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Ist das mein Leben? Habe ich denn nie Theater gespielt und Filme gedreht? *Ich erschrecke manchmal darüber, wie sehr sich einzelne Szenen aus Fernsehfilmen eingeprägt haben. Ein einziges Mal nur habe ich den Seewolf gesehen, ich ging noch zur Grundschule, und trotzdem erinnere ich mich intensiv an einzelne Sätze: "Hab' ich dich, Wolf Larsen!", "Und dann sah ich, dass er blind war. Stockblind", "Der Bremser lässt Eisen tanzen!", "Nicht einer hat mir ein Messer gegeben!"
Jahrelang habe ich das schon vor. Gestern war es endlich so weit, ich schob die DVD in das Abspielgerät und schaute den ersten der vier Teile in Gegenwart zweier mir bekannter Jugendlicher an.
Schon häufig ist mir aufgefallen, dass viele internationale Schauspieler und Zeichentrickfiguren mit leichtem, aber unüberhörbarem bairischen Zungenschlag sprechen. Das muss etwas mit den Bavaria-Synchronstudios zu tun haben. Nicht, dass Pinocchio plötzlich "Ja, mei!", gesagt hätte. Aber man hört doch recht deutlich, gerade bei den Nebenfiguren, dass hier jemand nur versucht, hochdeutsch zu sprechen. Genauer gesagt: Er denkt, dass er hochdeutsch spricht, aber Kleinigkeiten wie ein immer stimmloses "S" oder ein zu stark geschlossenes "O" in einem Wort wie "Woche" und so weiter verraten die süddeutsche Herkunft. Besonders lustig war dies bei der Zeichentrickserie Nils Holgersson, wenn z.B. ein skandinavischer Blondschopf das Wort "durch" so aussprach wie Ludwig Hirsch. Und auch einige Robbenjäger auf der Ghost und erstaunlich viele Slumkids aus San Francisco klangen gestern wie Münchener, die in Hamburg nicht auffallen wollen.
Synchronisiert wurde übrigens auch Hauptdarsteller Raimund Harmstorf, der Seewolf. Es handelt sich ja (wie bei den "großen Vierteilern" üblich) um eine internationale Koproduktion, so dass die Dialoge der anderssprachigen Darsteller in der deutschen Fassung selbstverständlich von Synchronsprechern übernommen wurden. Harmstorf, der seine Rolle mit gerade mal 31 Jahren wirklich beeindruckend spielt, hatte laut Wikipedia eine "zu junge" Stimme und wurde deshalb ebenfalls komplett synchronisiert. Man erkennt sofort die Stimme von Scotty, K.E. Ludwig, samt seiner kleinen Marotten (z.B. sagt er "aufdn" statt "auf den"). Wie muss sich das anfühlen, eine Hauptrolle zu spielen, ohne dass die eigene Stimme je zu hören ist?
Denn der Seewolf durfte kein Parkinson haben. Der musste mit einer Hand eine rohe Kartoffel zerdrücken können. **Jeder kennt die Kartoffelszene. Wahrscheinlich macht es keinen Spaß, wenn eine Schauspielkarriere oder ein ganzes Leben auf einen solchen Moment eingedampft wird. Ich meine, mich an irgendeine Talkshow zu erinnern, in der Harmstorf zu Gast war, deutlich älter und recht steif und unbeholfen, vermutlich durfte er kurz über irgendeinen der drittklassigen Filme sprechen, in denen er später noch auftrat, und dann kam wieder diese Geschichte. Wie muss das sein, wenn man permanent so ein Image bedienen muss? Wenn man längst krank ist, nicht mehr gut laufen kann und immer noch der bärenstarke Kartoffelquetscher sein muss?
"Er sei ein häuslicher Typ gewesen, der gerne strickte", heißt es (ausgerechnet) im Focus, zehn Jahre nach dem Selbstmord des Schauspielers:
"Seewolf Raimund Harmstorf in der Psychiatrie", titelte die "Bild"-Zeitung am 2. Mai 1998. Der 57-Jährige sei mit aufgeschnittenen Pulsadern auf der Straße von der Polizei aufgegriffen und anschließend in eine geschlossene Anstalt eingeliefert worden. [...] Am Vormittag stand ein Reporter der "Bunten" vor dem Haus im Allgäu und brachte Kopien des Zeitungsartikels mit [...] "Das muss ein schlechter Scherz sein", habe er zuerst gesagt, dann: "Das ist mein Todesurteil." *Was mich überrascht hat: Vieles an dieser ersten Folge könnte aus heutiger Sicht langatmig wirken, vieles ist umständlich und überdeutlich erklärt, so wie in der oben verlinkten Kartoffelszene, wenn es aus dem Off extra noch mal heißt: "Jetzt begriff ich, wie es mir ergangen wäre, wenn er mit aller Kraft zugepackt hätte."
Auf einer anderen Seite [der "Bild"-Zeitung], ebenfalls kopiert, kam dann ein kurzer Abriss seines Lebens, zusammengeschrumpft auf Unfälle und persönliche Niederlagen. [...] "Mit aufgeschnittenem Handgelenk aufgegriffen", stand da und noch ein paar Sachen, die einfach gelogen waren. **Ich war mir wieder mal nicht sicher, ist es verklärte Erinnerung, ist das alles vielleicht nur albern und peinlich - und wie wirkt es auf zwei junge Menschen mit ganz anderen Sehgewohnheiten? Das hat mich am meisten gefreut, dass sie es spannend fanden und unbedingt weitergucken wollen, dass sie sich kaputtlachen über eine minutenlange Szene, in der ein Junge versucht, seine Schularbeiten zu machen, aber mit seinen Gedanken abschweift, etwas anderes beginnt, sich dann wieder zur Ordnung ruft und von neuem beginnt, nicht zwei- oder dreimal, sondern acht- oder zehnmal, so viel Zeit hatte man damals.
Seine Leiche wurde auf dem Dachboden gefunden. Die Polizei teilte nüchtern mit: "Es liegen Erkenntnisse dahingehend vor, dass ein Mitauslöser für den Selbstmord in der Medienberichterstattung des vergangenen Samstags zu sehen ist." *Bislang ist noch keiner der Sätze vorgekommen, die mir so im Gedächtnis geblieben sind. Drei Folgen kann ich mir noch anschauen. Ich freue mich schon darauf.
--
* (Quelle)
** (Quelle)
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nnier | 12. Mai 2012 | Topic Illiterarisches

Nun mal langsam, Herr Wohlers: Wozu sollte ich die Bank aus dem Turnsaal holen? Und warum sollen die Vorhänge geschlossen sein? Ich verstehe nicht ganz, was das mit meiner Lateinvorbereitung zu tun hat!
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Das Live-Aid-Konzert 1985 war eine logistische Herausforderung. Es schien ein Ereignis von weltgeschichtlicher Bedeutung ins Haus zu stehen, ich leistete mir einen Zehnerpack der Leercassettensorte meines Vertrauens und verbrachte Stunden damit, die Antenne des Tuners, wie wir Insider das Radio-Empfangsteil nannten, perfekt auszurichten. Den Fernseher, wir hatten sowieso nur einen kleinen tragbaren, durfte ich mir ins Zimmer holen und lag dann schon mittags mit diesem flauen Gefühl auf meinem Bett, das sich noch so oft einstellen sollte, wenn ich etwas endlich erreichte oder bekam, auf das ich lange hingefiebert hatte: Das sollte es nun sein!?
Bald sang hier Howard Jones und dort Alison Moyet, grölte da Billy Idol und gniedelte dort Status Quo, und, aufmerksame Leser ahnen es, ich wartete auf Phil Collins, der zusammen mit Sting auftreten sollte und dann peinlicherweise mit der Concorde von London nach Philadelphia flog, um ein paar Stunden später noch einmal die gleichen Stücke darzubieten.
Das soll es nun sein, mich quälte plötzlich dieses ganze Aufnehmen, Cassettenumdrehen, Schneiden, Zurückspulen, Beschriften, der Fernseher lief, draußen schien die Sonne, und immer musste man warten, weil später noch der superberühmte Künstler X und die legendäre Band Y auftreten würden.
Irgendwann schaltete ich aus. Den Auftritt von Paul McCartney habe ich deshalb nicht gesehen. Später las ich, dass er am Klavier Let It Be gespielt habe und zuckte die Achseln. Wiederum später fand ich im Zusammenhang mit einem ernüchternden Resümee seiner Solokarriere bis zum damaligen Zeitpunkt, d.h. bis in die zweite Hälfte der 80er, eine Erwähnung dieses Auftritts: Er habe, diese Formulierung beeindruckte mich, die Schönheit des Liedes durch seine pompous air und flippant delivery überschattet.*
Wenn ich das Buch von Tim Riley (mit dem Titel Tell Me Why) jetzt finden würde, könnte ich zitieren, so muss es aus der Erinnerung gehen: Es wurde dann noch ein Auftritt beim Prince's Trust 1986 erwähnt, auch so eine angestrengte Superstar-Parade, bei der McCartney zusammen mit damals unvermeidlichen Figuren wie Tina Turner, Elton John, Eric Clapton, Midge Ure, Mark Knopfler, Bryan Adams, Paul Young und so weiter das Lied Get Back darbot. Die Beschreibung endete mit dem melancholischen Eindruck, er wirke isoliert und wie jemand, der für das geliebt wird, was er einmal war, nicht für das, was er ist.**
Im nachhinein waren das nur ein paar Jahre. Damals aber ließ sich wirklich nicht absehen, dass er aus dieser Sackgasse jemals wieder herausfände. Es schien einzig auf gelegentliche Teilnahmen an Charity-Aktionen hinauszulaufen, immer im Schutze aktueller Stars und Produzenten, immer in der Sicherheit, noch als erster genannt zu werden, aber er gehörte nicht mehr dazu, und das wird einem so richtig deutlich, wenn man sich das Video zur Benefiz-Single (wieder mal) Let It Be von Ferry Aid (1987) anschaut. Ein Soundverbrechen von Stock-Aitken-Waterman, aber auch die schaffen es nicht, die Schönheit des totgespielten Liedes zu zerstören, zumindest solange McCartney singt. Dann folgt die übliche Parade von übermäßig phrasierten, angestrengt "souligen" Einzelauftritten, jeder will da sein Trademark in seine paar Sekunden Rampenlicht quetschen, ich hasse schon Boy George dafür, wie er "She is staaandin' right in front - of - me" zerdehnt, danach wird es nur noch schlimmer, und zwischendrin liefern Mark Knopfler und Gary Moore mit ihren Gitarren genau das ab, was ihnen im ersten Moment eingefallen ist.
Natürlich mündet das alles in ein minutenlanges Gegospel. Dieter Bohlen macht so etwas auch, wenn seine Musik "wertig" klingen soll. Da stehen sie alle und schunkeln und singen ganz selbstvergessen.
Nur einer ist nicht dabei.
--
* Nicht ganz weit hergeholt, wenn man sich das ansieht.
** All-Star-Bombast vom Schlimmsten.
Bald sang hier Howard Jones und dort Alison Moyet, grölte da Billy Idol und gniedelte dort Status Quo, und, aufmerksame Leser ahnen es, ich wartete auf Phil Collins, der zusammen mit Sting auftreten sollte und dann peinlicherweise mit der Concorde von London nach Philadelphia flog, um ein paar Stunden später noch einmal die gleichen Stücke darzubieten.
Das soll es nun sein, mich quälte plötzlich dieses ganze Aufnehmen, Cassettenumdrehen, Schneiden, Zurückspulen, Beschriften, der Fernseher lief, draußen schien die Sonne, und immer musste man warten, weil später noch der superberühmte Künstler X und die legendäre Band Y auftreten würden.
Irgendwann schaltete ich aus. Den Auftritt von Paul McCartney habe ich deshalb nicht gesehen. Später las ich, dass er am Klavier Let It Be gespielt habe und zuckte die Achseln. Wiederum später fand ich im Zusammenhang mit einem ernüchternden Resümee seiner Solokarriere bis zum damaligen Zeitpunkt, d.h. bis in die zweite Hälfte der 80er, eine Erwähnung dieses Auftritts: Er habe, diese Formulierung beeindruckte mich, die Schönheit des Liedes durch seine pompous air und flippant delivery überschattet.*
Wenn ich das Buch von Tim Riley (mit dem Titel Tell Me Why) jetzt finden würde, könnte ich zitieren, so muss es aus der Erinnerung gehen: Es wurde dann noch ein Auftritt beim Prince's Trust 1986 erwähnt, auch so eine angestrengte Superstar-Parade, bei der McCartney zusammen mit damals unvermeidlichen Figuren wie Tina Turner, Elton John, Eric Clapton, Midge Ure, Mark Knopfler, Bryan Adams, Paul Young und so weiter das Lied Get Back darbot. Die Beschreibung endete mit dem melancholischen Eindruck, er wirke isoliert und wie jemand, der für das geliebt wird, was er einmal war, nicht für das, was er ist.**
Im nachhinein waren das nur ein paar Jahre. Damals aber ließ sich wirklich nicht absehen, dass er aus dieser Sackgasse jemals wieder herausfände. Es schien einzig auf gelegentliche Teilnahmen an Charity-Aktionen hinauszulaufen, immer im Schutze aktueller Stars und Produzenten, immer in der Sicherheit, noch als erster genannt zu werden, aber er gehörte nicht mehr dazu, und das wird einem so richtig deutlich, wenn man sich das Video zur Benefiz-Single (wieder mal) Let It Be von Ferry Aid (1987) anschaut. Ein Soundverbrechen von Stock-Aitken-Waterman, aber auch die schaffen es nicht, die Schönheit des totgespielten Liedes zu zerstören, zumindest solange McCartney singt. Dann folgt die übliche Parade von übermäßig phrasierten, angestrengt "souligen" Einzelauftritten, jeder will da sein Trademark in seine paar Sekunden Rampenlicht quetschen, ich hasse schon Boy George dafür, wie er "She is staaandin' right in front - of - me" zerdehnt, danach wird es nur noch schlimmer, und zwischendrin liefern Mark Knopfler und Gary Moore mit ihren Gitarren genau das ab, was ihnen im ersten Moment eingefallen ist.
Natürlich mündet das alles in ein minutenlanges Gegospel. Dieter Bohlen macht so etwas auch, wenn seine Musik "wertig" klingen soll. Da stehen sie alle und schunkeln und singen ganz selbstvergessen.
Nur einer ist nicht dabei.
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* Nicht ganz weit hergeholt, wenn man sich das ansieht.
** All-Star-Bombast vom Schlimmsten.
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nnier | 09. Mai 2012 | Topic Illiterarisches

Wissen Sie, so haben wir schon oft zusammengesessen. Und doch finde ich es jedes Mal wieder schön. Trotz der ganzen Arbeit. Alleine schon die ganzen Schnittchen! Und literweise Kaffee. Hach. Ich frage mich, ob der Manfred nachher wieder den Zerrwanst rausholt und die Polka spielt. Der geht dann immer so aus sich raus. Das gefällt mir so. Auch wenn er ein komischer Kerl ist, irgendwie. Wenn ihm was wichtig ist, wird er plötzlich ganz ernst: Ich sag's euch!, ruft er dann, Eines Tages fliegen sie zum Mond!, und dann darf keiner lachen, sonst packt er seine Quetschkommode ein und geht. Das hat der wirklich schon mal gemacht. Da bin ich ihm noch nach. Aber der ist stur weiter. Der Wilhelm hat dann den ganzen Abend Witze gemacht: Halloooo, ich bin der Maaanni vom Moooond, und dass er gerade "zuuunimmt", und er hat den Manfred nachgemacht: Ich saaag's euch! Eines Taaages fährt die Menschheit nach Haaamburg in den Haaafen! Bald schicken wir Tooorfkähne zum Maaars! Und wir haben gelacht wie die Irren und die Ilse hat ein Weinglas zerbissen.
Hinterher dachte ich: Unser Lachen sollte nur die Stille übertönen, war ja keine Musik mehr da. Der Manfred hat mir leidgetan. Ich bin froh, dass er heute gekommen ist.
Soll er doch sein Zeug erzählen vom Mond - wenn er dran glaubt!
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nnier | 09. Mai 2012 | Topic Illiterarisches

Die Menschen lachen, wenn sie uns so sehen, dabei handelt es sich bloß um ein Spiel mit unterlaufenen Erwartungen.
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nnier | 08. Mai 2012 | Topic Illiterarisches

Früher habe ich auf dem Tisch getanzt. War Tambour-Major; kenne was vom Leben. Sexuelle Ent-Hemmung durch Alkohol-Genuss bei Jugendlichen verurteile ich.
Manchmal fordert die Natur ihr Recht, ganz normal. Dabei sollte man's belassen.
In der Zeitung steht, dass sie jetzt eine Bundes-Liga planen. Meister ohne End-Spiel! Stelle ich mir komisch vor.
Ich habe früher selber Fuss-Ball gespielt. Ist lange vorbei. Fehlt mir aber auch nicht.
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nnier | 08. Mai 2012 | Topic Illiterarisches

Was weg ist, ist weg - und besoffen geht's gleich viel einfacher, also runter damit ...
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