Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Massive Imagine
nnier | 26. April 2021 | Topic Musiq
Sie werden sich erinnern: Einmal nach dem Ende der guten Popmusik kam doch noch was, das war in den 90ern. Wunderschön mollgestimmt sang Tracey Thorn bei Everything But the Girl und Massive Attack. Auch wenn das vor computerkalt gesampelter Kulisse geschah, sprach es mich an, und so lauschte ich für einen Moment noch mal derselben Musik wie der Rest meiner Kohorte, kaufte Vorgänger- und Remixalbum und noch irgendwas von Portishead. Bald staubten die Sachen trotzdem ein, manchmal dachte ich noch dran, beließ sie aber in ihrer Zeitkapsel.

McCartney III Imagined hat mich beim ersten Durchhören angestrengt; man kennt ja all die Remix-Elemente - Echo-Effekte, Drumloops, Handclaps - und oft sind die Stücke zu lang und walzen ihre eine Idee aus, das kann man auch dem von mir kürzlich angepriesenen Beck-Stück nachsagen, mit dem das Album beginnt. Gleich im Anschluss Tiktokpop, in dem alle 20 Sekunden ein neuer Reiz gesetzt werden muss - nicht mein Fall. Noch zweidrei Lieder, die mich nicht vom Hocker reißen, dann aber wird es interessant: Das im Original womöglich doch etwas schlichte Seize the Day wird von einer gewissen Phoebe Bridgers aufs Angenehmste nach Moll gezogen und gewinnt eindeutig an Tiefe. Herrn EOB kenne ich auch nicht, er bringt mich aber zum Grinsen, wenn er einfach den Distortion-Regler hochreißt und das Lied ansonsten so belässt. Dann kommt jemand und legt schön verstimmte Piano-Akkorde und einen sommerleichten Beat unter das hinreißende When Winter Comes, und dieses geht daran keineswegs kaputt: Man kann ja überhaupt nicht fassen, dass er ein solches Juwel 25 Jahre liegenlassen hat, und für mein Empfinden werden die schöne Melodie und der anrührende Gesang von den hinzugefügten Spuren hervorgehoben statt begraben, auch wenn ich vorher überzeugt war, dass die schlichte Originalform (Gesang mit akustischer Gitarre) die einzig passende wäre.

Zentrum des originalen Albums ist ein Brocken namens Deep Deep Feeling. Wenn den zum Abschluss des neuen Albums jemand schreddert und die Häcksel in den Trichter einer Massive-Attack-Maschine einfüllt, kommt ein Zwölfminüter heraus:



[Jetzt noch was mit Dekonstruktion, Soundästhetik, Rauschen!, Lo-Fi-Elemente vs. hymnisches Pathos und der ganze Riemen]

[Und eine qualifizierte Beurteilung würde ich schon noch erwarten, "geiler Song" ist n büschen dünne]

["Mach ich morgen!?"]

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