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Dass sie ehrlich war, spielt keine Rolle. Das hätte sie auch im Privaten sein können. [Q]Mich stört der Schicksalsboulevard ohnehin, und als vor einigen Jahren die tapfere Rückkehr der Moderatorin nach Aneurysma und monatelangem Koma inszeniert wurde, ging mir das durchaus auf die Nerven: Triumph des Willens, bzw.: Seht ihr, es geht doch, so der Subtext all der Auftritte, Berichte und Interviews damals. Dann noch das Ärgernis eines zu hoch dotierten Werbevertrages für eine Fernsehlotterie und ein unpassender Heiratsantrag vor laufender Kamera - bei aller Sympathie für ihr Schicksal und ihren Kampfeswillen, ich hätte nicht gedacht, dass ich mich mal mit Monica Lierhaus solidarisieren würde.
Da stolpere ich in der Boulevardabteilung meines E-Mail-Anbieters über das Interview mit zwei Vertretern von Behindertenverbänden: "Aussage kommt einem GAU gleich", schallt es mir in der Überschrift entgegen, und ich reibe mir die Augen: Da hat die Frau also gesagt, dass ihr ohne die Hirnoperation "vieles erspart geblieben" wäre - und das ist ein GAU, ein Größter Anzunehmender Unfall?
Auf die Bemerkung, dass sie ohne die Operation tot wäre, entgegnete Lierhaus: "Egal. Dann wäre mir vieles erspart geblieben." [Q]"Denn die Botschaft, die ankam, ist: Ein Leben mit einer solchen Behinderung ist nicht lebenswert", heißt es natürlich sogleich in dem Interview, und ich bin relativ fassungslos. Jemand sagt: Es geht mir schlecht, jemand sagt: Ich bin unglücklich, ich wäre lieber tot, jemand sagt: Ich würde die Entscheidung heute anders treffen - und es "kommt an", dass "ein Leben mit einer Behinderung nicht lebenswert" sei!?
Mal kurz nachdenken: Was "ankommt", liegt nicht nur beim Absender, es liegt ebenso beim Empfänger - eine Binsenweisheit, doch frage ich mich, ob der Zwang zum "positiven Denken" inzwischen die öffentliche Kommunikation dermaßen beherrscht, dass eine schlichte und subjektive Aussage wie "Es geht mir beschissen" kaum noch getätigt werden kann, ohne sich dem Vorwurf des Defätismus auszusetzen. Denn alles stürzt sich allein auf die (vermeintliche) Wirkung einer solchen Aussage: "Jetzt sieht alles wieder nach Aussichtslosigkeit und ewigem Leid aus. Darum wäre es besser gewesen, sie hätte geschwiegen", heißt es in dem Interview - und Aussichtslosigkeit und langes Leiden darf es nicht geben, die darf man nicht empfinden, vor allem aber nicht äußern. Denn dann verlieren ja alle anderen sofort ihren Mut: "Sie hat aber mit ihrem Interview die Arbeit von vielen zunichte gemacht, die zeigen, dass auch ein Leben mit Behinderung lebenswert ist."
Ganz ehrlich: Ist das so einfach? Tickt ihr so einfach? Wenn jemand sagt: Alles scheiße bei mir, dann gebt ihr auf? Wenn jemand sagt: Alles super trotz Lähmung, dann bringt euch das gut drauf? Muss denn wirklich immer alles Propaganda sein, und sei es gut gemeinte? Fühlt sich das nicht manchmal etwas hohl an?
Ich hoffe, mir passiert so etwas nie. Und ich hoffe, wenn mir so etwas doch passiert, dass ich dann trotzdem unheimlich positiv drauf bin und von allen Seiten ganz doll unterstützt und ermutigt werde. Ich hoffe aber auch, dass ich verzweifelt sein und mein Schicksal verfluchen darf, ohne dass mir jemand vorwirft, dass ich meine Lebenssituation nicht annähme:
Für mich belegen Frau Lierhaus' Aussagen, dass sie ihre jetzige Lebenssituation nicht annimmt, sondern einem immerwährenden Vorher-Nachher-Vergleich unterwirft. Das ist nach einem solchen Einschnitt wie bei ihr normal. Aber nach fünf Jahren sollte diese Sichtweise nicht mehr dominieren.Schicksalsschläge also bitte normgerecht innerhalb von max. fünf Jahren annehmen und vor allem nicht so laut schreien, das macht die Arbeit von ganz vielen Leuten zunichte. Danke für die Info.
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