Da lag dieser Weißkohl rum, schon lange, den habe ich mir vorgenommen, und ich kann mir das schon vorstellen, dass der Kohl jahrzehntlang einen so schlechten Ruf hatte, er riecht beim Kochen und sättigt kaum, hat keinen rechten Nährwert und ist wässrig, bah!, wenn ich mir so ein hungriges Fünfzigerjahrekind vorstelle!, wie es durchs Treppenhaus nach oben läuft, mit seinen kurzen Hosen, mit seinem Fassonschnitt, überall riecht es nach Kohl und der Hunger treibt's rein, angedickt das Zeug mit etwas Mehlschwitze, an guten Tagen ist ein halber Löffel Schweineschmalz drin oder es wurde eine Schwarte mitgekocht, für die Kalorien, denn ganz ohne Fett ist es nur noch grausam, hoffentlich gibt's ein paar anständige Kartoffeln dazu und nicht bloß Graupen.
Was für dekadente Säue wir geworden sind, wenn wir die welken äußeren Blätter abnehmen, alles Strunkige entfernen, auch diese dicken Rippen da, dann die Kohlblätter in Streifen schneiden und den gewässerten Römertopf erst mal mit Butter auskleiden, das war die Wochenration für einen Erwachsenen damals, noch schnell eine Gemüsezwiebel in Scheiben schneiden und sie auf den Boden schichten, und da wir zufälllig gerade ein Pfund Rinderhack in der Pfanne angebraten haben, schichten wir also den Kohl da rein und salzen immer kräftig, dazwischen das gut gepfefferte Hackfleisch, Schicht um Schicht, hach, was könnten wir denn noch reintun, es soll ja ein einfaches Gericht werden, gießen wir also lediglich etwas Wein hinzu und Brühe und etwas Sojasauce, mehr muss gar nicht sein, wir sind ja so anspruchslos!, oder zur Sicherheit grad noch einen Becher Sahne. Mehr brauche ich nicht, mehr will ich gar nicht, ich mag die einfachen Dinge, nachher kommt was mit Ruth Leuwerik.
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dosron,
Montag, 21. November 2011, 14:58
"Römertopf erst mal mit Butter auskleiden" - Hab ich ja noch nie gehört. Zieht die Butter nicht in den Topf?
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nnier,
Montag, 21. November 2011, 16:41
Dieser ist innen glasiert. Ich vermute aber, dass man dieses auch bei den unglasierten tun kann, denn was da so alles in die offenen Poren zieht, bildet sowieso nur eine angenehme Patina und fördert die Aromenbildung. Ab und zu mit Essig auskochen kann man ja trotzdem. Und was meine Glasur angeht, bin ich gar nicht so sicher, ob die am Ende genügend Vorteil bietet, um einen bestimmten Nachteil auszugleichen: Denn das Römertopfgeheimnis hat ja viel mit dem gewässerten Ton und dessen Fähigkeit zu Feuchtigkeitsabgabe und -ausgleich zu tun. Und diese magischen Vorgänge finden bei meinem nur im Deckel statt.
venice_wolf,
Montag, 21. November 2011, 18:24
Wie man liest, Herr nnier, ist bei Ihnen das Römertopfkochen eine genaue Wissenschaft...
nnier,
Montag, 21. November 2011, 23:06
Das ist tatsächlich so. Es lohnt sich, hier genau nach Rezept vorzugehen und sich nicht nur mit den kulturhistorischen, sondern auch mit den chemisch-physikalischen Vorgängen ein wenig detaillierter zu befassen. Man kocht dann nicht mehr "einfach so", sondern eignet sich Kenntnisse an, die einem die Befolgung des Rezepts deutlich erleichtern, welches lautet: Irgendwelche Sachen rein. Bei irgendeiner Temperatur, am besten: Hitze, in den Ofen. Fahrradtour machen. Irgendwann rausholen.
einemaria,
Dienstag, 22. November 2011, 02:13
Römertopf, aha. Gedanklich hatte ich es bisher von der "Reine" zur Terrine geschafft, einem Bräter aus Keramik, nun dieser aber nicht aus Metall, sondern gewässertem Ton. Die wundersame Welt der Küchengerätschaften. Ich durfte mich heute im zweiten Anlauf an das Monster Schnellkochtopf heranpirschen. Der erste lag Jahre zurück, diesmal gings gut. Aber Römertopf, lecker, mit angereichertem Kohl und Hackfleischlagen und immer Sahne - ein explosionsarmes Nährstoff-Containment das man auch vor Weihnachten noch kaufen könnte. Und Fahrradtour, yes.
nnier,
Dienstag, 22. November 2011, 10:09
Das ist ja sooo 70er! Ich weiß nicht, wie gut es mit anderen Gefäßformen klappt - bei meinen Eltern steht z.B. eine Tajine, aus der man in Marokko die feinsten Köstlichkeiten essen kann. Aber die hat's vom Souvenir nicht wirklich zum benutzten Küchengerät geschafft. Im Römertopf kann man sogar Brot oder Süßes backen, so weit bin ich noch nicht gekommen. Aber mir scheint das Ding einfach vieles zu verzeihen, und das ist eine Menge wert: Gute Sachen rein, Ofen an, Fahrradtour, beim Heimkommen duftet es schon.
venice_wolf,
Dienstag, 22. November 2011, 11:01
Wann ich den Elektro Ofen einmal anschliesse (wegen Kleinkind seit der Kücheneinrichtung vor 5 Jahren nur als Schliessfach verwendet) möchte ich das unbedingt ausprobieren. Oder geht es auch auf einer Holzofenherdplatte, also nicht im Backrohr? Oder ist da die Hitze zu ungleichmässig nur von unten? Und kann man - vom Originalrezept abweichend - auch einen Spaziergang machen? Die Fragen häufen sich, wie Sie sehen.
venice_wolf,
Mittwoch, 23. November 2011, 12:58
Da stehe ich im Garten mit Schaufel, es geht vielleicht schneller wenn ich ein Loch buddle, es mit heissen Kohlen fülle, den lecker gefüllten Römertopf draufgebe, nochmals Kohle...her da mit den Dinger...hoppla was ist denn dieses Rohr und dieses Geräusch? und warum duftet es plötzlich nach Gas?
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