleitet von angenehmer Musik, ein DJ kam drin vor und elektronisch verfremdete Versionen meiner musikalischen DNA. Dann erscholl ein Akkord, der mich 50 Jahre jünger machte, gleich konnte ich wieder stehen, und das kann doch gar nicht wahr sein, Domo Arigato!
Es gab ordentlich was auf die Ohren, und irgendwann begann ich mich zu fragen, ob das vielleicht wirklich nicht ganz wahr ist. Hinterher konnte man lesen, dass es Probleme mit dem Klang in der Arena gegeben habe. Vielleicht war es das. Vielleicht auch etwas anderes. Ich denke dabei nicht an Playback, der Mann singt wirklich, das habe ich aus der Nähe gesehen. Aber irgendwas klang fremd für mich, als ob da technisch getrickst und nachgeholfen würde, nicht schlimm und roboterhaft, aber auch nicht mehr pur und unverfälscht.
Und wen würde das wundern, mit fast 74, bei dem Dreistundenprogramm an der Gitarre, am Bass, am Klavier, und alle wollen das hören, alle wollen rein in das Spiel-Immer-Land und glücklich sein, und das waren sie, das waren wir, nur beim Rausgehen musste ich mir prüfend an die Ohren fassen.
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mark793,
Mittwoch, 1. Juni 2016, 17:24
Ah, dachte mir, dass Sie sich das nicht entgehen lassen.
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nnier,
Donnerstag, 2. Juni 2016, 21:12
Ende der 80er sagte er, dass er in seinem silly old age nun doch noch mal auf Tour gehen werde, so waren damals die Maßstäbe. Jetzt kann ich immerhin sagen, dass ich in meinem silly old age immer noch hinterherfahre. Es gibt auch im Publikum Gesichter, die ich seit damals kenne.
ilnonno,
Freitag, 3. Juni 2016, 00:47
1982 ging unser Mathelehrer zum "letzten" Stones-Konzert...
nnier,
Freitag, 3. Juni 2016, 11:07
Beim schrecklichen "Dancing In the Streets"-Cover in den 80ern von Jagger und Bowie hieß es in der Muskzeitschrift: Der Mick rennt auf der Bühne rum, als wäre er 20, so macht er sich bald lächerlich. Aber Bowie mit 40, warum nicht?
kid37,
Donnerstag, 2. Juni 2016, 18:02
Den spielt niemand nach, aber wenn man den RP-Bericht (und die Kommentare) liest, schien es ja eh eher eine "Hard Night" gewesen zu sein. Schade. Sehr kurz habe ich ja auch mit dem Gedanken gespielt, dahinzugehen. Dann wurden es neue Schuhe. Ob der gute Mann mittlerweile wirklich nachhilft?
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nnier,
Donnerstag, 2. Juni 2016, 21:24
Wenn er nachhilft, dann nicht auf diese plumpe Weise: Da klingt nichts nach Cher und Autotune. Dennoch war für mich diesmal ein Unterschied zu spüren und zu hören, so als ob die Gesangsspur durch ein Effektgerät zuviel geführt wurde: Irgendwie leicht phasenverschoben, vielleicht auch komprimiert, man müsste da bei entsprechenden Tontechnikern nachfragen. Das war unabhängig von der massiven Lautstärke, die mich am Anfang auch irritiert hat: Das Konzert mit Wumms zu eröffnen, bevor ruhigere Stücke und der Unplugged-Teil ihren Platz bekommen, ist schön und gut, aber sein Publikum plattmachen muss man auch nicht gleich. (Wobei ich als Innenraumbesucher von bösen Verzerrungen oder Interferenzen nicht berichten kann).
Hard Night? Für mich zum Glück nicht, und dass trotz der Todsünde Inneraumbestuhlung alle die ganze Zeit standen, hat mich zusätzlich gefreut. Fürs lange Stehen kann man gute Schuhe gebrauchen, vielleicht gehen Sie nächstes Mal?
Hard Night? Für mich zum Glück nicht, und dass trotz der Todsünde Inneraumbestuhlung alle die ganze Zeit standen, hat mich zusätzlich gefreut. Fürs lange Stehen kann man gute Schuhe gebrauchen, vielleicht gehen Sie nächstes Mal?
kid37,
Freitag, 3. Juni 2016, 00:23
In Berlin gibt es noch Karten für janz weit draußen, Sitzplatz wäre für mich schon ganz nett. Mal schauen.
Cher et al. haben diese Krücke natürlich sehr offensiv verfremdend als dominanten Effekt eingesetzt. Das funktioniert, korrekt eingestellt, mittlerweile auch in Echtzeit sehr, sehr präzise und unauffällig. Angeblich weit verbreitet mittlerweile, aber da sagen die einen so und die anderen so.
Cher et al. haben diese Krücke natürlich sehr offensiv verfremdend als dominanten Effekt eingesetzt. Das funktioniert, korrekt eingestellt, mittlerweile auch in Echtzeit sehr, sehr präzise und unauffällig. Angeblich weit verbreitet mittlerweile, aber da sagen die einen so und die anderen so.
nnier,
Freitag, 3. Juni 2016, 11:15
Dann grüßen Sie ihn von mir, dahin werde ich es leider nicht schaffen.
Ich würde solchen synthetischen Hilfen jedes Krächzen und Strecken nach der richtigen Tonhöhe vorziehen. Und es wäre vielleicht Zeit, ein wenig abzurüsten, denn noch bietet er die ganz große Show: Warum nicht etwas kleiner, etwas ruhiger, gerne auch in der Tonlage ein wenig nach unten korrigiert. Momentan tut er so, als wäre nichts dabei, einfach immer so weiterzumachen. Und ich frage mich, ob er da nicht in eine Sackgasse rennt.
Ich würde solchen synthetischen Hilfen jedes Krächzen und Strecken nach der richtigen Tonhöhe vorziehen. Und es wäre vielleicht Zeit, ein wenig abzurüsten, denn noch bietet er die ganz große Show: Warum nicht etwas kleiner, etwas ruhiger, gerne auch in der Tonlage ein wenig nach unten korrigiert. Momentan tut er so, als wäre nichts dabei, einfach immer so weiterzumachen. Und ich frage mich, ob er da nicht in eine Sackgasse rennt.
venice_wolf,
Freitag, 3. Juni 2016, 22:05
Das Foto hat sowas von unecht als ob man gerade das neue Photoshop ausprobiert haette. Sonst nur Neid auf Ihre hartknaekigkeit.
Dieser eine schafft das immer noch mit Links.
Dieser eine schafft das immer noch mit Links.
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venice_wolf,
Freitag, 10. Juni 2016, 22:59
123 ole alemania// immer dieser Fussball. Schauen halt mal. ist eh bald soweit. In Muenchen waere ich auch gerne dabei. Viel Vergnuegen!
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