Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Donnerstag, 1. November 2012
Yield the Blasenfilter
nnier | 01. November 2012 | Topic Brainphuq
Manchmal stelle ich mir das noch so wie früher vor - zum Beispiel, wenn man mit der Bahn fahren will: Man befragt eine (meinetwegen elektronische) Auskunft, bekommt die passenden Angebote angezeigt, wählt eines aus und bezahlt. Falls man im Besitz einer Bahncard ist, zahlt man entsprechend weniger.

Hahahahaha! Es ist natürlich ganz anders. Man wird nämlich zuerst gefragt, ob man so eine Bahncard hat, und dann zeigt einem das System nur die Angebote, die es einem zeigen möchte. Hat sich jemand überlegt: Ich fahre viel mit der Bahn, leiste mir eine Bahncard 50 und muss also für jede Fahrt nur die Hälfte zahlen - dann kann es sein, dass ihm bestimmte Angebote vorenthalten werden. Irgendwo spielt ein Algorithmus mit hinein, der sagt: Lass den mal seine 50% vom Normalpreis zahlen, wenn er übernächste Woche von Flensburg nach Freiburg fahren will, und zeige ihm nicht das Kontingent an Sparpreistickets für genau diesen Zug! Die bietest du nur anderen Leuten an.

Ein erfahrener Bahnkunde berichtete mir davon, dass er dieses ausgiebig durchgetestet habe. In seinen Kreisen ist man derzeit der Ansicht, dass eine bestimmte Bahncard ("25er, 1. Klasse") momentan die besten Ergebnisse erbringe. Und natürlich sind wir immernoch in einer frühen, eher primitiven Phase der Realitätsdifferenzierung.

Mein Informant jedenfalls musste lediglich mehrmals dieselbe Verbindung abfragen, bezüglich der Bahncard gab er dabei einmal dieses, einmal jenes an - und bekam reproduzierbar die unterschiedlichen Angebotslisten. Die Filterblase ist demnach noch sehr undicht und kann mit simplen Tricks getestet (und bei genügend Wissen auch überlistet) werden. Dennoch merke ich immer wieder, dass ich noch zu oft in dieser naiven, längst überholten "Auskunft"-Metapher denke: Als liefere eine Suchmaschine wie g**gle auf dieselbe Anfrage von Person A und Person B ein identisches Ergebnis!

Gibt man bei der Suche nach Flügen, so las ich kürzlich irgendwo, einen unscharfen Zeitraum ein, so geht die dahinterliegende Logik davon aus, dass man ein flexibler Reisender ist, dem der genaue Termin nicht so wichtig ist. Man muss ihm folglich günstige Preise bieten, damit er nicht woanders bucht (oder ein anderes Reiseziel wählt) und zeigt also bestimmte, günstige Flüge an. Sucht jemand dagegen exakt einen dieser Flüge, wird dieser für einen wesentlich höheren Preis angeboten: Der Suchende ist ja offenbar auf die Verbindung angewiesen und kann entsprechend besser abgemolken werden.

Wie gesagt sind das noch Anfänge. Yieldmanger und andere Gehirnmanipulatoren bekommen aber heute schon Erektionen, wenn sie sich die künftigen Möglichkeiten bewusst machen: Da brauchen wir gar nicht erst von den Eintrittskarten für Konzerte zu sprechen, die so verkauft werden sollen, dass der beinharte Fan so viel wie möglich zahlt, während zur selben Zeit Tickets bei Gr*upon verramscht werden. Das alles findet ja längst statt.

Aber man muss ja nicht jedem dieselbe Information in seine erweiterte Realität einblenden, da lotsen die Navigationssysteme in der Windschutzscheibe mal so und mal anders, da wissen sie längst, wie du tickst und wo deine Grenze verläuft, und wenn du meinst, dass du nur ein neues Browsertab öffnen und etwas anderes eingeben musst, erkennen sie dich und schmunzeln: Netter Versuch! Gleich nimmt er das Handy seiner Freundin und probiert's noch mal, wetten? Ah, da isser schon.

Dich aber kann keiner austricksen. Du weißt, dass sie dich am Rhythmus deiner Tastatureingaben erkennen, du unterläufst die Stimmerkennung mit Helium und suchst regelmäßig nach zufälligen Begriffen aus dem Wörterbuch. Sehr gut! Und dir ist völlig klar, dass nur dir dieser Beitrag angezeigt wird. Die anderen lesen gerade was über den "Teint", da dachte der nnier früher immer, das sei ein Körperteil: "Sie hatte einen wunderschönen Teint", und er wusste damit nichts anzufangen, davon erzählt er gerade, und wie sein Freund A. mal was vom "Teng" gesagt hat. Das übliche Blabla halt. Du musst dir dieses Blog mal mit einem Android-Smartphone aus dem D2-Netz angucken, wenn du nicht bei Faceb**k eingeloggt bist - du glaubst nicht, was da für ein Zeug steht manchmal!

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