Ah, ich kann's genau bestimmen: im Dezember war's, dem grimmen,
und der Kohlen matt Verglimmen schuf ein Geisterlicht so leer.
(Aus E. A. Poe: Der Rabe)
Vorbemerkung: Schon klar, ihr ökologischen Blockwarte, dass ihr jede freie Diskussion unterbinden wollt, denn bestimmt wart ihr es, die die Besucher dieses Blogs persönlich daran gehindert haben, den vorangegangenen Beitrag wie gewohnt zu kommentieren* - bzw. überhaupt nur zu lesen, denn ihr wisst ja, was gut für die Menschen ist, gell, und habt das Recht auf eurer Seite, so wie Stalin damals, man muss bloß mal so einige Kommentare unter dem Glühlampenartikel in der taz lesen, dann merkt man, woher der Wind weht: Gehirn aus, Energiesparlampe an, und dann fröhlich Leute gängeln! Auf freiwilliger Basis geht nix, eh, "vic"!
Aber wisst ihr was, ganz ehrlich, ich bin eigentlich auch einer von den Guten. Ich fahre z.B. viel Fahrrad und möchte heute zu diesem Thema sprechen, wenn's genehm ist, den Motor lasse ich nebenbei laufen, dann kann ich mich besser konzentrieren.
Fangen wir mal mit dem grünen(!) Condor an: Eigenmarke von Karstadt, der Verkäufer hatte es wärmstens angepriesen, ich war ein Weilchen damit herumgefahren, bis es mich einmal hingeschmissen und dem Radl dabei gleich den ganzen Rahmen verzogen hatte. Nun stand ich in der Karstadt-Werkstatt, der Meister sah sich das Fahrrad fachkundig an und stellte fest, dass es in der Mitte, dort, wo die Pedale sitzen, nach rechts geknickt war. "Sind nicht mehr die stabilsten!", tat er kund, hob das ganze Fahrrad über seinen Kopf und hieb es, WAMM!, WAMM!, zweimal waagerecht in Höhe des Tretlagers auf den Schraubstock an seiner Werkbank. Dann prüfte er, ein Auge zugekniffen, nach, ob die Linien nun wieder in der richtigen Flucht verliefen, hob das Rad erneut an und semmelte es mit erhöhter Wucht, WAMM!, WAMM!, WAMM!, noch ein paar Mal auf die stabilen Stahlbacken. Ohne weiteren Kommentar gab er mir das Fahrrad zurück, und ich weiß nicht mehr, was diese Reparatur gekostet hat, doch erinnere ich mich gut daran, dass ich beim Hinausgehen überlegte, was in dieser Werkstatt wohl stattfand, wenn kein Kunde anwesend war.
Einige Jahre später, zu Abi-Zeiten, kaufte ich ein gebrauchtes, gut erhaltenes Raleigh-Rennrad für sehr faire 370.- DM, es war schön leicht und der Rahmen aus elliptischem Rohr gefertigt, es hatte dünne Rennradfelgen und ich flitzte jahrelang damit herum, bis es gestohlen wurde. Allerdings hatte ich festgestellt, dass mir die gebückte Rennradhaltung nicht guttat und dass ich viel eher ein gemütliches Stadtfahrrad brauchte. Ein (gebrauchtes) Mountainbike wurde dann auf Anhieb gestohlen, ein (geerbtes) und fast unbenutztes, solides Peugeot-Herrenrad mit großartiger 7-Gang-Nabenschaltung war nach ebenso kurzer Zeit weg, so dass sich etwa ab diesem Zeitpunkt für mich das Thema "teure Fahrräder" definitiv erledigt hatte. Statt dessen kaufte ich billige Neufahrräder - teilweise kann man ja für unter 200.- EUR Herrenräder mit einer Shimano-Schaltung bekommen, dieser Name stand ja mal für das Gute, das Raleigh hatte zumindest, so meine ich, auch eine besessen.
Leider sahen diese Billigräder, jedenfalls fürs nicht fachkundige Auge, auch noch ganz ansehnlich aus, so dass ich nicht nur regelmäßig auf mein "schickes" Fahrrad angesprochen, sondern auch weiterhin gelegentlich bestohlen wurde. Da ich nun mal keinen Spaß daran habe, an Fahrrädern herumzubasteln, gewöhnte ich mich an den Gedanken, ab und zu mal ein neues und billiges Fahrrad zu kaufen, auch wenn ich tief drinnen wusste, dass vieles wenig reparaturtauglich und mehr auf Effekt als auf Langlebigkeit hin konstruiert worden war. Benutzte ich zwischendurch einmal das tolle, teure, inzwischen 15 Jahre alte und seltsamerweise in all den Jahren nicht weggeklaute Damenrad der Gefährtin, dann wurde ich daran erinnert, wie leicht, stabil und insgesamt einfach wertig sich ein Fahrrad anfühlen kann.
Im letzten Sommer bekam ein jüngeres Familienmitglied aus den beschriebenen Gründen - Diebstahlrisiko, dazu das Vandalismusproblem leider auch vor der Schule - ein ebenso billiges Blenderfahrrad wie ich. Es kostete 189.- EUR, es war regelmäßig kaputt, der lokale Fahrradladen nahm für die fälligen Reparaturen und Ersatzteile insgesamt fast 150.- EUR ein, davon die Hälfte erst vor vier Wochen für ein neues Hinterrad (Achsenbruch!) und ein Rücklicht. Seit vorgestern ist dieses Fahrrad aber endgültig kaputt, der Umsetzer von der Schaltung am Hinterrad hat sich in die Speichen gewickelt und ich habe die Faxen dicke.
Textaufgabe
Rechnung 1: Ein Damenfahrrad hat vor 15 Jahren 1700.- DM, also gute 850.- EUR, gekostet und seither vielleicht noch 300.- für Reparaturen und Inspektion, und es ist immer noch ein gutes Fahrrad.
Rechnung 2: Ein Herrenrad hat vor einem Jahr 189.- EUR gekostet, dazu knapp 150.- EUR für Reparaturen und Ersatzteile, und es ist nur noch ein Haufen Schrott.
Was ist billiger? Erläutern und begründen Sie Ihre Ansicht.
Es bleibt allerdings das Problem mit den Diebstählen, ein wirklich teures Fahrrad mag ich mir nicht kaufen. Also schaut man doch mal nach gebrauchten Fahrrädern, in dieser Jahreszeit leider ein schwieriges Unterfangen, die Läden haben schlicht nichts im Angebot, und privat gibt es viel Müll und sonst kaum etwas - aber dann findet man eines aus der Zeit, als die Postleitzahlen noch vierstellig waren, ein nicht besonders schönes, stellenweise leicht vom Flugrost befallenes und doch auf Anhieb vertrauenerweckendes, stabiles, leicht laufendes Fahrrad zu einem Preis etwa in Höhe dessen, was die beiden hochwertigen Mäntel, die auf den Felgen sitzen, vermutlich kosten.
Das Fahrrad nehme ich für mich selber; die Reaktion einer jungen Person ("Iiih! Dein altes sah viel besser aus!") stimmt mich zuversichtlich, dass auch das Diebesgesindel sich von äußerem Blendwerk mehr als von inneren Werten leiten lässt, und mein letztes Blenderrad darf nun von einer anderen jungen Person zuschandengefahren werden. Aber dann ist Feierabend.
Die gelben Aufkleber werde ich wohl noch ablösen. Und auch dann wird aus meinem Raben kein Schmuckstück - aber alt werden, das kann so eine ordinäre Saatkrähe auch ganz gut.
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*Na gut. Einer hat sich inzwischen doch getraut. Aber das ist selber so ein Renegat.
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