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Es gibt Dinge, die wird man anscheinend nicht los. Bei mir gehört dazu eine gewisse Empfänglichkeit für die Musik einer weithin mit Inbrunst gehassten Band. Coolnesspunkte sammelt man damit keine, aber wir sind ja nicht zum Spaß hier; und da es mich regelmäßig überkommt, muss ich mich dem Thema schließlich und endlich einmal stellen.
Fangen wir so an: Als alles längst vorbei war, auch für mich persönlich, kamen sie wiedervereint und gewohnt bombastisch für eine letzte Tour zurück. 2007 war das und mithin gute 15 Jahre nach der letzten gemeinsamen Platte. Da stand ich in Hamburg im Regen mit meiner Skepsis gegenüber der Maschinerie und dachte über den Zynismus nach, der auf dieser Veranstaltung zu liegen schien. Denn gerade der Sänger machte auf mich einen wirklich abgewichsten Eindruck: Ich ertappte mich jedenfalls zweidreimal bei dem Gedanken, dass der seine Zuschauer verachtet und seine Bandkollegen nicht mehr leiden kann, aber einmal noch Heu einfahren und vielleicht auch das gefledderte Ego des ehemaligen Superstars gestreichelt haben wollte, dessen Namen zu dem Zeitpunkt schon keiner mehr aussprechen mochte.
Ich stand da aber auch mit meinem lieben Sohn, und der erzählt mir bis heute, wie froh er ist, dass er dabeisein konnte und wie sehr er bedauert, dass dies das einzige Mal geblieben ist, denn, so seine Wahrnehmung, das war eins seiner besten Konzerte.
Ein bestimmtes Album habe ich gar nicht auf CD, sagte ich ihm neulich, und das war die Scheibe, mit der es für mich so richtig losgegangen ist: Mama, dieser totgespielte Song, hat bei mir damals etwas in Gang gesetzt, jahrelange Obsession und wildes Sammeln. Noch kam einem der Phil-Collins-Drumsound ja nicht zu den Ohren raus, und die dunkle Stimmung des Songs mit der leicht irren Lache war mir ein willkommener Gegenpol zur sonstigen Hitparadenmusik. (Dass sie die Hitparaden bald und für Jahre komplett kapern würden, bis alle nur noch kotzten, war noch nicht unbedingt abzusehen.)
Jetzt hat er mir das Album zu Weihnachten geschenkt und mich getriggert: Durchaus skeptisch legte ich es ins Abspielgerät. Erschreckend, dachte ich, wie nahe das nach über 30 Jahren noch ist, schon klebte ich fest und ließ die Scheibe nicht mehr aus dem Gerät. Und dann geht es wieder los, dann muss ich noch mehr Lieder anhören und endlos in den Fanforen herumlesen, eine sehr ambivalente Geschichte, da ich mich in diesem erstarrten Universum zwar sofort wieder heimisch, aber nie lange glücklich fühle.
Dennoch, ich war jetzt wieder ein paar Tage da drinnen und habe Ihnen etwas mitgebracht:
10 Gründe, diese verdammte Band zu mögen, die immerhin sechs Studioalben aufnehmen musste, bevor zum ersten Mal die Worte "I love you" in einem Lied vorkamen (und dann auch nur als Zitat!)
Fangen wir so an: Als alles längst vorbei war, auch für mich persönlich, kamen sie wiedervereint und gewohnt bombastisch für eine letzte Tour zurück. 2007 war das und mithin gute 15 Jahre nach der letzten gemeinsamen Platte. Da stand ich in Hamburg im Regen mit meiner Skepsis gegenüber der Maschinerie und dachte über den Zynismus nach, der auf dieser Veranstaltung zu liegen schien. Denn gerade der Sänger machte auf mich einen wirklich abgewichsten Eindruck: Ich ertappte mich jedenfalls zweidreimal bei dem Gedanken, dass der seine Zuschauer verachtet und seine Bandkollegen nicht mehr leiden kann, aber einmal noch Heu einfahren und vielleicht auch das gefledderte Ego des ehemaligen Superstars gestreichelt haben wollte, dessen Namen zu dem Zeitpunkt schon keiner mehr aussprechen mochte.
Ich stand da aber auch mit meinem lieben Sohn, und der erzählt mir bis heute, wie froh er ist, dass er dabeisein konnte und wie sehr er bedauert, dass dies das einzige Mal geblieben ist, denn, so seine Wahrnehmung, das war eins seiner besten Konzerte.
Ein bestimmtes Album habe ich gar nicht auf CD, sagte ich ihm neulich, und das war die Scheibe, mit der es für mich so richtig losgegangen ist: Mama, dieser totgespielte Song, hat bei mir damals etwas in Gang gesetzt, jahrelange Obsession und wildes Sammeln. Noch kam einem der Phil-Collins-Drumsound ja nicht zu den Ohren raus, und die dunkle Stimmung des Songs mit der leicht irren Lache war mir ein willkommener Gegenpol zur sonstigen Hitparadenmusik. (Dass sie die Hitparaden bald und für Jahre komplett kapern würden, bis alle nur noch kotzten, war noch nicht unbedingt abzusehen.)
Jetzt hat er mir das Album zu Weihnachten geschenkt und mich getriggert: Durchaus skeptisch legte ich es ins Abspielgerät. Erschreckend, dachte ich, wie nahe das nach über 30 Jahren noch ist, schon klebte ich fest und ließ die Scheibe nicht mehr aus dem Gerät. Und dann geht es wieder los, dann muss ich noch mehr Lieder anhören und endlos in den Fanforen herumlesen, eine sehr ambivalente Geschichte, da ich mich in diesem erstarrten Universum zwar sofort wieder heimisch, aber nie lange glücklich fühle.
Dennoch, ich war jetzt wieder ein paar Tage da drinnen und habe Ihnen etwas mitgebracht:
10 Gründe, diese verdammte Band zu mögen, die immerhin sechs Studioalben aufnehmen musste, bevor zum ersten Mal die Worte "I love you" in einem Lied vorkamen (und dann auch nur als Zitat!)
- 10: You Might Recall (1982). Noch vor der großen Hitparadenzeit, testen Sie hiermit mal, ob Sie Phil Collins' Stimme prinzipiell ertragen: Für mich ein sehr geschmackvolles Liedchen, eingängig, aber nicht anbiedernd, mit einer Drumspur, die noch nicht alles plattwalzt, aber viel von seinem Können an diesem Instrument erkennen lässt. Eine leichte Mollstimmung liegt über den ganzen Akkordwechseln, Gitarren und Synthesizer drängen sich nicht auf, sondern grundieren den Song aufs Angenehmste.
9: Harold the Barrel (1971). Durch exzessiven Konsum der bleischweren, sperrigen Siebenminutenstücke der ersten Genesis-Alben habe ich vermutlich bleibende Schäden davongetragen, und ich weiß noch, wie eine Freundin meine Begeisterung so gar nicht teilen wollte: "Da wird man ja depressiv!" Wie ein Brausebonbon zwischen all dem Schwarzbrot erquickte mich aber schon damals dieser kleine Song über Harold, der vom Fenstersims auf eine erboste Menge herunterschaut: "We're all your friends, if you come on down and talk to us, son". Vollkommen untypisch für die Band in dieser Epoche, sparsam instrumentiert und trotz der suizidalen Szenerie mit Witz und Schwung dargeboten, macht das Liedchen mit den jungen Stimmen von Gabriel und Collins mich immer wieder lächeln.
8: The Lamia (1974). Mich gruselt von heute aus, dass ich mir diese Scheibe damals so oft angehört habe: Lang, schwerfällig und schon vom Sound her schlicht deprimierend. Als Jugendlicher sollte man Punk hören oder Beastie Boys, gesünder ist das bestimmt. Aber wenn die Synapsen sich erst ihre Bahnen gefräst haben, hilft anscheinend alles nichts, dann trifft auch ein freudloses Stück wie dieses vom überbewerteten Doppelalbum The Lamb Lies Down On Broadway die richtigen Rezeptoren. "With their tongues, they test, taste and judge / All that is mine / They move in a series of caresses / That glide up and down my spine / As they nibble the fruit of my flesh / I feel no pain / Only a magic that a name would stain / With the first drop of my blood in their veins / Their faces are convulsed in mortal pains ...", ja fuck, warum konnte ich nicht einfach Sexual Healing hören? Bei diesem Lied jedenfalls gehören die surrealen Lyrics über Schlangen mit Frauengesichtern, die den nackten Helden im Pool anknabbern, ebenso zu meinem perversen Vergnügen wie Peter Gabriels entrückter Gesang zu der leblosen Musik.
7: Entangled (1976). Völlig entrückt auch dieses Lied ohne Drums, das durch den Harmoniegesang irgendwie folkig klingt und, Strophe-Refrain-Strophe-Refrain, fast ein konventionelles Lied werden möchte. Wie bei vielen Stücken aus dieser Zeit wird das aber verhindert, indem ein langer Instrumentalteil eingebaut wird, der mit wunderbaren Akustikgitarren und ebenso schönen 70er-Jahre-Synthesizerchören wahrscheinlich direkte Ursache für das Aufkommen des Punk war.
6: Fading Lights (1991). Eben waren wir bei der ersten Platte mit Phil Collins als Sänger, dieses hier stammt von der letzten. Nicht alles, was dazwischen lag, mag ich verteidigen, und speziell gilt das für die ganz brachialen Kracher wie Land of Confusion oder I Can't Dance. Bei diesem Abschiedsstück hier schreit Phil nicht alles nieder, sondern singt angenehm zurückgenommen. Dazu Progressive-Elemente, wie man sie von Genesis kennt: Ein ausufernder instrumentaler Mittelteil mit Schlagzeuggewittern, Synthie- und Gitarrensoli, die langsame Rückkehr zur melancholischen Anfangsmelodie, mehr braucht es gar nicht, um den nnier glücklich zu machen. Sagen wir zufriedenzustellen. Oder jedenfalls seine Nerven zu beruhigen. Ach was soll's, ich finde das wirklich schön.
5: Watcher of the Skies (1972). Halten Sie durch: Das Mellotron-Intro klingt erst mal etwas pompös und leer, aber es etabliert eine Stimmung, die ebenso zu dem Lied gehört wie die komplizierte rhythmische Figur, die sich bald zu dazugesellt und im Lied immer wieder aufgegriffen wird: Mal vom Bass, mal vom Synth, mal vom Schlagzeug. Tickiti-tick-tick-tick-tick-ti-tickiti-tickiti/tickiti-tick-tick-tick-tick-tititckiti-tickiti, das verfolgt mich schon mehr als mein halbes Leben, und so krude das Lied manchmal klingt, ich liebe es schon vor dem Break (bei knapp 6:00 min: Tickiti-tick-tick-tick-tick-ti-tickiti-tickiti ...) Was dann folgt, dieses Mellotron über der kontrolliert verrückt spielenden Rhythmussektion, ist die Mühen des Einstiegs absolut wert.
4: Duke's Travels / Dukes End (1980): Wer Fading Lights (Nr. 6) tatsächlich gehört hat, dem wird einiges bekannt vorkommen, bloß dass dies hier deutlich früher entstanden ist. Duke war das zweite Album in der Dreierbesetzung Banks/Collins/Rutherford, darauf sind schon (zu) viele konventionelle Popsongs zu finden. Mich macht das Ende glücklich, dieses ausgedehnte Stück Bombast, das man am Lagerfeuer nur schwer nachspielen kann. Und - beliebter Trick bei Genesis - man nimmt am Ende Melodiefragmente von anderen Stücken der Platte wieder auf. (Warum ich auf so etwas stehe? Keine Ahnung.)
3: The Fountain of Salmacis (1971): Einige der frühen Langstücke sind wirklich schwer verdaulich, das gilt vor allem musikalisch, aber auch textlich kommt man oft kaum hinterher vor lauter altenglischer Szenerie und mythologischer Anspielungen. Hier ein zwar langes, aber vergleichsweise zugängliches Stück von der zweiten "richtigen" LP, bei dem die künstlichen Streicher vom Mellotron mich sofort einfangen. Kleine Zwischenspiele mit E-Gitarre, Querflöte und Orgel brechen das Lied auf und halten das Interesse wach, bevor das Streichermotiv alle wieder einsammelt und die Vereinigung der zwei Liebenden an der Quelle mit dramatischen Chören und sehr schönem E-Gitarrensolo gefeiert wird. Dann noch mal ein Streicherakkord: Das endet wie ein kurzes Bühnenstück, ich warte jedes Mal auf den Applaus.
2: Los Endos (1976). Ja, ja - ich weiß auch nicht, schon wieder so ein Instrumentalstück, schon wieder vom Ende eines Albums. Darin ist vieles verdichtet, was mich an dieser Musik damals so angesprochen hat (und es teilweise bis heute tut): Langsamer Einstieg, Spannungsaufbau, dynamische Wechsel, fantastische Instrumentenbeherrschung (der Bass! Die Drums!), am Ende noch eine kleine Verzögerung: Nach etwa 4 Minuten haben sie einen so weit, dass man um Erlösung bettelt, ein paar Sekunden noch, obacht, gleich ...
1: Supper's Ready (1972). Darüber müsste man Bücher schreiben, und Sie können ohnehin nicht mehr. Also heben Sie es sich für einen anderen Tag auf, denn das ist eine ganze Plattenseite. Oder, ach, vergessen Sie's, Generation YouPorn will ja immer alles jetzt gleich sofort, dann springen Sie halt an eine Stelle, die eigentlich mühsam vorbereitet wird, die Apocalypse in 9/8: Mein Gott, hat mich das damals erwischt! Dieser Neunachteltakt, das Zusammenspiel der Instrumente, dazu singt Peter Gabriel so gut, wie er davor und danach nie wieder gesungen hat: Das alles läuft natürlich auf einen musikalischen Höhepunkt hinaus, der erst so richtig wirkt, wenn man vorher durch die Ebenen dieses Dreiundzwanzigminutenstücks gewandert ist. Aber das sollte man besser freiwillig tun.
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