Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Freitag, 22. August 2008
We don't care what your name is boy
nnier | 22. August 2008 | Topic In echt


Fahre ich mal nach Berlin, kommt mir zwangsläufig ein altes Lied von Insterburg & Co. in den Sinn und treibt dort tagelang sein Unwesen:

Ich liebte ein Mädchen in Wedding
Die wollte immer nur Petting
...
Ich liebte ein Mädchen in Neukölln
Die wollte es niemals im Helln


Und so weiter; wer es nicht kennt, kann froh sein. Womit nichts gegen die Insterburger gesagt sein soll - man denke nur an Die Kaulquappen im Ehentehenteich oder Hallo Frollein Lisa / Ham sie schon ein Visa.

Über was wollte ich hier noch mal schreiben. Ach ja: Zum Glück war ich ja gar nicht in Berlin! Ich war an einem anderen Ort, dessen Erkennungsmelodie dann doch ungleich angenehmer klingt.

Man kann nicht dorthin fahren, ohne dass Holly Johnson einem ins Ohr singt (Life goes on day after day / Hearts torn in every way). Wenn man Glück hat, tut er das in der Version von Welcome to the Pleasuredome und wenn man Pech hat, dann ist es die 89er Verbrecherversion der Verbrecher Stock, Aitken, Waterman, die anlässlich der Katastrophe im Hillsborough Stadion zu Sheffield veröffentlicht wurde und an der übrigens auch Paul McCartney mitgewirkt hat. Der konnte es aber auch nicht retten. (Nein, ich habe nicht die Version von Gerry & the Pacemakers im Kopf, das ist manchmal das Problem, wenn man die Coverversion vor dem Original kennenlernt.)

Man befindet sich in einer Stadt, in der Busfahrer sagen: "That's two eighty, mate". "Any change, mate?", fragt der Mann mit dem Pappbecher. Mate. Man ist mate und fühlt sich angenehm integriert. "Thanks, mate". Es gibt unsympathischere Anreden für Fremde.

Man lauscht dann interessiert dem Scouse mit seinem Fur-fair merger. Man läuft dann um die Docks herum und freut sich über die alte Hafenarchitektur. Man landet dann vor allem aber immer wieder am Ufer des gigantischen Flusses, wo man gar nicht anders kann, als sich auf eine dieser Bänke zu setzen, vielleicht eine Zigarette anzustecken und sich mit einem Mal ganz ruhig und ganz friedlich zu fühlen.

Man mag sich womöglich über die Hobbys der Briten wundern; so pflegen sie z.B. gegen 4:30 a.m., wenn im Hotel dann doch langsam Ruhe eingekehrt ist, mit aufgemotzten Autos unter die Fenster desselben zu fahren. Dort wird eine spezielle, aggressive Techno-Musik so laut aufgedreht, wie man es hierzulande nicht für physikalisch möglich hält. Daraufhin wird die Autotür aufgerissen, um den Schalldruck gegen die Hotelfenster noch mal zu erhöhen, die Tür wieder zugeknallt und mit durchdrehenden Reifen weggerast. Dies wird dann dreimal, und zwar etwa alle zehn Minuten, wiederholt. Seit ich vor Jahren einmal einen Freund in der damals noch für nichts als ihre schönen Flaschenöfen bekannte Geburtstadt dieses einen Teenystars besuchte, eines nachts laute Splittergeräusche hörte und hochschreckte, durchs Fenster einen Mob beobachtete, der mit Eisenstangen auf ein neues Auto einschlug und mein Bekannter lediglich etwas von "randalierenden Normalengländern" murmelte, bevor er ruhig weiterschlief, bin ich auf so etwas aber innerlich gefasst. Es gibt ja neben den distinguierten und das Queuing perfekt praktizierenden auch die rotgesichtigen, stoppelhaarigen und wie Wayne Rooney aussehenden Engländer, denen man dann doch nicht unbedingt im Dunkeln begegnen muss. Es reicht schon, dass sie mit einem fliegen.

Man denkt dann auf der Bank am Fluss noch kurz darüber nach, wie das so wäre, den Job im Beatlesshop zu machen. Den ganzen Tag? Immer? Nur? Beatlesmusik?

Nein, es käme der Tag, an dem man davon genervt wäre. Und wie sollte man dann weiterleben?

Solche Anflüge von Masochismus verscheuchen die Möwen mit ihrem irren Lachen, man drückt die Zigarette aus und schaut noch lange auf den Fluss. Langsam wird es dunkel.

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