Es gibt ein neues Luftbonbon
Nitroglycerin
Alle Kinder kennen es
Es schmeckt nach Benzin
Nitro, Nitro, Nitroglycerin
(Mein Freund A., ca. 1978)
Es war einer meiner größten Triumphe. Ich bastelte damals gerne mit Elektrokram, hatte Lämpchen und Drähtchen und Motoren, und einer dieser kleinen 4,5-Volt-Motoren war ein ganz spezieller. Ich weiß nicht mehr, aus welchem Gerät ich ihn ausgebaut hatte, aber er drehte sich ungewöhnlich schnell und lief dabei leicht unrund, so dass er stark vibrierte. Außerdem gab er schrille Quietschgeräusche von sich, so als ob er einen Tropfen Öl bräuchte. Das Beste aber fiel mir erst durch einen Zufall auf: Wenn ich das Ding in meinem Zimmer laufen ließ, brummte und heulte das Radio in der Küche wie verrückt.
Neulich bin ich wieder an dem alten Fabrikgebäude entlangspaziert, aber es gibt die Hausmeisterwohnung nicht mehr, und auch der "Bungalow" ist lange weggerissen. Das war ein kleiner Flachbau mit Dachpappe, ganz vorne im Hof, in dem manche der Arbeiter ihre Frühstückspause verbrachten. Den Schlüssel verwaltete der Hausmeister, Vater meines Freundes A., und an einem Wochenende feierte seine große Schwester B. ihren Geburtstag darin. Wir waren noch Grundschüler, sie ein paar Jahre älter, und wir schlichen um den Bungalow herum und nervten die Jugendlichen, die darin aus einem Cassettenradio Popmusik hörten.
"Haut ab!", rief der mit den gefährlichen Wildlederstiefeln, so ein Jeansjackenjugendlicher, der eine Zigarette in der Hand hielt. Wir rannten weg, kamen von hinten wieder, kletterten aufs Bungalowdach, lauschten, kicherten. Wieder kamen sie raus, B. bat uns, sie doch in Ruhe zu lassen, Jeansjacke bedrohte uns, wieder rannten wir weg.
Aber es juckte uns. Und so holten wir den kleinen Motor, knibbelten die Drähtchen an die winzigen Anschlüsse, nahmen den Batteriekasten vom Legomotor und verbargen uns hinter den Bäumen. Dann ließ ich den Motor laufen.
Wo eben noch Smokie geklungen hatte, heulte es schrill aus dem Henkelmann, drinnen wunderte man sich und drehte an den Knöpfen, wir wieherten vor Lachen und schalteten aus. Und wieder an. Und aus.
Dit-dit-dit. Diiiit. Dit-dit-dit. Diiiit. Wir pulsten und morsten und lachten uns schlapp, dann mussten wir rennen, bekamen Ärger mit A.s Mutter, bei der man sich beschwert hatte, und mussten versprechen, seine Schwester ihren Geburtstag nun in Ruhe weiterfeiern zu lassen. Also gingen wir wieder zu mir.
Kennen Sie den Batteriekasten von Lego? Das ist so ein schwarzes Ding, das über einen kleinen, weißen Hebel am oberen Rand an- und ausgeschaltet wird. Mit zwei kleinen Steckkontakten schließt man den heulenden Motor an, und die Drähtchen müssen so verlängert werden, dass sie bis in Ihre Hosentasche reichen. Also vom Hosenbund aus. Weil ja da vorne dieser Batteriekasten ist. Das ist ein ziemliches Gefummel, die Drähtchen müssen ja halten und sind aus mehreren Teilstücken verzwirbelt, dann diese notdürftige Befestigung an den kleinen Kontakten am Motor - und keine ruckartigen Bewegungen! Aber wenn Sie alles richtig machen, können Sie zum Bungalow gehen und klopfen und dem finster blickenden Jungen mit der Jeansjacke sagen: Wir lassen euch jetzt echt in Ruhe, wir wollen nur B. gratulieren, und dann kommt die und Sie sagen Herzlichen Glückwunsch und verbeugen sich, dann bewegt sich automatisch der Batteriekasten in Ihrer Hose und der Hebel wird umgelegt.
Wir mussten ziemlich rennen, und ich habe A. seit fast 20 Jahren nicht mehr gesehen, finde keine Spur von ihm, habe manchmal Angst, dass es ihm nicht gut ergangen ist, könnte versuchen, seine Schwester ausfindig zu machen, überlege das seit Jahren und tue es einfach nicht.
Nitroglycerin
Alle Kinder kennen es
Es schmeckt nach Benzin
Nitro, Nitro, Nitroglycerin
(Mein Freund A., ca. 1978)
Es war einer meiner größten Triumphe. Ich bastelte damals gerne mit Elektrokram, hatte Lämpchen und Drähtchen und Motoren, und einer dieser kleinen 4,5-Volt-Motoren war ein ganz spezieller. Ich weiß nicht mehr, aus welchem Gerät ich ihn ausgebaut hatte, aber er drehte sich ungewöhnlich schnell und lief dabei leicht unrund, so dass er stark vibrierte. Außerdem gab er schrille Quietschgeräusche von sich, so als ob er einen Tropfen Öl bräuchte. Das Beste aber fiel mir erst durch einen Zufall auf: Wenn ich das Ding in meinem Zimmer laufen ließ, brummte und heulte das Radio in der Küche wie verrückt.
Neulich bin ich wieder an dem alten Fabrikgebäude entlangspaziert, aber es gibt die Hausmeisterwohnung nicht mehr, und auch der "Bungalow" ist lange weggerissen. Das war ein kleiner Flachbau mit Dachpappe, ganz vorne im Hof, in dem manche der Arbeiter ihre Frühstückspause verbrachten. Den Schlüssel verwaltete der Hausmeister, Vater meines Freundes A., und an einem Wochenende feierte seine große Schwester B. ihren Geburtstag darin. Wir waren noch Grundschüler, sie ein paar Jahre älter, und wir schlichen um den Bungalow herum und nervten die Jugendlichen, die darin aus einem Cassettenradio Popmusik hörten.
"Haut ab!", rief der mit den gefährlichen Wildlederstiefeln, so ein Jeansjackenjugendlicher, der eine Zigarette in der Hand hielt. Wir rannten weg, kamen von hinten wieder, kletterten aufs Bungalowdach, lauschten, kicherten. Wieder kamen sie raus, B. bat uns, sie doch in Ruhe zu lassen, Jeansjacke bedrohte uns, wieder rannten wir weg.
Aber es juckte uns. Und so holten wir den kleinen Motor, knibbelten die Drähtchen an die winzigen Anschlüsse, nahmen den Batteriekasten vom Legomotor und verbargen uns hinter den Bäumen. Dann ließ ich den Motor laufen.
Wo eben noch Smokie geklungen hatte, heulte es schrill aus dem Henkelmann, drinnen wunderte man sich und drehte an den Knöpfen, wir wieherten vor Lachen und schalteten aus. Und wieder an. Und aus.
Dit-dit-dit. Diiiit. Dit-dit-dit. Diiiit. Wir pulsten und morsten und lachten uns schlapp, dann mussten wir rennen, bekamen Ärger mit A.s Mutter, bei der man sich beschwert hatte, und mussten versprechen, seine Schwester ihren Geburtstag nun in Ruhe weiterfeiern zu lassen. Also gingen wir wieder zu mir.
Kennen Sie den Batteriekasten von Lego? Das ist so ein schwarzes Ding, das über einen kleinen, weißen Hebel am oberen Rand an- und ausgeschaltet wird. Mit zwei kleinen Steckkontakten schließt man den heulenden Motor an, und die Drähtchen müssen so verlängert werden, dass sie bis in Ihre Hosentasche reichen. Also vom Hosenbund aus. Weil ja da vorne dieser Batteriekasten ist. Das ist ein ziemliches Gefummel, die Drähtchen müssen ja halten und sind aus mehreren Teilstücken verzwirbelt, dann diese notdürftige Befestigung an den kleinen Kontakten am Motor - und keine ruckartigen Bewegungen! Aber wenn Sie alles richtig machen, können Sie zum Bungalow gehen und klopfen und dem finster blickenden Jungen mit der Jeansjacke sagen: Wir lassen euch jetzt echt in Ruhe, wir wollen nur B. gratulieren, und dann kommt die und Sie sagen Herzlichen Glückwunsch und verbeugen sich, dann bewegt sich automatisch der Batteriekasten in Ihrer Hose und der Hebel wird umgelegt.
Wir mussten ziemlich rennen, und ich habe A. seit fast 20 Jahren nicht mehr gesehen, finde keine Spur von ihm, habe manchmal Angst, dass es ihm nicht gut ergangen ist, könnte versuchen, seine Schwester ausfindig zu machen, überlege das seit Jahren und tue es einfach nicht.
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