Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Donnerstag, 3. November 2011
Die Straße meiner Kindheit (3)
nnier | 03. November 2011 | Topic In echt
Das "Lädchen" hatte sich nach zweimaligem Besitzerwechsel zu einem reinen Kiosk gewandelt. Geführt wurde es von Herrn und Frau K., die unterschiedlicher nicht sein konnten. Frau K., deren Name draußen auf dem großen Schild stand, wirkte so, als habe sie permanent Migräne und sah auch so aus: Man zitterte beim Hineingehen vor Furcht, irgend etwas falsch zu machen oder zu sagen, und hoffte, oft vergeblich, irgendwie ohne Rüffel wieder herauszukommen. War es davor die reine Freude gewesen, mit ein paar Groschen in den Laden zu gehen, um sich erst mal in Ruhe umzusehen und dann, zwei davon und drei davon - nein, bitte kein rotes!, den Einkauf einiger Süßigkeiten gebührend abzuschließen und von den Inhabern ebenso freundlich verabschiedet zu werden, wie man zuvor begrüßt worden war, so überlegte man jetzt schon draußen sehr genau, was es sein sollte, um dann knapp und präzise, ohne zu stottern, nicht zu langsam, nicht zu schnell, nicht zu leise und nicht zu laut seinen Wunsch vorzutragen.

Später dann, im Jugendalter, machte ich mir einen Spaß daraus, meine Freunde unvorbereitet in das Kiosk zu schicken. Draußen wartete ich und konnte mir kaum das Grinsen verbeißen, bis sie mit konsterniertem Blick wieder herauskamen und sagten: Also die Frau da drin. Und auch die Erwachsenen schüttelten ihre Köpfe über die griesgrämige, unfreundliche Frau K., und dabei hat die so einen netten Mann!

Der war nicht oft da, aber wenn, dann strahlte er seine Kundschaft an. "Ich bin der E.", wollte er beim Vornamen genannt werden, auch von uns Kindern, und wie er sich über die Witze seiner Kunden freute!, einmal z.B., als ein Herr zwei Fläschchen Magenbitter kaufte, die seien doch hoffentlich nicht eisgekühlt, das vertrage er nicht,
da verriet ihm E. seinen Trick, er jedenfalls stecke die Fläschchen einfach ein paar Minuten in die Hosentasche, dann seien die schön trinkwarm. "Aber die Eier sind kalt! Schulligung", sprach der Mann, und E. warf sich vor Lachen in die Ecke. "Der war gut!"

Die sollen noch ein anderes Kiosk haben, irgendwo, hieß es, und so vermuteten wir, dass E. dann wohl meistens dort sei, denn in "unserem" Kiosk stand ja Frau K., von morgens 6:00 bis abends 20:00, manchmal war auch das Kind da. Aber der E. lag fast immer zu Hause, viel zu betrunken, berichtete Frau K. meiner Mutter, eines Tages, nach Jahren, und der sei dann total aggressiv.

Diesmal gab es keinen Nachfolger, als das Kiosk zumachte, es ist jetzt wieder eine Wohnung, und meine Freunde klauten das große Schild und schenkten es mir zum Geburtstag, ich weiß gar nicht, ob das noch irgendwo im Keller rumliegt.

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