Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Mittwoch, 9. März 2016
The news today, oh boy
nnier | 09. März 2016 | Topic Musiq
Ein ganz feiner Mensch, das sieht man auf Anhieb: Der korrekte Seitenscheitel auf den frühen Schwarzweißfotos, die langen Haare des älteren Herren. Seine genaue und völlig unversnobte Sprache. Und bis zum Schluss diese Freude an dem, woran er mitwirken durfte: Es hätte keinen besseren dafür gegeben, und meine Welt wäre eine andere ohne ihn.

George Martin ist tot, und ich verneige mich traurig.

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Lepra Cebel
nnier | 09. März 2016 | Topic Gulp
... oder wie der heißt: Ich hatte im Kopf, dass der für einen so günstigen Wein ganz OK war. Riecht nach dem Öffnen nicht besonders intensiv, aber etwas nach Fass und dunkler Kirsche. Wird schon gehen!

Beim ersten Schluck dann erfreut das Gefühl des Zusammenziehens, man nennt es Adstringieren, vielleicht kennen Sie den Effekt von diesem klassischen, blauen Gurgelzeug, Mallebrin? Da ich leider momentan keine Halsschmerzen habe, muss der medizinische Aspekt außen vor bleiben. Und rein genießerisch betrachtet ist die Wirkung dieses Tropfens doch äußerst bescheiden: Man weiß, wie die das gemeint haben, immerhin trocken ist er und hat wohl auch mal Eichenfässer gesehen. Erfreuen kann er mich dennoch nicht, dazu ist die Säure zu nahe am Essig und es bildet sich überhaupt kein Körper heraus. Aber zum Glück war ich in Oldenburg.



Denn da gibt es einen Lakritzladen, der fast schon ein Grund ist, nach Niedersachsen in dieses grottenlangweilige pittoreske Provinzkaff zu ziehen: Dir fliegt der Draht aus der Mütze! Wunderschöne Gläser reihen sich durch die Regale, scharfe Salmiakpastillen, gezuckerte Pyramiden, schwarze Penisse, man greift mit der metallenen Zange begeistert zu und füllt Spitztüte um Spitztüte. An der Kasse eine glückliche junge Dame, die einem noch den Probierteller hinhält: Die hier sind direkt aus Schweden!, und dann kauft man selbstverständlich noch die geschäumten und sehr zurückhaltend aromatisierten Totenköpfe. Aber das Mundgefühl - ein Traum, wie damals die weißen Mäuse!

Und jetzt der Tipp für alle Restetrinker und Rebenschoppenjunkies: Was der Wein nicht hergibt, bringt der Lakritz! Der schafft plötzlich einen Resonanzboden ganz wie dunkle Schokolade. Und damit bekommt man auch enttäuschende, aber immerhin trockene, Rotweine herunter.



Cepa Lebrel von 2009, 13,5%, Rioja, Tempranillo. Lidl, 5.- EUR. Netter Versuch, ordentlich trocken, dann viel zu flach. Nach dem Schlucken bleibt wässrig und störend eine fast schon stechende Säure zurück.

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Donnerstag, 3. März 2016
Ponty die olle Neese
nnier | 03. März 2016 | Topic Gulp
Die Welt der Wahrnehmung, das heißt die Welt, die sich uns durch unsere Sinne und unsere Lebenspraxis erschließt, scheint uns auf den ersten Blick bestens bekannt zu sein, da es keines Instrumentes und keiner Berechnung bedarf, um Zugang zu ihr zu haben, und es uns dem Anschein nach genügt, die Augen zu öffnen und uns dem Leben zu überlassen, um sie ergründen zu können. Doch trifft dies nur dem Anschein nach zu. (Maurice Merleau-Ponty*)



War klar: Merlot, wer denkt da nicht automatisch an die Phänomenologie der Wahrnehmung und den "Dritten Weg" zur Erhellung des fundamentalen Zusammenhangs von Dasein und Welt, indem die grundlegende Verfasstheit des Subjekts nicht (wie bei Husserl) in der Intentionalität des Bewusstseins und auch nicht in seinem Sein als Dasein im Sinne Heideggers, sondern in seiner Leiblichkeit gesehen wird, die Maurice Merleau-Ponty in einem oszillierenden Gespräch zwischen Empirismus und Intellektualismus herausarbeitet. Bin übrigens sehr gespannt, ob dieser Satz durch die Vroni-Plag-Denunziantensoftware rot angemarkert wird: Schließlich handelt es sich um ein dreistes Plagiat mit nicht genannter Primärquelle (schauen Sie mal bei "Wikipedia" rein - ich will nichts gesagt haben!) und dem eher platten Versuch, durch leichte grammatikalische Umstellungen eine faktische 1:1-Übernahme zu verschleiern. Doch siehe, hier ist nichts rot - und außerdem sind das abstruse Vorwürfe!

Es gibt einen idealen Abstand zum Wein: Aus 30 cm kann man seine Farbe gut erkennen, die Rückseite sieht man natürlich nicht (aber sie lässt sich erspüren --> Leiblichkeit --> Heidegger --> Husserl --> Confiserie --> bald ist schon Ostern --> Unmöglichkeit der vollständigen Reduktion, vgl. Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg: Kairos der Fertigstellung, München: Kauka Verlag, 2010), hingegen aus 30 km ist es eher schlecht und mit 30 mü Abstand (ein mü ist ein tausendstel Millimeter - oder noch weniger!, vgl. Bäckerblume 3/2007, B&L MedienGesellschaft mbH & Co. KG) hat man die Neese praktisch drin. Und das Zeug schmeckt scheiße! Boah, was ne Plörre.

Kann natürlich sein, dass der schlicht zu alt geworden ist: Bereits 2009 erschienen, ist die Phänomenologie seither zu ungeahnter Popularität ge-, dings, ähm, aufge-, ähm, emporgestiegen, und Smartphones waren damals noch ein feuchter Traum unserer Pflegeeltern. Heute dagegen alle so: Hast du schon die neue Husserl-App, und warst du schon in Das Primat der Wahrnehmung - jetzt erst recht!

Die Plörre ist komischerweise von den "Weinwerken Bremen", und vielleicht wurde das Zeug ja heimlich in einem Hinterhof in Bremen-Nord angebaut: Farblich geht das gerade noch als Rotwein durch, aber was für ein furchtbarer Geschmack! Da kann man die grundlegende Verfasstheit des Subjekts nicht (wie bei Husserl) in der Intentionalität des Bewusstseins und auch nicht in seinem Sein als Dasein im Sinne Heideggers, sondern in seiner Leiblichkeit, die Maurice Merleau-Ponty in einem oszillierenden Gespräch zwischen Empirismus und Intellektualismus, und immerhin ist das eine Pfandflasche.



Belcante Merlot Vin de Pays d'Oc von 2009, 13,5%, Herkunft und Preis unbekannt. Irgendwie "bio". Grauenhaft, ein echter Krätzer.

--
*Merleau-Ponty: Phänomenologie des Wahrnehmüng, S. 234567-345678, zit. n. Darja Springstübe-Monokel: Über Wahrnehmüng und Ausdrück in der Phisolo ... Pilosophie von Maurice Merlot-Ponty, Berlin (Ost): Logos Verlag, 2013, S. 40ffff (können Sie jederzeit nachprüfen!)

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Donnerstag, 25. Februar 2016
Mein Herz
nnier | 25. Februar 2016 | Topic In echt
An einen Tag muss ich oft denken, das war im letzten Sommer, nicht lange, bevor du gegangen bist. Ich kam von der Arbeit, nahm einen anderen Weg als üblich, der führte mich beim Kieferorthopäden vorbei. "Da muss sie die Tage auch noch hin, da hat sie die Tage auch noch einen Termin", wollten die Zahnräder in meinem Kopf gerade ineinandergreifen, da hörte ich deine Stimme: "Papa!", und wie wir uns beide gefreut haben, wie du mit deinem türkisblauen Hollandrad auf mich zugefahren bist, wie wir uns um den Hals gefallen sind, das war ein so schöner Moment, den werde ich nie vergessen.

Da war viel los in dieser Zeit, ich kam gar nicht mehr mit, und du kamst also gerade vom Kieferorthopäden, dann sind wir zusammen nach Hause gefahren und haben uns unterhalten und Quatsch gemacht und gelacht. Es gab noch so viel zu regeln und der Abschied rückte näher, das kam mir vollkommen unwirklich vor, nur manchmal nachts bin ich hochgeschreckt und spürte, das wird bald wirklich passieren.

Ich komme hier gut klar, in deinem Zimmer wohnt jetzt der Australier und übt singen für den Domchor. Die Kaninchen füttere meistens ich, und wir haben im Flur umgeräumt. Das geht schon alles, sage ich allen, die fragen: Doch!, gut!, sage ich denen, und dass es dir auch gut geht da drüben, und ausgerechnet dann kriege ich immer diese rauhe Stimme.

Das ist ein interessantes Jahr, das macht mir alles Spaß mit den Gastschülern, und ich hab dir einen Kuchen gebacken, den müssen wir ohne dich essen. An den Tag mit dem Kieferorthopäden denke ich oft, und jeden anderen Tag (von bisher 6210) habe ich mich genau so gefreut, dass es dich gibt. Lass es krachen, feier schön, ich drücke dich! Genieß die Zeit bis zum Sommer. Und wenn du wiederkommst, das wird vielleicht schön!

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Dienstag, 23. Februar 2016
Ein angenehmer Zeitgenosse
nnier | 23. Februar 2016 | Topic Gulp


Ich geb's ja zu, ich weiche von meinem ursprünglichen Plan ab: Statt erst mal alles zu probieren, das sich hier so angesammelt hat, kaufe ich zwischendurch Wein. Na toll! Neulich z.B. einen Primitivo, den ich verschenkt und mitgetrunken habe: Hmm, legger, bloß dass ich keine Aufzeichnungen dazu habe. Und wozu trinkt man dann!



Tatsächlich war ich dafür schon im Weinladen. Dann wieder kommt der Schnäppchenjäger durch, wenn ich eigentlich nur Putzlappen und Bananen kaufen will: Wie jetzt, ein Grand Cru aus dem irgendwie wohl nicht ganz schlechten Weinjahr 2011, für nur noch 10.- EUR!?

Nicht, dass ich wüsste, was "Grand Cru" mir genau sagen will: Aber es klingt nach Premium, nach Upper Class, n'est-ce pas, M'sjö, dasse isse keine simpleur Vin de pays. Also rein damit!

Aus dem Gedächtnis war Merlot nie mein Ding, das waren für mich diese Sommerweine, und jetzt steht hier auf dem Etikett, dass das betr. Weingut 70% Merlot anbaut und 30% Cabernet Sauvignon. Na und!? Will man mir damit sagen, dass dieser Wein aus sieben Teilen Merlot und drei Teilen Cabernet besteht? Oder ist das nur zur Info: Also wir bauen hier diese beiden Sorten im Verhältnis 7:3 an, aber was tatsächlich in dem Wein enthalten ist, verraten wir euch nicht?

Ganz ehrlich, so was geht mir auf die Nerven: Aber er schmeckt nicht schlecht! Laut Etikett tun ihm ein paar Jahre des Alterns gut, und es sind ja nun fast fünf vergangen. Auf Anhieb schmeckt er erschreckend flach, zwar nervt keine frische Frucht und eine angenehme Trockenheit entfaltet sich weit hinten erst im Rachenraum - aber im Mund ist doch erstaunlich wenig los, auch säuremäßig.

Dann wieder der Effekt des zweiten Tages: Anscheinend muss der lange durchatmen, dann lässt er doch noch zwei, drei Tannine springen, und ohne dieses leichte Zusammenziehen hat bei mir eh keiner eine Chance. Plötzlich wird auch Zimt verströmt, und dunkle Früchte lassen sich erahnen, wenn auch abstrahiert.

Das alles kommt dezent daher, unaufdringlich-aristokratisch, und mir fehlt definitiv das Dreidimensionale: Der läuft ganz angenehm in die Kehle, hält sich zurück, stilvolles Understatement ist das wohl, und ich suche nun mal den großen BANG. Trotzdem eine interessante Erfahrung, und jetzt schlürfe ich ihn auch zu Ende.



Château d'Arcole Saint Emilion Grand Cru von 2011, 13,5%. Lidl, 10.- EUR. Angenehm zurückhaltend, ordentlich Zimt, etwas Fass, kaum Säure, wenig Frucht: Ich kann nicht meckern, der läuft gut rein, insgesamt ein wenig zu dezent.

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Mittwoch, 17. Februar 2016
71@71:#23
nnier | 17. Februar 2016 | Topic Musiq
Im Windschatten des großen Anthology-Hypes Mitte der 90er kam McCartney 1997 mit dem Album Flaming Pie auf den Markt, auf dem sich ein paar feine Songs tummeln. Die meisten Stücke sind durch Akustikgitarren geprägt und klingen damit deutlich anders als der Poprock auf den beiden Vorgängern.

Ehrlich gesagt ist die Produktion sogar ein wenig dünn, was zwar besser ist, als wenn Jeff Lynne als Produzent hier noch den x-ten Aufguss seines ELO-Sounds (nach George Harrison, Roy Orbison, Tom Petty, den Traveling Wilburys etc.) abgeliefert hätte; aber gewundert hat es mich schon, denn auch akustische Gitarren können ganz wunderbar voll klingen.

Dieser Minnegesang hat mich damals nicht unmittelbar ergriffen: Nettes Liedchen, dachte ich, schön gezupft, dachte ich, und die Gitarre dürfte gerne präsenter klingen.

Es gab dann keine Tour zur neuen Platte, da sich privat Trauriges ereignete, und als er Jahre später doch wieder loszog, war längst ein anderes Album aktuell. Von dem wurden reichlich Titel gespielt, nicht jeder davon hätte sein müssen, und das schöne Album Flaming Pie schien in in eine Zeitfalte gerutscht und vergessen worden zu sein.

Es war mir deshalb eine besondere Freude, diesem Stück doch noch live zu begegnen, mit akustischer Bandbegleitung und wunderbarem Harmoniegesang. Mir wird 's ja schnell zu folkig, aber das hier finde ich einfach großartig sentimental, souverän unkitschig und weitaus schöner als das sparsame Original.

Statt wie üblich auf die Originalversion verweise ich also auf eine Liveaufnahme von 2002:

Platz 23: Calico Skies (1997)

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