Standing by a parking meterAls Kind steckte ich manchmal einen Taschengeldgroschen in eine Parkuhr, einfach so, denn ich mochte das tickernde Geräusch, mit dem das kleine Halteverbotszeichen verschwand und der Zeiger vorrückte; außerdem konnte ich mit wenig Aufwand Gutes tun, denn schließlich verschenkte ich auf diese Weise bis zu zwei Stunden Parkzeit an Unbekannt. Ähnlich wie beim Betätigen des Nicknegers im Advent also verband sich ein altruistisches Motiv aufs Vergnüglichste mit kindlicher Freude an einfachen, mechanischen Abläufen - die ich übrigens heute noch empfinden kann, weshalb ich Spendensammlern dringend empfehle, noch wesentlich mehr dieser physikalisch ganz hervorragend ausgetüftelten Sammelstellen einzurichten, in die man eine Münze so werfen kann, dass sie, hui!, hui!, minutenlang herumrollt, auf und nieder, Schwer- und Fliehkraft kämpfen fast gleichberechtigt miteinander, bis die Münze zum Schluss im immer enger werdenden Trichter fast waagerecht kreist und, paff, schließlich doch auf den riesigen Münzhaufen fällt, der sich schon darunter angesammelt hat, während man schon längst die nächsten Münzen einwirft, diesmal gleich ein paar nacheinander, weil man doch ausprobieren will, ob und wie die sich begegnen, und die leichten, kleinen Münzen verhalten sich vermutlich ganz anders als die schweren, dann kommt halt doch das Eurostück dazu, gib her, es ist ja für einen guten Zweck.
When I caught a glimpse of Rita
Filling in a ticket in her little white book
(The Beatles: Lovely Rita)
Nicht nur die steigenden Preise verdarben mir später das Parkuhrvergnügen. Es war nämlich so, dass die mechanischen durch digitale Innenleben ersetzt wurden - kein Geticker erklang mehr, wenn man das Markstück versenkte, lediglich die dumme LCD-Anzeige änderte sich. Außerdem wurde nun beim Nachwerfen von Geld eine eventuell vorhandene Restzeit getilgt, was mich maßlos ärgerte, hatte man doch zuvor immer das Gefühl, dem Nachfolger etwas schenken zu können, wenn man eine Stunde gezahlt und nur eine halbe verbraucht hatte. Am liebsten wäre ich sitzen geblieben und hätte meine Parkzeit voll ausgeschöpft.
Dass die Zeiten härter geworden waren, merkte ich auch an folgender Begebenheit: Ich parkte am Bahnhof, warf Geld in die Parkuhr, diese nahm die Münze aber nicht an. Gewissenhaft versuchte ich es mehrfach, dann schrieb ich, um Unheil zu verhindern, einen Zettel, auf dem ich kundtat, dass die Parkuhr nicht funktioniere. Diesen legte ich gut lesbar hinter die Windschutzscheibe und ging in die Stadt. Bei meiner Rückkehr klemmte ein Strafzettel unterm Scheibenwischer, der meine Ordnungswidrigkeit wie folgt handschriftlich formulierte: "Halten an defekter PU."
Wie schön muss es da ein paar Jahre zuvor gewesen sein, als sich, wie mir berichtet wurde, folgendes zutrug:
Ein taxifahrender Student fuhr mit seinem elfenbeinfarbenen Mercedes durch ein Dorf, in dem einige seiner Kommilitonen, die es beim Studieren und auch insgesamt eher gemütlich angehen ließen, lebten. Diese "Haschbrüder", so der ehemalige Taxifahrer bei seiner Erzählung, saßen schon vormittags in der Mitte des Dorfes zu dritt auf einem breiten, samtenen Sperrmülllsofa, ließen sich die Sonne ins Gesicht scheinen und tranken Rotwein. Freundlich grüßten sie ihren Bekannten, der kurz anhielt und mit ihnen plauderte, als der Dorfpolizist ankam, welcher zwar sein Missfallen nur schwer verbergen konnte, aber ebenso freundlich gegrüßt wurde und mangels Delikt auch nichts auszurichten wusste.
Am späten Nachmittag verschlug es den studierenden Taxifahrer wiederum in jenes Dorf. Die Sonne war erheblich weitergewandert, das Sperrmüllsofa deshalb ein gutes Stück über den Platz getragen worden, die drei Rotweintrinker grüßten abermals freundlich, der Taxifahrer hielt auf einen Plausch, als der Polizist kam. Diesmal hatte er einen Grund zum Einschreiten gefunden: Das Sofa stehe auf einem Parkplatz, das dürfe nicht sein, das Sofa habe unverzüglich beseitigt zu werden.
"Wieso?", fragte einer der Haschbrüder ganz freundlich und zeigte auf die Parkuhr hinter dem Sofa, "Wir haben doch Geld eingeworfen!", und ich glaube, so etwas war wirklich nur damals unter Helmut Schmidt möglich.
Got the bill and Rita paid it
Took her home and nearly made it
Sitting on the sofa with a sister or two
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mark793,
Mittwoch, 25. August 2010, 23:09
Haha, "Haschbrüder", dieses Wort habe ich ja seit Äonen nicht mehr gehört. In dem Zusammenhang fallen mir noch die "langhaarigen Gammler" ein, die mein Vater so verabscheute.
Und passend zum Thema noch den Spruch aus unserer Jugend: "Hier sind 50 Pfennig, erzähls der Parkuhr!"
Und passend zum Thema noch den Spruch aus unserer Jugend: "Hier sind 50 Pfennig, erzähls der Parkuhr!"
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nnier,
Donnerstag, 26. August 2010, 00:19
Hatten Sie damals auch schon Inflation!? Das war doch ein Groschen, kein Fünfziger - oder? Immerhin bekam ich noch 1990 von einer liebenswerten, alten Dame, der ich täglich ein warmes Mittagessen brachte, eines Tages 50 Pfennig in die Hand gedrückt: "Gehen Sie mal ein Bier trinken, junger Mann!"
ilnonno,
Donnerstag, 26. August 2010, 00:51
Das war aber nur knapp daneben. In unserem Automaten kostete das König Ludwid Dunkel 80 Pfennig. Ohne das konnte man keinen LKW abladen.
nnier,
Donnerstag, 26. August 2010, 00:59
Einverstanden, wenn "ein Bier trinken gehen" heißt, beim Supermarkt eine Dose Dortmunder Export zu besorgen, hat die Dame tatsächlich exakt getroffen.
ilnonno,
Donnerstag, 26. August 2010, 01:13
Wir haben selten Trinkgeld bekommen. Immer nur erpresst. Kamen LKW zu spät, und das Lager war wegen Feierabend schon zu, haben wir uns überreden lassen, sie dennoch abzuladen.
Aber eben gegen einen Blauen. Für den Fuhrunternehmer war das trotzdem ein gutes Geschäft, weil er so immerhin noch seine vierstellige Folgefracht einholen konnte.
Aber eben gegen einen Blauen. Für den Fuhrunternehmer war das trotzdem ein gutes Geschäft, weil er so immerhin noch seine vierstellige Folgefracht einholen konnte.
venice_wolf,
Donnerstag, 26. August 2010, 11:42
Ach wie herrlich, so ein wandelndes Sofa zu besitzen... und damit sich im Lande heimlich lustig zu machen. Ich vor allem, der nur ganz selten auf sowas platz nimmt und dann nur um kurz danach darauf erschöpft einzuschlafen.
Von einer Insel in der Lagune stammt folgendes Foto, leider reichte es mit der Zeit nicht um Boot verankern, Rotwein entkorken, Zigarre mit Birkenstreichholz entzünden, Sonnenuntergang verfolgen.
Wer weiss, vielleicht ist er ja das nächte Mal noch dort...
falls wer auf die Suche nach diesen schönen Platz gehen will , ein Tip:
http://maps.google.it/maps?hl=it&q=sant'erasmo&ie=UTF8&hq=&hnear=Sant'Erasmo&z=13
Von einer Insel in der Lagune stammt folgendes Foto, leider reichte es mit der Zeit nicht um Boot verankern, Rotwein entkorken, Zigarre mit Birkenstreichholz entzünden, Sonnenuntergang verfolgen.
Wer weiss, vielleicht ist er ja das nächte Mal noch dort...
falls wer auf die Suche nach diesen schönen Platz gehen will , ein Tip:
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