Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Der AN
nnier | 26. September 2012 | Topic In echt
Beigefügt übersende ich Ihnen zwei simulierte Lohnabrechnungen für Herrn nnier. Wenn die Überstunden auf zwei Monate aufgeteilt werden, erhält der AN 5,75 EUR mehr Netto.

Man bekommt dafür locker ein halbes Pfund Butter, ein paar Eier, etwas Mehl, Salz, Milch. Das ist nicht wenig, und Pfannkuchen können glücklich machen.



Dann wieder erinnert man sich an den Freund, der schon im ersten Job kurz nach dem Studium sagte: Also Geld ist nun wirklich kein Problem. Solche gibt's, und andere sind wenigstens berühmt geworden.



Mein Weg war ein anderer. Mir standen sämtliche Möglichkeiten offen, ich hätte alles studieren können, du wirst mal ein guter Doktor, sagte man mir beim Abitur, also machte ich erst mal in Ruhe Essen auf Rädern und dann diese Liefertouren mit dem Kleintransporter. Irgendwann schrieb ich mich, da der Freund gerade hinging, auch für irgendein Studienfach ein, zog um, begann ein anderes und dann ein drittes.

Am meisten Spaß machte der Uni-Job, da stattete man die Büros mit Möbeln aus oder schleppte Umzugskisten. Mit meinem Studienfach konnte ich nur selten etwas anfangen, auch wenn es am Anfang interessanter war als die Sachen davor. Aber es war alles viel zu schnell gegangen, denn eigentlich hatte ich mir immer vorgestellt, dass man nach der Schule endlich wieder in diesen paradiesischen Urzustand zurückfindet und den ganzen Tag spielen und lesen kann. Studieren tat ich wohl vor allem, um einen irgendwie akzeptierten Status zu haben, nennen wir's Student, und ich wusste nicht, was ich sonst machen sollte.

Ich habe mich an der Universität selten wohlgefühlt, ging ab und zu hin, die Jahre vergingen, hier mal eine Prüfung, da mal ein Schein, und plötzlich war ich gar nicht mehr so jung und merkte, dass ich besser mal etwas zu Ende bringen sollte. Also verließ ich die Uni mit makellosem Abschluss und immer noch ohne jede Idee.



Ich hatte nicht die geringste Vorstellung davon, wie Arbeiten ist. Oder was das mit mir zu tun hat. Ich machte kein Praktikum in "meinem Bereich", das ganze Studium hindurch, wahrscheinlich war das die Angst vor der Erkenntnis, dass das sowieso nichts für mich wäre, sondern schleppte in den Semesterferien Möbel mit einem tätowierten LKW-Fahrer und verschloss die Augen.

Es gibt etwas an der Universitätswelt, das mich fundamental abstößt. Dieses ganze Institutswesen, die Inzucht, der Bluff, ich muss heute noch kotzen, wenn ich daran zurückdenke. Nie hatte ich das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun, etwas Interessantes zu lernen, ich latschte da nur notgedrungen hin und ertrug es, weil mir nichts Besseres einfiel. Und dabei hatte ich alle Möglichkeiten.

Es ist ein Jammer, wenn ich es von heute aus betrachte, es gibt so interessante Dinge, die man lernen kann, z.B. lese ich sehr gerne so etwas, verdammt! Warum hat mir das keiner gesagt!

Ich hatte keine Idee, und irgendwie landete ich irgendwo ganz anders. Dann kamen die endlosen tristen Jahre, Gehirnvermietung, Gehirnverödung, muss ja, dann hielt ich es nicht mehr aus und kündigte, dann legte mir das Arbeitsamt die Würgefinger um den Hals, also bewarb ich mich irgendwo und die wollten mich und ich wollte nicht und fuhr auf den Berg, dann kam ich wieder runter und sagte: Na gut, dann fing ich an und nahm seither noch zwei Kurven, aber man muss ja von irgendwas leben.



Ich fahre jetzt diese Zierfischcontainer herum, das ist nicht uninteressant, ich kann auch nach der Arbeit nach Hause gehen und an was anderes denken, das war mir immer wichtig, und ich gehe morgens ohne Kloß im Hals hin, das ist auch wichtig. Und es bleibt genügend Freizeit, denn ich werde nicht in die Gefahr kommen, mir meine Überstunden auszahlen zu lassen.

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vert, Mittwoch, 26. September 2012, 01:43
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hora sexta, Donnerstag, 27. September 2012, 09:30
Ich glaube, keiner kann das so schön sagen wie Sie.
Quittenmus kann ich auch sehr empfehlen dazu.

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